Schwimmen, Weltcup in Berlin:"Wettkampfhärte und Siegermentalität"

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Der DSV stellt den unbequemen Dirk Lange als Schwimmtrainer ein. In Berlin sieht er bereits seinen Perspektiv-Kader für London 2012.

Thomas Hummel, Berlin

Eine bessere Werbung als die Rede von Cameron van der Burgh hätte sich der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) nicht wünschen können. "Dirk Lange ist für mich einer der weltbesten Trainer. Ohne ihn wären meine Leistungen nicht möglich", sagte der 20-jährige Südafrikaner. Van der Burghs Leistungen in den vergangenen Wochen: drei Kurzbahn-Weltrekorde über 50 und 100 Meter Brust.

Neuer starker Mann beim DSV: Dirk Lange (Archivfoto aus dem Jahr 2005) (Foto: Foto: dpa)

Der DSV nutzte eine Pressekonferenz vor dem Kurzbahn-Weltcup am Wochenende in Berlin, um nun diesen Dirk Lange als neuen Disziplin-Trainer Schwimmen vorzustellen. Damit setzt der Verband seinen Umbau fort, der zwar schon vor den Olympischen Spielen in Peking beschlossen worden war, doch durch das Debakel im Watercube an Geschwindigkeit an Rasanz zunimmt. Es herrsche "Aufbruchstimmung", sagte Lutz Buschkow, auch erst seit zwei Monaten DSV Sportdirektor.

Lange hatte schon in den neunziger Jahren für den DSV gearbeitet und betreute Weltmeisterin Sandra Völker. 2004 wechselte er nach Südafrika und arbeitete dort als Cheftrainer des Verbands. Unter seiner Regie verdreifachte sich die Teilnehmerzahl der Schwimmer bei Olympischen Spielen.

Dennoch wird Lange von der deutschen Schwimmerfamilie nicht nur freudig empfangen. Der Hamburger gilt als Eigenbrötler und schwieriger Charakter, der wenig auf die Meinung anderer wert legt. "Dies ist eine bewusste Entscheidung", sagte Buschkow dazu. In der jetzigen Situation brauche der DSV neue Denkanstöße, der Umgang miteinander müsse kritischer und offener werden.

Das bislang auf Heimtrainer und regionale Landestrainer ausgerichtete Leistungssportsystem des DSV geht also weiter der Zentralisierung entgegen. Einige Leistungsträger wie Antje Buschschulte oder Britta Steffen zweifelten zuletzt, ob das der richtige Weg sei. Doch Buschkow warnt die Skeptiker: "Wer in diesem Zug nicht mitfahren möchte, der kann ganz schnell aussteigen." Er ließ durchblicken, dass der von den deutschen Trainern loyale Mitarbeit verlange.

Unter Lange kommen auf die deutschen Schwimmer ungemütliche Zeiten zu. Schon in Peking aber auch nun vor dem Weltcup in Berlin wurden die deutschen Eliteschwimmer dafür kritisiert, diese Wettkämpfe gerne abzusagen und die internationale Konkurrenz zu meiden. Ab dem kommenden Jahr werden sie zur Pflicht. "Ich stehe für Wettkampfhärte und Siegermentalität", sagte Lange.

Der DSV vermied aber, Lange bereits auf den noch zu vergebenden Posten des DSV-Cheftrainers zu heben. Buschkow will sich für diese Besetzung noch Zeit lassen. Sollte er Lange im Blick haben, will er wohl erst dessen Verträglichkeit mit den Kollegen prüfen. "Wir brauchen keine Individualisten, sondern wir können den Karren nur gemeinsam aus dem Dreck ziehen", forderte Buschkow.

Beim Weltcup in Berlin am Samstag und Sonntag dürften die deutschen Starter indes wie in Peking hinterherschwimmen. Allein Paul Biedermann, neben Britta Steffen einziger Endlauf-Teilnehmer im Einzel bei Olympia, scheint schon wieder in Form zu sein. Zuletzt in Stockholm verpasste er nur knapp seinen Deutschen Rekord über 200 Meter Freistil. "Für mich ist der Weltcup immer eine gute Möglichkeit, mich mit der Elite zu messen", sagte Biedermann, der schon in Peking wegen dieser Haltung zum neuen Vorzeige-Schwimmer im DSV erklärt wurde.

Buschkow und Lange betonten den Generationswechsel im Team und die Stützung des so genannten Perspektiv-Kaders für London 2012. Darunter ist der Darmstädter Marco Koch, der zuletzt über 200 Brust den Deutschen Rekord brach.

Die Weltelite ist für das deutschen Perspektiv-Team noch nicht in Reichweite. In Berlin starten zwar nur die Olympiasieger von Peking über 100 Meter Freistil, Alain Bernard, und über 1500 Meter Freistil, Oussama Mellouli, doch in den vergangenen Monaten haben sich schon neue Athleten gefunden, die die bemerkenswerte Weltrekordflut des Jahres 2008 (86 Weltrekorde über Kurz- und Langbahn) fortsetzten. Zum Beispiel der Rückenschwimmer Peter Marshall, der über 50 und 100 Meter die Kurzbahn-Bestzeiten eroberte und auch in Berlin dabei ist.

Cameron van der Burgh wird im Europasportpark wohl den Weltcup der Männer und einen Scheck über 100.000 Euro gewinnen, zu gut und konstant waren seine Leistungen in den bisherigen sechs Weltcup-Veranstaltungen. Wie er sich denn seinen Leistungssprung seit Peking erklären könne? In Peking, sagte er 20-Jährige, sei er noch zu unerfahren und nervös gewesen. Nach einer Nacht mit wenig Schlaf, sei er im Halbfinale ausgeschieden. "Jetzt bin ich viel entspannter und glaube an mich", sagte van der Burgh. Außerdem habe er seinem Trainer alles zu verdanken, und er deutete an, sich in Berlin alles anzusehen. Nicht auszuschließen, dass er Lange nach Deutschland folgt.

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