Ski alpin:Zwischen Fieber und Schmäh

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Die Tiefstapler Hermann Maier und Bode Miller prägen bereits das erste Rennen des Winters.

Wolfgang Gärner

Es ist ein Charakteristikum für den Weltcup der Alpinskifahrer, dass er nach dem ersten Rennen gleich wieder Pause macht und die Anhängerschaft für mehr als einen Monat alleine lässt mit den Eindrücken vom Opening sowie der Frage, was die auf dem Söldener Gletscher gesammelten Erkenntnisse wert sind: Wird dieser Winter zum Duell zwischen Hermann Maier und Bode Miller? Holt der Österreicher sich vom Amerikaner den Gesamtweltcup zurück? Oder ist beiden vor allem an dem gelegen, was sie noch nicht haben: Miller überhaupt endlich einen Olympiasieg? Maier Gold in der Abfahrt von Sestriere?

Das Metier ist so unberechenbar wie die beiden Hauptdarsteller von Sölden: Miller hatte vorher wieder mal verkündet, er habe so wenig Schneetraining wie nie zuvor absolviert und wäre gern auch in der allgemein-körperlichen Vorbereitung schon weiter. Das hatte er aber in den vergangenen zwei Wintern auch schon gesagt - und beide Male gewonnen in Sölden. Maier war sehr spät mit der Kunde von seinem Trainingssturz im neuseeländischen Skiresort Treble Cone herausgerückt: abgehoben mit 110 km/h, 30 Meter weit geflogen, auf dem Rücken gelandet, die Kapsel im linken Sprunggelenk beschädigt. "Ich wusste lange nicht, ob ich hier fahren könnte", das war bald erledigt, auch wenn er zwischendurch mal einen der Trainingstage im Stubai auslassen musste. Dann teilte er der Gefolgschaft mit: "Das wirkliche Rennfieber wird erst im Dezember kommen", gleichzeitig wurde aus der nächsten Umgebung des Meisters gemeldet, so entschlossen wie unmittelbar vor dem Söldener Auftakt habe man ihn noch nie erlebt. "Ich wusste nicht, wie gut ich Ski fahren würde und mit meinem Zustand umgehen könnte": Überflüssige Zweifel, denn zwar sah Bode Miller lange so aus, als könne er in Sölden zum dritten Mal hintereinander gewinnen, aber schließlich war Maier zum vierten Mal Sieger beim Weltcup-Auftakt— nach Tignes 1999 sowie Sölden 1998 und 2000.

Vergangenes Jahr, als der Amerikaner die Konkurrenz gnadenlos versetzt hatte, war Maier Fünfzehnter geworden, hatte sich danach heftig gesteigert im Riesenslalom mit vier Podestplätzen, aber gewonnen nur einmal - bei der WM in Bormio, als es wirklich wichtig für ihn war. "2004 habe ich erst im August den Skischuh gewechselt", vor lauter Probieren und Testen Monate für die skitechnische Vorbereitung verloren. 2005 ist er nach der Saison nicht nur Bauherr eines Eigenheims am Attersee für 4,5 Millionen Euro gewesen, sondern hat auch seit April schon wieder trainiert.

Ausgezahlt hat sich das gleich mal, im 51. Weltcup-Erfolg, womit Maier in der ewigen Bestenliste Alberto Tomba hinter sich ließ, vor sich nur noch Ingemar Stenmark mit 86 Siegen - vermutlich unerreichbar. Die Einlassung des Flachauers ("Vielleicht pack' ich den Stenmark ja auch noch") ist eindeutig dem speziellen österreichischen Genre Schmäh zuzuordnen. "Maier hat mich beeindruckt", gestand Miller, weil er den Rivalen in Abfahrt und Super-G stärker eingeschätzt hatte, trotz dessen Sieg bei der WM - aber da war er, Miller, im Finale schließlich auch kein Gegner mehr, ausgeschieden schon im ersten Lauf. In Sölden war er der zu schlagende Mann bis kurz vor dem Ziel: "Ich hatte eine prima Taktik, aber ich machte ein paar schwere Fehler", den folgenschwersten da, wo die Neigung des Hanges schwindet und kein Tempo mehr aufgenommen werden kann. 7/100 Sekunden, die ihn danach von Maier trennten, sind allerdings keine wirkliche Deklassierung.

Anton Giger, Cheftrainer der Österreicher, hat nicht nur Hermann Maier überschwängliches Lob gezollt: "Hermann hat eine unglaubliche Kampfkraft und mentale Stärke", sondern nahm den Sieg gleich als richtungweisend: "Wir haben einen vor Selbstvertrauen strotzenden Bode Miller geschlagen und im Riesentorlauf einen Schritt nach vorne gemacht." Mannschaftlich gesehen ist dagegen wenig einzuwenden denn hinter Miller folgten die Slalom-Koryphäe Rainer Schönfelder und Benjamin Raich, der als erster Herausforderer des Amerikaners im Kampf um den Gesamt-Weltcup gilt. Die nächste Eloge auf den Meister lieferte Schönfelder als Begründung dafür, dass er nun endlich auch im längeren Slalom erstmals auf das Podest gefunden hatte: "Ich habe im Sommer viel mit Maier trainiert, das kam mir heute zugute".

Wie es Brauch ist im alpinen Zirkus, verstreuen sich seine Darsteller nun wieder auf diverse Gletscher, um in Ruhe für die Fortsetzung in fünf Wochen zu üben. "Den richtigen Aufschluss werden erst die Rennen in Kanada geben", orakelte Hermann Maier - allerdings vor seinem Sieg in Sölden.

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