Ski alpin:"Ich war schon überrascht, wie schlecht gefahren wird"

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Mit den Rennen in Bormio endet mal wieder eine magere Weltcup-Saison - aus Sicht der deutschen Herren. Doppel-Olympiasieger Markus Wasmeier spricht über die schon Jahre währende Malaise.

Thomas Becker

Bis Samstag stehen in Bormio die letzten Rennen des Ski-Weltcups an. Nur zwei deutsche Herren sind am Start: Slalom-As Felix Neureuther und der frischgekürte Junioren-Weltmeister Andreas Sander aus Ennepetal. Weitere Starter: Fehlanzeige. Im Gesamt-Weltcup liegt Neureuther an 23. Stelle, Stephan Keppler, Johannes Stehle und Peter Strodl rangieren zwischen den Plätzen 116 und 135. Im Riesenslalom, der Basis-Disziplin des alpinen Rennlaufs, fuhr den ganzen Winter über kein einziger Deutscher unter die besten 30. Ein Gespräch mit dem Weltmeister und Doppel-Olympiasieger Markus Wasmeier, 44, über die schon viele Jahre währende Malaise der deutschen Rennläufer.

Markus Wasmeier über Christian Neureuther (rechts): "Er hat das innere Feuer." (Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Herr Wasmeier, woran liegt es, dass ein dermaßen großer Verband wie der DSV es seit vielen Jahren - von Felix Neureuther abgesehen - einfach nicht schafft, einen Rennläufer zumindest unter die Top 20 zu bringen?

Markus Wasmeier: Das ist wirklich schwer zu erklären. Ich war schon sehr überrascht, wie qualitativ schlecht gefahren wird. Es gibt zwar ein paar Lichtblicke wie den Dominik Strodl und den Kogler Stefan. Die sind beide im Europacup sensationell gefahren, aber wenn es in den Weltcup geht, da fehlen dann die Ergebnisse. Aber generell sind zwei Mann auch viel zu wenig. Ich weiß von ein paar ganz Jungen, die wieder aufgehört haben. Da fehlt einfach die Dichte. Und bei denen, die dabeigeblieben sind, sind keine technischen Verbesserungen zu sehen.

sueddeutsche.de: Wie meinen Sie das?

Wasmeier: Der Stefan Keppler zum Beispiel. Der fährt ganz klar schlechter Ski als letztes Jahr. Wieso, weiß ich auch nicht, ich bin nicht beim Training, kann nur das beurteilen, was ich sehe. Aber das ist eindeutig schlechter.

sueddeutsche.de: Liegt es an der Einstellung der Athleten?

Wasmeier: Sie müssen sich jedenfalls wahnsinnig an der Nase nehmen. Die sind noch nicht so weit und müssen sich klar machen, dass sie noch nix erreicht haben. Das musste Felix Neureuther auch erst lernen. Der hat sich über Jahre hinweg kontinuierlich entwickelt.

sueddeutsche.de: Was fehlt den deutschen Rennläufern?

Wasmeier: Fakt ist, dass sie sich nicht verbessert haben. Generell ist der Athlet sein bester Trainer. Ich habe auch viele Trainer gehabt und mir von jedem halt das Beste rausgesucht. Man muss für den Sport leben, mit Fleiß arbeiten, sich Ziele setzen. Das geschieht derzeit zu wenig. Es fehlt dieses innere Feuer, der Ehrgeiz, die ersten drei da oben zu ärgern. Der Felix hat das.

sueddeutsche.de: Wie ist es aus Ihrer Sicht beim DSV um die Nachwuchsförderung bestellt?

Wasmeier: Es gibt da diesen Punkteplan -und ich bin mir nicht sicher, ob das die ideale Lösung ist. Wer aus welchen Gründen auch immer die nötigen Punkte nicht erreicht hat, rutscht raus aus der Mannschaft. Der Kogler Stefan und der Christian Wanninger, die hätten ab und zu noch im Kader mittrainieren können, haben sich dann nach der letzten Saison aber gesagt: Gut, probieren wir's allein. Haben dann alles vorfinanziert und selbst trainiert: Kurse gesteckt, Trainingspläne gemacht. Das war schon ein Risiko. Dann sind sie Europacup gefahren - und das sehr gut. Der Kogler Stefan sogar so gut, dass er jetzt einen Startplatz im Weltcup hat (die ersten drei der Europacup-Wertung sind automatisch im Weltcup startberechtigt, Anm. d. Red.).

sueddeutsche.de: Inwiefern macht sich der von DSV-Präsident Hörmann verschlafene TV-Vertrag bemerkbar?

