Skifliegen:Mit der Ruhe des Löwen

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Norwegens Skiflug-Weltmeister Roar Ljoekelsoey hat sich aus einer jahrelangen Krise gerettet - jetzt setzt er Maßstäbe.

Von Thomas Hahn

Planica - Nun musste er Planica schnell hinter sich lassen, seinen Sieg im Einzel der Skiflug-WM, das Gold mit Norwegens Mannschaft und die vielen Gratulanten, die ihm auf die Schulter geklopft hatten an diesem schönen trüben Wochenende.

Roar Ljoekelsoey (Foto: Foto: AP)

Die Reise ging weiter für Roar Ljoekelsoey, 27, aus Orkdal bei Trondheim, den neuen Skiflug-Weltmeister, genauso wie für seine Teamkollegen, mit denen er in dieser Skisprungsaison die Maßstäbe setzt. Von Kranjska Gora über Frankfurt nach Utah, wo Park Citys Olympiaschanzen stehen und am Wochenende der nächste Weltcup stattfindet.

Aber Ljoekelsoey murrte nicht, er wollte auch nicht davon sprechen, dass ihn die Wettkämpfe angestrengt hätten. Er genoss nur diese Zeit, denn es ist seine beste. Ljoekeloey steckt im Hoch seines Lebens, da stören die Strapazen nicht.

Sein Vorname klingt wie Löwengebrüll, sein Kampfgeist ist groß, und seine Ziele sind am höchsten Niveau ausgerichtet: Den Gesamtweltcup hat er noch nicht abgeschrieben, 2005 will er WM-Gold, 2006 Olympia-Gold. Aber er ist ein sehr leiser Löwe.

Seine Stimme ist so dünn, dass man schon genau hinhören muss, um ihn zu verstehen, und sein Temperament ist auf Gleichmut ausgelegt. Er lächelte bescheiden, als ihn die Journalisten am Samstag nach seinem Triumph besuchten.

Stiller Stolz lag in seinem Gesicht, als die Fotografen ihre Blitze abfeuerten. Und als er sich selbst beschreiben sollte, sagte er: "Ich bin ein ruhiger, einfacher Kerl, der immer lächelt."

So muss man wohl auch sein, wenn man eine Karriere ertragen will, wie sie Roar Ljoekelsoey bis zu seinen Erfolgen hinter sich bringen musste. Denn sie brachte ihm lange nicht viel. Mit 16 gab er sein Debüt im Weltcup, kurz darauf gewann er erste Weltcuppunkte in Planica, und von da an wusste er: "Ich will Skispringer sein, bis das Alter mich nimmt."

Es folgten Jahre im Mittelmaß mit seltenen Ausschlägen nach oben. 1995 stand er erstmals auf dem Podest, wieder in Planica, aber bald darauf brach eine norwegische Skisprungdepression an, die Jahre dauern sollte und in Ljoekeloey eine ihrer traurigen Symbolfiguren hatte. "Es waren harte Jahre", sagt er.

Es gab strenge Diskussionen, Hohn und Zorn in der Öffentlichkeit, Norwegen beklagte den Niedergang eines Nationalsports und blickte bedrückt auf Oslos traditionsreichen Bakken am Holmenkollen, der wie ein Denkmal vergangener Erfolge wirkte.

Ljoekelsoey versuchte so gut wie möglich wegzuhören, aber ihm entging nicht, dass sein Verband 2002 wegen der Krise überlegte, keine Springer zu Olympia zu schicken. Er tat es doch, und so wurden die Spiele von Salt Lake City für Ljoekelsoey der Tiefpunkt. Das Team wurde Neunter. Hinter Korea.

Roar Ljoekelsoey hat damals gedacht wie jeder kriselnde Skispringer denken muss. Er vertraute auf sein Talent und hoffte. Er redet nicht viel von früher. "Da waren einige falsche Schwerpunkte im Training", sagt er. Wie der Erfolg kam? "Mika", sagt Ljoekelsoey, "das ist die kürzeste Erklärung."

Der finnische Skisprungtrainer Mika Kojonkoski hat sein Meisterstück gemacht mit der Aufbauarbeit in Norwegen, wählte aus der Masse der Talente die richtigen aus und vermittelte ihnen ein neues Gefühl für ihre Arbeit. Vor allem Ljoekelsoey hat das geholfen, der anders als der Tournee-Gewinner Sigurd Pettersen zu jenen in Kojonkoskis neuem Team gehört, die alle Tiefschläge der Vergangenheit am eigenen Leib erfahren mussten.

"Wenn man all die Jahre im Wettkampf stand, ohne Erfolg zu haben, ist es nicht einfach, das hohe Wettkampfniveau zu finden", sagt Mika Kojonkoski. Wahrscheinlich war er deshalb so gerührt, als Ljoekelsoey nach seinen fünf Saison-Siegen auch die Charakterprüfung im Schneegestöber von Planica mit Gold ablegte.

Und nun? Roar Ljoekelsoey hat den Respekt vor der Niederlage nicht verloren. Er weiß, was alles passieren kann. "Ich habe Angst davor, dass meine Form wieder abfällt", sagt er. Aber die vergangenen zwei Jahre lassen ihn in dem guten Glauben, dass es nie mehr so schlimm wird wie damals. "Ich falle nicht auf den Hannawald-Trip." Und was die nähere Zukunft angeht, sind die Aussichten auch nicht schlecht. Trainer Kojonkoski hat angekündigt, dass es auf der Amerika-Reise ausnahmsweise etwas entspannter zugehen darf.

© SZ vom 24.2.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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