Schwimmen:Glaubenskrieg im Wasser

Lesezeit: 1 min

Die Materialschlacht im Schwimmen hat die Glaubwürdigkeit des Sports beschädigt. Die Boykott-Ankündigung eines Deutschen gefährdet die Existenz seines Verbands.

Josef Kelnberger

Schwimmen ist, jedenfalls für Laien, nicht die telegenste Sportart. Zumindest was die kurzen Strecken betrifft: Da könnte der Zuschauer genauso gut in eine rotierende Waschmaschinentrommel gucken.

Paul Biedermann ist wählerisch, was seine Schwimmkleidung angeht. Er droht mit einem Boykott des Verbandsausrüsters. (Foto: Foto: dpa)

Genauso spannend wäre mittlerweile eine Fernsehübertragung aus den Umkleidekabinen - nein, kein Programm für Spanner, sondern um zu zeigen, wer welche Sorte Anzug überstreift, wie viele davon er übereinander anzieht und vor allem: wie der Athlet sie anzieht. Ohne fremde Hilfe geht das kaum noch.

Manche Hersteller geben detaillierte Anweisungen, wie das Textil auf den Körper zu montieren ist. Empfohlen wird etwa, die Füße mit einer Plastiktüte zu bedecken, um den Widerstand beim Überziehen zu verringern. Schwimmen, der Mensch im Wasser, ein sehr einfacher Sport? Es war einmal.

Die Herstellung von Schwimmanzügen ist zur Industrie geworden. Vor zwei Jahren notierte der Weltverband Fina zwölf Hersteller. Mittlerweile sind es 21. Mit deren Vertretern treffen sich Fina-Funktionäre im Februar, um den Einheitsanzug zu diskutieren, dessen Einführung große Schwimmnationen fordern.

Mehr Auftrieb, Druck und Ausdauer

Denn die Materialschlacht hat die Glaubwürdigkeit des Sports beschädigt. Die absurde Zahl von hundert Weltrekorden wurde dieses Jahr notiert, sie hat auch mit den Anzügen zu tun. Die verringern den Reibungswiderstand im Wasser, verschaffen dem Athleten Auftrieb, weshalb er günstiger im Wasser liegt, und steigern durch den Druck, den sie auf den Körper ausüben, die Ausdauer des Athleten.

Die Unterschiede zwischen den Fabrikaten? Vermutlich Glaubenssache. Und weil sich der Glaube durchgesetzt hat, dass die Firma Speedo das beste Material liefert, herrscht nun Neid und Zwietracht in der Schwimmfamilie.

Paul Biedermann, der prominenteste Deutsche, hat nun angekündigt, er werde bei der WM 2009 keinen Anzug des Verbandsausrüsters Adidas tragen. Das ist ein Affront gegen das Unternehmen, das den DSV mit seinem Geld am Leben erhält und also existenzgefährdend für den Verband. Doch hartnäckig hält sich unter den Deutschen die Meinung, sie seien in Peking untergegangen, weil sie in unterlegenem Material schwammen.

Nicht auszudenken, wenn sie künftig im gleichen Anzug wie die anderen antreten - und immer noch hinterherschwimmen.

© SZ vom 13.12.2008/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: