Ski Alpin:Hochbegabte Chaotin

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Beim Saison-Auftakt führt Susanne Riesch als Slalom-Fünfte ein starkes deutsches Team an.

Einen Kreuzbandriss kann Susanne Riesch, 18, auch schon vorweisen, ohne dass sie es dringend der großen Schwester nachmachen wollte. Ein Spitzenresultat im alpinen Weltcup hat sie nun auch als Fünfte des Slaloms von Levi, vor dem die Aufmerksamkeit hauptsächlich Maria Riesch, 21, gegolten hatte.

Die gab in Finnland ihr Comeback nach zwei Wintern, die ihr wegen der oben angesprochenen Verletzung (nacheinander an beiden Knien) zum großen Teil verloren gegangen waren.

Sie wollte an dem Ort, wo sie sich vor zweieinhalb Jahren zum letzten Mal als Siegerin hatte feiern lassen können, nur einfach wieder mitfahren - auch im Finale. Das gelang ihr mit Platz 22, aber die Aufmerksamkeit wandte sich unversehens der kleinen Schwester zu.

Österreichs Dominanz nicht förderlich

Marlies Schild, Nicole Hosp und Kathrin Zettel hatten sich wieder mal gar nicht dran gehalten, dass Gianfranco Kasper als Präsident des Ski-Weltverbandes Fis es kürzlich erst wieder mal als für die Sportart gar nicht förderlich bezeichnet hatte, wenn eine Nation so dominant sei wie Österreich.

Die drei Genannten belegten im ersten Rennen der Saison die ersten drei Plätze vor der Kroatin Anna Jelusic. So weit, so gut, aber der Name der Nächstplatzierten - Susanne Riesch - erregte auch in deren nächster sportlicher Umgebung starkes Aufsehen.

Zu Recht, denn üblich ist eine solche Platzierung nicht beim zweiten Vergleich mit der Elite; bei ihrem bislang einzigen Versuch im Weltcup im Februar in Ofterschwang hatte sie die Teilnahme am Finale um zwei Ränge verpasst. "Ihr fünfter Platz hat mich extrem überrascht", gestand Sportdirektor Wolfgang Maier, der bisherige Frauen-Cheftrainer, "auch wenn sie bisher nicht so schlecht im Slalom war." Aber nun gleich Fünfte? "Es war ein sportliches Highlight von ihr an diesem Tag", das man richtig einordnen müsse: Jetzt nur nicht die Neue gleich wieder hochjubeln, bitte.

Auch die kleine Schwester besitze den Riesch-Instinkt, "sie ist ebenfalls hoch begabt", sagt Mathias Berthold, der neue Frauen-Chef im deutschen Alpinteam. "Sie ist teilweise unorganisiert, eine Chaotin im Training - aber im Rennen konzentrierter", gottlob.

In Levi griff sie bei schwierigsten Verhältnissen konsequent an. Berthold: "Sie fuhr sehr engagiert, sehr selbstbewusst. Das hat sie besser gemacht als die anderen Jungen." Was auf eine Verbreiterung der Basis hoffen lässt, denn: "Im Training war Susanne keinen Deut besser als die anderen."

Es sind nämlich alle ziemlich gut gewesen im ersten Kader der Ära nach Martina Ertl und Hilde Gerg, und ähnlich erfreut wie das Abschneiden der Susanne Riesch wurde die Teamleistung registriert, mit sieben Qualifizierten für das Finale der besten 30. "Mit so was durften wir spekulieren, weil wir eine gute Mannschaft sind, aber rechnen konnte man damit nicht", meint Berthold.

Eher zu erwarten gewesen sei schon das Abschneiden von Monika Bergmann-Schmuderer, sagt Wolfgang Maier, der sich vom sechsten Platz der aus dem Team gestrichenen Oberpfälzerin ganz und gar nicht verblüfft zeigte: "Eine gute Leistung von ihr - das muss aber auch ihr Niveau sein. Wir hatten ja nicht damit gerechnet, dass Monika weg ist vom Fenster."

Mehr Gas beim Schwung

Stattdessen ist sie nun gemäß den Nominierungskriterien schon für die WM in Are qualifiziert, und für ihre Rückkehr ins Team werden die Hürden auch zurückgebaut, kündigt Berthold an: "Man will ihr ja eine Chance geben. Wir wollen, dass die Monika fährt."

Auf Anhieb tat sie das immerhin so gut wie im ganzen vergangenen Winter nie, in der internen deutschen Reihung von Levi Zweite vor Annemarie Gerg (Rang elf), hinter dieser reihte sich dann Maria Riesch als 22. ein.

Sie sei sehr nervös gewesen, gestand die Rückkehrerin; "den ersten Lauf fuhr sie noch mit Vorbehalten, aber das Comeback ist in Ordnung", erkannte Wolfgang Maier. "Sie hat sich sehr intelligent verhalten, die Aufgabe sehr gut gelöst", lobte Mathias Berthold. "Sie gab bei jedem Schwung mehr Gas, und im zweiten Durchgang war es schon die zwölfte Zeit für sie. Aber sie ist auch kritisch mit sich selbst.

Wir wissen, wo wir den Hebel ansetzen müssen: Beim Kopf, und wie man mit schwierigen Bedingungen umgeht." Wenn sie sich aus diesem ersten Rennen Selbstvertrauen holen könne, wäre das schon eine prima Voraussetzung für ihren weiteren Weg, sagt Wolfgang Maier. Im Zweifel kann sie sich ja an der kleinen Schwester orientieren.

© SZ vom 13.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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