Ski-WM in Lahti:Eisfischer und Wachstrucks

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Tränen nach dem Einbruch bei der Staffel: Startläuferin Katharina Hennig.. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Bei der nordischen Ski-WM gibt es viel Edelmetall fürs deutsche Team, aber auch bittere Tränen nach den Rennen. Geschichten aus dem tiefen Winter von Lahti.

Von Volker Kreisl, Lahti

Wachstrucks haben mittlerweile alle, weshalb es längst auf Skiweltmeisterschaften auch einen Wachstruck-Park gibt. In Lahti stehen unterhalb des Langlaufstadions rechts und links riesige 20-Tonner von der Art, die sonst die Straße am Supermarkt blockieren. Nur die hier liefern Ski, sie gehören den großen Nationalverbänden, sind ausklappbar und drinnen arbeiten Männer von morgens um sechs bis abends am idealen Schliff und Wachs. Die beiden deutschen Wachs-Wägen für Langlauf und Kombination rollten drei Tage bis Lahti, die Athleten liefen dann meist rund eine halbe Stunde vom Start bis ins Ziel.

Einmal Gold heilt elfmal Silber

Vor allem dank des schnellen Gleitens der Kombinierer ist das Ergebnis der Deutschen aus der Sicht der Fans erfreulich. Besser hat eine Abordnung des Deutschen Skiverbands nie bei Nordischen Weltmeisterschaften abgeschnitten. Es gab Gold- Silber- und Bronzemedaillen, immer wieder die Hymne und kleine, eher funktionale Gratulationssträuße in großer Zahl. Konkret lautet das Resultat: Sechsmal Gold, dreimal Silber und zweimal Bronze, macht insgesamt elf. Aber das ist abstraktes Edelmetall, aufregender waren die Geschichten der Leute, um deren Hals es hing. Natürlich die Geschichte von Johannes Rydzek, dem nordisch kombinierenden Vierfachsieger. Oder die von Andreas Wellinger (einmal Gold und zweimal Silber) und Markus Eisenbichler (Gold/Bronze), den Skispringern aus Oberbayern, deren lange Trainingsarbeit gerade aufgeht. Und selbstverständlich die von Björn Kircheisen aus Johanngeorgenstadt in Sachsen. Der betreibt nordische Kombination seit 16 Jahren auf höchstem Niveau, errang aber erst jetzt eine WM-Goldmedaille. Und die heilte den Frust von elf Silbermedaillen.

Auf der Lauer

In Oberbayern spitzen die ersten Krokusse aus dem Boden, in Lahti sitzen noch die Eisfischer auf den Seen vor ihrem Loch. Stumm, regungslos und mit gesenktem Kopf warten sie in lebensfeindlicher Kälte, bis sich unter ihnen doch irgendwas rührt und ihnen in die Falle geht. Es ist tiefer Winter, und dessen Wetter war nicht immer kooperativ. Am Anfang und am Ende brachte der Wind das Skispringen durcheinander, zwischendurch wurde es warm (das heißt, ein Grad über Null), und die Loipe tief. Am Freitag, dem letzten WM-Tag der Kombinierer, war es nicht nur zu warm, sondern es schneite nochmal heftig, und man glaubte, Johannes Rydzek würde nach seinen Höchstleistungen in den beiden Einzelrennen und der Staffel in diesem letzten Wettkampf doch noch die Luft ausgehen. Aber er blieb wie die Tage zuvor hellwach auf der Lauer.

Zusammen mit Eric Frenzel holte er im Teamsprint seine vierte Goldmedaille, und es war von allen Geschichten die spannendste. Zehn Runden waren die beiden abwechselnd in höchstem Tempo gelaufen und hatten sich doch zurückgehalten. Rydzeks Widersacher waren der stumpfe, zehrende Neuschnee, dann der direkte Sprintgegner Magnus Krog aus Norwegen und schließlich fast noch der Russe Wjatscheslaw Barkow. Den Schnee hatte er besiegt und Krog hatte er im Stadion 150 Meter vor dem Ziel per Schlittschuhschritt-Sprint abgehängt. Aber dann drohte er über Barkow zu stürzen, der als sogleich Überrundeter vor ihm gerade seiner Wege skatete. Bundestrainer Hermann Weinbuch saß der Schrecken in den Gliedern, aber dann duckte sich Barkow, der wohl merkte, dass der Lärm auf den Rängen ihm irgendwie nicht gelten konnte, nach links weg. Rydzeks Weg war frei.

Tränen

Arme hoch reißen, Zähne blecken, sich umarmen lassen, den Daumen in die Kameras halten. Das aufzuführen ist das Ziel aller Sportler, die deutschen Langläufer allerdings sind davon noch ein Stück entfernt. Sie versuchen seit zwei Jahren, mit effektiverem Training und den Ideen neuer Coaches die Rückstände auf die Weltspitze zu verringern, aber verlässlich sind ihre Leistungen noch nicht. In Lahti ähnelten sie ein wenig dem unberechenbaren Wetter. Ein Beispiel dafür war die 20-jährige Katharina Hennig. Sie hatte im Skiathlon überrascht, beendete den Klassisch-Teil als Sechste und kam schließlich auf Platz elf an. Als falsch erwies es sich dann mal wieder, aus so einer Auftaktleistung gleich eine stabile WM-Gesamtperformance zu folgern. Hennig brach als Startläuferin im Staffelwettbewerb früh ein, ihr Rückstand von 1:07,3 Minuten erledigte sämtliche Medaillenhoffnungen für den Rest des Quartetts. Sie musste lange getröstet werden, unter anderem mit den Worten von der 36-jährigen Kollegin Steffi Böhler: "Irgendwann wird sie daraus lernen." Womöglich lernt sie schneller, als man denkt. Am Samstag, im 30-Kilometer-Rennen, waren die Tränen getrocknet. Norwegens Rekordläuferin Marit Björgen errang ihr 18. WM-Gold, Hennig erreichte als 19. ein passables Ergebnis, als zweitbeste DSV-Läuferin hinter Böhler (12.).

Auf die Straße

An schnellem Wa chs hatte es bei dieser Veranstaltung nicht gefehlt. Die Ski der Kombinierer glitten perfekt, die Skispringer haben in ihrer gekühlten Eisspur ohnehin weniger komplizierte Bedingungen, und auch die Langläufer beschwerten sich nicht. Am Sonntagnachmittag treten noch Florian Notz, Lucas Bögl und Jonas Dobler im 50-Kilometer-Rennen an, danach wird der große Truck im Truck-Park wieder seine ausfahrbare Werkstatt einklappen, und weil er jetzt auch einen Allrad-Antrieb hat, wird er schnell wieder auf der Straße sein. Es geht über Land und mit der Fähre hinüber nach Norwegen, zum nächsten Weltcup am Mittwoch.

© SZ vom 05.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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