Ski-Abfahrtsläufer Florian Eckert:Das Knie antwortet

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Florian Eckert, WM-Dritter 2001 und Dauerpatient, wagt sich wieder auf die Piste.

Gröden - Bedenklich schwankt der Staketenzaun - dafür, dass nicht mehr als ein Training für das Grödener Weltcup-Skirennen stattgefunden hat, herrscht ein unziemliches Gedränge im Zielraum der Saslonch-Abfahrt. Immer noch ein Fernsehteam, noch ein Mikrofonträger schlägt sich eine Bresche, links die Österreicher, rechts die Deutschen. Die Deutschen? Haben auch wieder was zu melden, nicht so sehr, dass der allzeit zuversichtliche Max Rauffer Fünftschnellster im Qualifying war (als er vergangenes Jahr sogar auf die Pole Position fuhr, hat das herzlich wenig Aufregung verursacht), mehr wegen des jungen Mannes, der neben ihm in den Anorak schlüpft und zuvor für Spannung gesorgt hatte wegen einiger haarsträubender Eskapaden auf der Piste: Florian Eckert ist wieder da, so lautet die Botschaft, die er auch selbst verkündet: "Schön, wieder hier zu sein", wieder ein Skirennfahrer, nachdem er zweieinhalb Jahre lang alles andere war: Verletzter, Rekonvaleszent, Patient, Arbeitsloser.

Letzter deutscher Medaillengewinner als Dritter der WM-Abfahrt von St. Anton 2001 und infolge dessen größte (bis Felix Neureuther erwachsen war: einzige) Hoffnung unter Deutschlands alpinen Männern, eine zusehends vager werdende, schwindende Hoffnung. "Ich habe euch schon so oft versetzt": Das klingt fast schuldbewusst und will sagen, dass ihm nichts lieber gewesen wäre als früher, schneller zurückzukommen, nicht derart quälend lang hingehalten zu werden von jenem Zwischenfall am 21. November 2001 auf der Reiter Alm über Schladming, als er bei einem Sturz im Riesenslalomtraining einen eingestauchten Bruch des rechten Schienbeinkopfes erlitt samt Zertrümmerung der Gelenkfläche und einem Loch im Knorpel. Im folgenden Winter waren Olympische Spiele, es verbot sich für den 24-Jährigen, an eine Teilnahme dort überhaupt zu denken, die Ziele mussten weiter gesteckt werden: Die WM von St. Moritz als Höhepunkt der vergangenen Saison war ein solches Ziel. "Wenn wir jetzt kontinuierlich weiter arbeiten können . . .", sinnierte Abfahrtscoach Hans Flatscher, nachdem sein Tölzer Pilot Mitte Juli 2002 auf dem Stilfser Joch erstmals wieder Ski gefahren war.

Sie konnten aber nicht kontinuierlich weiter arbeiten, denn das malträtierte Gelenk entzündete sich. Also unterzog Eckert sich am 14. November 2002 einem neuerlichen Eingriff, bei dem die Mannschaftsärzte Mayr und Münch eine knöcherne Verwachsung entfernten, den Knorpel glätteten und die neuralgischen Stelle zwischen Wadenbein und Meniskus mit einem Stück Sehne aus dem Oberarm abpolsterten. Damit war auch der zweite Winter verloren, was Eckert bemerkenswert gleichmütig hinnahm: "Jetzt ist eine gute Zeit zum Wiederanfang - ich habe ein ganzes Jahr, um mich körperlich vorzubereiten."

Zu seinem Geburtstag im Februar, während der WM, annoncierte er frohgemut: "Im November bin ich wieder dabei." Genau da war er aber nicht dabei, sondern schon wieder aus der Bahn geworfen, nachdem es ihm wieder auf der Reiter Alm den Schienbeinkopf geprellt hatte. Trainingspause, Programmänderung: Teilnahme an der Amerika-Serie abgesagt, der Start in Val d'Isère ebenfalls. Dieses Rennen fiel sowieso aus, das Comeback blieb ungewiss. Bis letzten Sonntag: Eckert war drei Tage frei Ski gefahren in Schruns, machte Super-G-Training am Samstag, wartete noch einen Tag auf die Rückmeldung des Knies und beschloss dann mit Flatscher: "Wir fahren nach Gröden." Denn nirgendwo könne man so gut trainieren wie auf einer Weltcuppiste, sagt der Coach. "Eckert fehlt einfach die Praxis. Die bekommt er hier." Nach der ersten Trainingsfahrt bekam er 4,32 Sekunden Rückstand notiert, für die zweite 5,25, zwei massive Schrecksekunden inklusive. Die erste in der Einfahrt zur Csiaslatwiese, einer Rechtskurve, die er auf dem Innenski gerade noch kratzte, nahe der Sturzgrenze, die zweite im Zielschuss, wo es ihm die Ski verschlug. "Solche Aktionen braucht man nicht jeden Tag zu machen", meinte er, "aber es war sehr spannend." Denn wie vor drei Jahren, bevor er als Rennfahrer erst mal abgemeldet wurde, gilt: Eckert ist noch Lehrling, ähnlich wie einst Hermann Maier, zwar medaillendekoriert, aber dennoch Novize auf diversen Strecken - etwa in Gröden. Außerdem fehlt ihm die Übung, ist der Nachholbedarf ungeheuer: Seit seinen letzten Rennen in Lillehammer im März 2001 hat er nur eine Hand voll Trainingsfahrten im Oktober absolviert. "Das Volumen ist nicht erwähnenswert - ich brauche noch ein paar Kilometer. Skikonditionell bin ich noch nicht so weit. Aber irgendwann muss man ja anfangen." Ob heute, ob morgen, wann überhaupt, wird er kurzfristig entscheiden, "nach dem Einfahren am Freitag wissen wir mehr - alles ist möglich". Und die Antwort gibt das Knie.

Wolfgang Gärner

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