Ski-WM: Maria Riesch:Passt schon

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Weiterfahren, weiterfahren, immer weiterfahren: Skifahrerin Maria Riesch bekämpft ihre Schmerzen auf der WM-Piste.

Wolfgang Gärner, Val d'Isère

"Passt schon". Sagen sie in den Bergen, wenn Zweifel daran bestehen, ob die Dinge wirklich so gut stehen. "Passt schon" bedeutet in Wahrheit: Es könnte besser gehen, aber richtig schlimm ist es auch wieder nicht. "Passt schon" sagte die Skirennfahrerin Maria Riesch, als sie Donnerstag das zweite Training für die WM-Abfahrt absolviert hatte, nachdem sie im ersten tags zuvor schwer gestürzt und ins Fangnetz geflogen war.

Maria Riesch steht nach ihrem Unfall schon wieder auf den Brettern. (Foto: Foto: dpa)

Danach waren verschobene Wirbel in ihrem Rückgrat eingerenkt worden, mit Tape wurde das linke Knie stabilisiert, in dem das Außenband gezerrt ist, auf dass die größte Medaillenhoffnung des Deutschen Skiverbandes die komplette Übungsfahrt fertigbrachte. Diese ist Bedingung für die Teilnahme am Kombinationswettbewerb an diesem Freitag und an der Abfahrt am Sonntag.

Val d' Isère hatte für Maria Riesch das erste Großereignis werden sollen, bei dem sie konkurrenzfähig auf höchster Ebene fährt. Die WM 2005 in Bormio fiel für sie aus wegen ihres ersten Kreuzbandrisses (im rechten Knie), die gleiche Verletzung am anderen Bein kostete sie den Olympiastart 2006 bei den Turiner Spielen. 2003 trat sie in St. Moritz schon mal an, "da war ich gerade 18, jene WM war nur zum Kennenlernen". Den zweiten Versuch unternahm sie 2007 in Are/Schweden, "da kam ich von meiner Verletzungspause zurück und war auch nicht so direkt die Medaillenhoffnung". Aber jetzt, in Val d'Isère, hatte sie unmittelbar vor dem Championat in Hochsavoyen angekündigt, "wäre es gar keine Sensation, wenn ich eine Medaille hole".

Die Verlässlichkeit der Medaillenprognose für sie ist stark geschwunden, seit sie am Mittwoch weinend am Ende der WM-Frauenpiste Rhône-Alpes abgeschwungen hatte. "Ein bisschen geschrumpft" seien auch ihre eigenen Erwartungen. Bis zum Sturz galt die Regel, dass unter normalen Umständen alpine Kombinationen Lindsey Vonn, Maria Riesch, Anja Pärson (sowie unter gewissen Umständen noch die Österreicherin Kathrin Zettel) unter sich ausmachen würden - und niemand sonst. Die beiden erstgenannten Frauen hatten sich in dieser Beziehung noch extra positioniert als Herrscherinnen über den Slalom, in der Abfahrt sind sie ohnehin allzeit ernst zu nehmen.

Für Frau Vonn gilt das nach ihrem Sieg zum WM-Auftakt im Super-G mehr denn je, ihre Freundin aus Garmisch kalkuliert den Umständen entsprechend zurückhaltend, sie wolle jetzt am Freitag "aus der Abfahrt nicht zu viel Rückstand, um in den Slalom noch mit einer Medaillenchance reinzugehen. Ich hoffe, dass wir meinen Körper so weit hinkriegen, dass es funktioniert."

Man kennt aus der Vergangenheit beeindruckende Beispiele für die rasche Wiederherstellung von Skirennfahrern. Immer wieder gern zitiert wird die Vorstellung des Italieners Pietro Vitalini 1995 in Kitzbühel, der am Ende der Traverse über sämtliche Sicherheitsvorkehrungen flog (und glücklicherweise im Tiefschnee landete), ungeachtet dieses Zwischenfalls aber zu dem wenige Stunden später angesetzten zweiten Rennen antrat und Fünfter wurde. Die wirkliche Legende zu diesem Themenkreis steuerte Hermann Maier bei den Olympischen Spielen von Nagano 1998 bei, indem er drei Tage nach seinem Jahrhundertflug (dem er einen guten Teil seiner globalen Berühmtheit verdankt) die Goldmedaille für den Super-G abholte. Sein Dank galt den Masseuren, die in der Zwischenzeit Titanisches mit dem Körper des Herminators angerichtet hatten.

Es ist aber nicht nur der Körper, der bei solchen Ereignissen heftig erschüttert wird, auch die Psyche nimmt Schaden. Das mag bei dem wilden Maier der frühen Jahre ein zu vernachlässigender Faktor gewesen sein, junge Frauen hingegen sind gemeinhin sensibler eingerichtet, erst recht, wenn ihnen schon das eine oder andere Jahr als Hochleistungssportlerin durch schmerzhafte Einschnitte verlorenging, wie es Maria Riesch passierte. "So ein Sturz ist nicht ganz einfach aus dem Kopf raus zu kriegen", sagte sie, nachdem das zweite Training vollendet war - "mit großem Respekt, speziell an der Stelle, wo ich am Mittwoch stürzte. Dementsprechend vorsichtig war ich. Ich versuchte, sicher und trotzdem halbwegs sauber zu fahren, nicht megamäßig zu attackieren, aber auch nicht zu passiv zu fahren." Sie habe ihre Aufgabe gut gelöst, lobte Cheftrainer Mathias Berthold, "sie ist nicht hundertprozentig fit und hat sich herangetastet". Maria Riesch sagt, die Tatsache, dass sie ordentlich runterkam im zweiten Versuch, "gab wieder ein bisschen Selbstvertrauen".

Ist ein bisschen genug für ein WM-Rennen? Es werde noch mehr, versichert sie, "ich denke schon, dass ich in der Kombination wieder attackieren kann".

In den Bergen ist es guter alter Brauch, etwas Gutes im Schlechten zu suchen. Maria Riesch hat schon etwas gefunden: "Die reduzierte Erwartungshaltung nimmt etwas vom Druck." Letzte Zweifel, ob sie nach dem traumatischen Erleben schon wieder mental bereit sei für ein Skirennen, zerstreut Lindsey Vonn: Ihre Freundin sei eine starke Frau. Sie selbst scheint momentan ein bisschen stärker unterwegs zu sein: Natürlich war die Amerikanerin Schnellste im Abschlusstraining.

© SZ vom 06.02.2009/jüsc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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