Sexuelle Belästigung:Fechter sind erschüttert

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Vorwürfe gegen einen Trainer in Tauberbischofsheim: Mehrere Sportlerinnen sollen sexuell belästigt worden sein, darunter Olympia-Teilnehmerinnen.

Die Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe am Fechtzentrum in Tauberbischofsheim durch einen Trainer haben am Wochenende den nationalen Fachverband in Atem gehalten. "Der Deutsche Fechter-Bund verurteilt jede Form von sexualisierter Gewalt auf das Schärfste", teilte der DFeB mit. Verbandschefin Claudia Bokel mahnte mit Hinweis auf die obligatorische Unschuldsvermutung, "dass alle Beteiligten, allen voran die Verantwortlichen in Tauberbischofsheim, in der Pflicht sind, zu einer schnellen und sauberen Aufklärung des Falls beizutragen". Für Sportdirektor Sven Ressel würden Belege für die Anschuldigungen "einen Schlag für den Fechtsport" bedeuten.

Nach einem am Freitag veröffentlichten Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel sollen zwischen 2003 und 2016 mehrere Sportlerinnen in Tauberbischofsheim von einem Trainer sexuell belästigt worden sein; darunter seien auch WM- und Olympia-Teilnehmerinnen gewesen. Zudem werfen die Fechterinnen der Zentrumsleitung vor, Hinweise ignoriert zu haben. Der ebenfalls eingeschaltete Landessportverband (LSV) Baden-Württemberg hat den Trainer nach Erhebung der Beschuldigungen bereits im Dezember entlassen: "Es hat keinen Grund gegeben, an den Vorwürfen zu zweifeln", sagte Ulrich Derad, der Hauptgeschäftsführer des LSV, im Deutschlandfunk: "Die Aussage einer betroffenen Sportlerin ist sehr detailliert und emotional gewesen." LSV-Präsidentin Elvira Menzer-Haasis sagte: "Für mich gab es keine andere Handlungsmöglichkeit. Da gibt es keine Toleranz." Den betroffenen Frauen habe der LSV professionelle Hilfe angeboten. Allerdings habe keine das Angebot genutzt. Der beschuldigte Coach bezeichnet die Anschuldigungen laut Spiegel als unwahr. Derad berichtete über eine Klage des Trainers gegen seine Kündigung: Trotz der Möglichkeit auf eine außergerichtliche Einigung "gehen wir davon aus, dass es zur Verhandlung kommt".

Beim DFeB sorgt intern auch die angebliche Tatenlosigkeit der Verantwortlichen in Tauberbischofsheim für Unverständnis. Den Spiegel-Informationen zufolge haben sich 2009 die betroffenen Aktiven in einem Brief an die Zentrumsleitung über den Trainer beschwert. Der damalige Internatsleiter sagte dem Nachrichtenmagazin, von dem Brief nichts gewusst zu haben. Sportdirektor Ressel legte in dieser Frage eine klare Haltung an den Tag: "Es ist nicht zu tolerieren, wenn damals wissentlich nicht gehandelt worden ist. Wir als DFeB hatten davon keine Kenntnis." Athletensprecher Max Hartung stellte fest: "Es darf nicht sein, dass Sportlerinnen und Sportler Angst davor haben, Probleme offen anzusprechen. Alle Athletinnen und Athleten können sich vertraulich an mich wenden." Derad sprach sich bereits für Reformen zur Vermeidung vergleichbarer Situationen aus: Es sei "wichtig, dass wir dauerhaft Strukturen schaffen, damit sich solche Vorfälle nie mehr wiederholen."

© SZ vom 10.04.2017 / sid, dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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