Wasmeier: Das sind natürlich schon heftige Einschnitte. Es trifft ja nicht nur die Alpinen, sondern viele andere auch noch. Jeder Verband wird Abstriche machen müssen. Aber wenn man weiß, wie knapp die Mittel für den Nachwuchs eh schon sind und davon jetzt nochmal etwa 30 Prozent abgehen....Man muss sich allerdings auch ein paar Fragen stellen: Ist es sinnvoll, dass ein Weltcupfahrer mit sechs Betreuern unterwegs ist? Braucht ein Verband wie der DSV wirklich so viele Festangestellte?

sueddeutsche.de: In drei Jahren findet in Garmisch-Partenkirchen die alpine Ski-WM statt. Können Sie uns bis dahin Hoffnung machen?

Wasmeier: Wenn man sich die aktuelle FIS-Liste ansieht, eher nicht. Aber bei den Mädels wächst eine gute Truppe heran und auch im Schülerbereich habe ich zuletzt bestimmt zehn Burschen pro Jahrgang gesehen, die es schaffen könnten. Richtige Herzblut-Skifahrer sind das.

sueddeutsche.de: Wie muss man mit denen nun umgehen?

Wasmeier: Nicht zu viel Druck ausüben! Ihnen Zeit geben, dass sie sich langsam entwickeln können. Die Norweger machen uns das vor. Die schicken immer junge Leute, die dann zwei, drei Saisons im Weltcup mitlaufen, alle Strecken kennenlernen und so allmählich an das Weltklasseniveau herangeführt werden. Wenn ich jetzt höre, dass diese Biathletin, die Kathrin Hitzer, ein Jahr Abitur-Pause gemacht hat und dann wieder zurückkommen konnte - undenkbar bei den Alpinen. Dazu kommt, dass die Jungen natürlich einen Hieb nach dem anderen bekommen, wenn sie aus der Jugend zu den Erwachsenen kommen, auch im Europacup. Da kommt mal eben einer vom Weltcup runter und nimmt denen dann elf Sekunden ab - so was ist extrem frustrierend. Damit muss man erst mal umgehen.

sueddeutsche.de: Wie war das denn bei Ihnen damals?

Wasmeier: Ich hab mich mit Müh und Not drei Jahre über Wasser gehalten, wäre mit 17 eigentlich auch aus der Mannschaft geflogen. Da hieß es: Der Wasmeier hat zu dünne Füße, ist körperlich unterentwickelt, der packt's nicht. Nur ein Trainer hat zu mir gehalten, Partei für mich ergriffen, und so durfte ich dabei bleiben. Danach war ich ein Jahr bei der Bundeswehr, konnte mich voll aufs Skifahren konzentrieren - und im Jahr darauf war ich Weltmeister. Ich hatte Glück, dass mir einer die Stange gehalten hat.

sueddeutsche.de: Ganz traurig sieht es ja im Riesenslalom aus, der Kerndisziplin des alpinen Rennlaufs: kein einziger Deutscher unter den besten 30 - und das die ganze Saison über. Eigentlich gab es seit Ihrer Zeit beim DSV keinen guten Riesenslalomfahrer mehr - und das ist 15 Jahre her.

Wasmeier: Stimmt. Davor gab's aber auch kaum einen. Da fehlen uns einfach diese Instinktfahrer. Da tut sich auch der Felix noch schwer. Wir müssen jetzt einfach Fachkräfte ausbilden wie in einem guten Ausbildungsbetrieb in der Wirtschaft auch und den Jungen ausreichend Zeit geben.

sueddeutsche.de: Gerade aus Ihrem Heimat-Skiclub, dem SC Schliersee, drängen ja einige nach vorne.

Wasmeier: Das ist ein Glücksfall, dass wir den Ertl Andi haben. Nach dem Ende seiner Weltcup-Karriere hat er eine Schlierseerin geheiratet und ist nun mit viel Engagement als Trainer dabei. Es war jedoch überhaupt nicht einfach, ihn als DSV-Schülertrainer zu installieren. Aber der zieht die Jungen jetzt natürlich gewaltig mit. Und da sind so einige Talente im Oberland.

sueddeutsche.de: Ist denn ein Trainer Wasmeier denkbar?

Wasmeier: Nein, Trainer nicht. Ich hatte ja angeboten als eine Art Repräsentant den Präsidenten-Posten zu übernehmen und mich da mit Ideen und Visionen einzubringen. Aber das wurde ja vom DSV nicht gewollt.

sueddeutsche.de: Wie sieht es mit dem eigenen Nachwuchs aus? Sie haben drei Jungs im Alter zwischen elf und 14 Jahren.

Wasmeier: Die sind dabei, ganz klar. Die fahren nicht vorneweg, haben aber durchaus Lust, sich zu schinden. Die sann hoaß!

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