Ski-WM:Ruhe bewahren in Extremsituationen

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Der Norweger Svindal holt im Riesenslalom seinen zweiten Titel, die Österreicher erleben erneut ein Fiasko.

Wolfgang Gärner

"Der Sieg in der Abfahrt war etwas Spezielles, aber der Riesenslalom ist meine stärkste Disziplin", erklärte Aksel Lund Svindal aus Kjeller bei Oslo, was andeuten sollte, dass sein zweiter Titelgewinn bei der Ski-WM in Are ein logisches Ereignis gewesen sei.

"Beste Form meines Lebens würde ich nicht sagen": Riesenslalom-Weltmeister Aksel Lund Svindal. (Foto: Foto: dpa)

Der erste Sieg drei Tage zuvor war etwas Spezielles, weil keiner seiner großen norwegischen Vorgänger einen großen Titel in der Abfahrt hatte holen können ("das war aber nur Zufall, denn sie wären beide dazu fähig gewesen"), im Riesenslalom aber wurden sowohl Kjetil Andre Aamodt (Morioka/1993) wie auch Lasse Kjus (Vail/ 1999) bereits mit Gold dekoriert.

Es besteht kein Zweifel mehr daran, dass der Spitzenreiter im Weltcup just in Are die beste Form seiner bisherigen Karriere erreicht hat. "Beste Form meines Lebens würde ich nicht sagen", gab Svindal zu bedenken, "denn das hieße ja, dass es nicht mehr besser werden kann."

Wieder alle verblüfft

In den Riesentorläufen beim vorjährigen Olympia von Sestriere und der WM 2005 in Bormio war er jeweils Sechster, seine bisher beste Platzierung bei einem Großereignis war vor zwei Jahren der zweite Kombinationsplatz.

Im neuen Winter ging es nun aber rapide voran: Im Dezember in Hinterstoder war er zum ersten Mal Schnellster in einem Weltcup-Riesenslalom, nun holte er binnen drei Tagen zwei WM-Titel ab, und beim zweiten hat er wieder alle verblüfft: Jene, die seinen zweiten Durchgang vom Mittwoch mit einem Ritt auf der Rasierklinge verglichen, belehrte er: "Wenn ich gut fahre, schaut es immer aus, als ob ich besonders viel riskieren würde."

Zur Halbzeit hatte er an Rang vier gelegen hinter Daniel Albrecht (Schweiz), dem Kanadier Francois Bourque und Marc Berthod als nächstem Schweizer. Dass der 24 Jahre alte Svindal auch in Extremsituationen die Ruhe selbst ist, weiß man seit seinem Coup in der Abfahrt.

Auch diesmal fräste er ungerührt den Berg hinunter, zelebrierte "einen Lauf fast ohne Fehler", besah sich im Ziel seinen Vorsprung von zunächst neun Zehntelsekunden und befand: "Das könnte Gold sein." Vom Guthaben blieben 48 Hundertstelsekunden übrig auf Daniel Albrecht, ebenfalls ein Wiederholungstäter: Der 23 Jahre alte Walliser aus Fiesch war vorigen Donnerstag Weltmeister in der Kombination geworden.

Cuche gewann seine zweite Medaille

Marc Berthod, damals Dritter, fiel im Finale zurück auf Rang elf, dafür schwang sich ein anderer Schweizer zu neuer Höhe auf: Didier Cuche, 32, wurde Dritter, gewann seine zweite Medaille nach dem Olympiasilber im Super-G von Nagano.

Das ist neun Jahre her, seitdem war die Laufbahn des Neuenburgers von oft schmerzhaften Rückschlägen geprägt. Er hat sich aber nicht verdrießen lassen, sondern mit unermesslichem Stoizismus darauf gebaut, dass dem Skirennsport eine eigene Gerechtigkeit innewohnt: "Mit der Zeit gleicht sich vieles sicher aus."

Dass es sich ausgerechnet in dieser Disziplin ausgleichen würde, kam aber selbst für ihn überraschend: "Ich hatte nie damit gerechnet, dass ich im Riesenslalom so schnell sein kann. Ich hatte in Are auf die Speedrennen gezählt." Geholfen habe, "dass wir in diesem Winter als Mannschaft stärker geworden sind".

Österrreicher abgehängt

Zweifel daran sind nicht mehr zulässig: Die Schweizer haben in Are die vormalige Alpingroßmacht Österreich deutlich abgehängt. In Team Austria hatte man aus dem Riesenslalomsieg von Nicole Hosp am Abend zuvor heftig Hoffnung geschöpft: "Das ist die Goldmedaille, auf die ganz Österreich gewartet hat", jubilierte Alpinchef Hans Pum.

Verbandspräsident Peter Schröcksnadel erklärte frohgemut, als im Festzelt Tirolberg die erste Goldmedaille für seine Körperschaft gefeiert werden konnte: "Die zweite Woche ist für uns immer besser. Wir sind immer locker geblieben, nur die Medien nicht."

Am nächsten Tag griff aber gleich wieder starke Verkrampfung um sich. Denn Benjamin Raich, der Olympiasieger mit Startnummer eins, tanzte nur 25 Sekunden lang. "Schlecht für mich, schlecht für alle", sagte der Pitztaler. Hermann Maier hatte "als Titelverteidiger eine große Verantwortung und noch größere Herausforderung" gefühlt - "in meiner Situation, die nicht rosig ist".

Er scheiterte so gründlich wie selten. "Jetzt ist die Ausgangsposition sehr schwierig für uns. Die Medaillen sind weg", fügte sich Hans Pum zur Halbzeit ins Unausweichliche, als nur Maier und Rainer Schönfelder für das vormalige Wunderteam noch im Rennen waren, im Wettbewerb um den Sieg aber eigentlich schon nicht mehr.

Ihre Rückstände kumulierten im Finale, Maier landete mit einem Manko von 2,80 Sekunden auf Rang 21 und sinnierte: "Da war nur noch der Wille. Sonst hat nichts zusammen gepasst." Gar nichts passte für die Österreicher, die noch nie ein derart schlechtes Riesenslalomergebnis verkraften mussten.

Für Bode Miller, Riesenslalom-Weltmeister 2003, passte auch nicht viel zusammen. Er räumte etliche Torstangen mit dem Kopf aus dem Weg, kam dennoch nur auf Platz 15 und muss darauf gefasst sein, wie vergangenes Jahr bei Olympia auch in Are keine Medaille zu gewinnen. Der Slalom ist seine letzte Chance, und seine Unberechenbarkeit ist die letzte Hoffnung.

© SZ vom 15.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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