Schweinsteigers Platzverweis:Traurige Pointe

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Zunächst wurde er von Bundestrainer Löw auf die Ersatzbank verdammt. Dann durfte er doch aufs Feld, und alles erinnerte an Schweini aus dem Sommermärchen - bis der einstige Held die rote Karte sah.

Christof Kneer

Ein Spieler, der eingewechselt wird, hat im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: Wenn es nicht gut läuft in der Mannschaft, dann soll er sie erfrischen und aus ihrer Lethargie reißen, und wenn er zufällig noch das Spiel entscheidet, dann hat natürlich keiner etwas dagegen. Läuft es dagegen gut im Team, dann hat er sich ans Mannschaftsniveau anzupassen, und zwar nahtlos, und wenn er das Niveau der Kollegen dann zufällig noch übertrifft, dann hat natürlich auch keiner etwas dagegen. Bastian Schweinsteiger hat es am Donnerstagabend geschafft, eine eigenartige Mischung aus beidem hinzulegen: Erst hat er eine Mannschaft erfrischt und aus ihrer Lethargie gerissen, er hat einen Trick gezeigt wie früher, als er noch der Schweini aus dem Sommermärchen war, und er hat nur ganz knapp vorbeigeschossen. Danach aber hat er sich nahtlos ans Mannschaftsniveau angepasst, er hat es sogar noch übertroffen, was an diesem Abend nicht so gelungen war.

Nationalspieler Bastian Schweinsteiger erhielt kurz vor Spielende die rote Karte. (Foto: Foto: Getty)

Erst hat er ein paar Pässe verschusselt, und in der Nachspielzeit hat er den Kroaten Leko umgestoßen, was Schiedsrichter de Bleeckere veranlasste, dem ehemaligen Märchenhelden die rote Karte zu zeigen. Bastian Schweinsteiger wird jetzt gesperrt, und ob das sportlich ein Verlust ist für die deutsche Nationalelf, ist im Moment doch sehr die Frage.

Wortloser Frust

Das letzte Bild, das man von Schweinsteiger an diesem Abend sah, war eines, das einen Mann in seiner ganzen Verwirrung zeigte. Schweinsteiger rannte vom Feld, und als der kroatische Trainer Bilic ihn beschimpfte, tippte sich Schweinsteiger mit dem Finger an die Stirn. Was genau und wen genau er meinte, blieb ungeklärt, am Ende hinterließ Schweinsteiger wieder einmal nichts als Fragezeichen. In der Interviewzone tauchte er nicht mehr auf, ein paar dienstbare Geister hatten ihn zum Mannschaftsbus geleitet.

"Ich habe mir die Szene nach dem Spiel noch mal im Fernsehen angeschaut", sagte Bundestrainer Löw später, "er hat ihn nicht geschlagen, es war keine Tätlichkeit, aber eine Unsportlichkeit war es schon." Vor dem Spiel habe der Trainerstab die Spieler eigens noch einmal darauf hingewiesen, "sich nicht provozieren zu lassen", berichtete Löw, "er hätte sich zu so was nicht hinreißen lassen dürfen". Hat er aber doch, und vielleicht war dies die traurige Pointe, die Schweinsteiger nach dieser trostlosen Saison noch gefehlt hat.

Erst wurde er beim FC Bayern von Franck Ribéry von seiner linken Seite vertrieben, worauf er auf der rechten Seite eher mittelmäßig Sport trieb, und dann haben sie ihm auch noch beim DFB den Stammplatz bei dieser Europameisterschaft weggenommen, was Schweinsteiger in wortlosem Frust zur Kenntnis nahm. Er hat es allen zeigen wollen am Donnerstagabend in Klagenfurt, er wollte zurück in die Mannschaft und zurück in die Karriere, die vor zwei Jahren ins Stocken geraten ist. Nach seiner roten Karte ist er weiter weg von der Mannschaft als je zuvor, was nach dieser Mannschaftsleistung doppelt bitter ist. Denn wahrscheinlich hätte Schweinsteiger am Montag gegen Österreich von Anfang an gespielt.

© SZ vom 13.06.2008/mb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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