Schlussfeier:Ausnahmsweise sprachlos

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"Mein Ziel ist ganz klar definiert": Clara Klug, hier mit ihrem Begleitläufer Martin Härtl bei der Paralympics-Siegerehrung in Pyeongchang, hat sich auch von den vielen Corona-Einschränkungen in München, die für sie besonders schmerzhaft waren, nicht von ihrem Weg abbringen lassen. Er soll sie 2022 in Peking wieder aufs Siegertreppchen führen. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Die sehbehinderte Biathletin Clara Klug trägt die deutsche Fahne bei der Schlussfeier. Nicht nur wegen ihrer zwei Bronzemedaillen - sondern auch wegen ihrer Wortgewandtheit.

Clara Klug dachte erst, sie hätte etwas falsch gemacht. Sie dachte, sie würde jetzt richtig Ärger bekommen. Die sehbehinderte Biathletin war am Samstag in Pyeongchang ins Büro von Karl Quade gebeten worden, dem Chef de Mission der deutschen paralympischen Mannschaft. Sie "habe erst einmal überlegt, wann ich was anhatte und was daran falsch sein könnte", erzählte sie. Klug hatte den Gewinn ihrer zweiten Bronzemedaille im deutschen Haus in Tracht gefeiert statt in der offiziellen Teamkleidung.

Die Münchnerin Klug, 23, hatte allerdings überhaupt nichts falsch gemacht, im Gegenteil. Sie wird am Sonntag dafür belohnt, dass sie in den vergangenen Jahren sehr viel richtig gemacht hat. Quade teilte ihr mit, dass sie bei der Schlussfeier der Paralympics die deutsche Fahne tragen wird. "Clara hatte sportlichen Erfolg, und was fast noch wichtiger ist: Sie symbolisiert eine junge aufstrebende Kraft", begründete Quade die Wahl: "Sie spricht sehr erfrischend. Eine tolle junge Frau, die sehr gute Ansichten hat." Klug war dann erst mal sprachlos, ausnahmsweise. Später, in der Pressekonferenz, sagte sie: "Ich finde es total cool. Das ist eine Riesenehre. Ich habe nie daran gedacht. Diese Spiele sind für mich unvergesslich."

Klug war vor zwei Wochen mit großem Respekt nach Südkorea geflogen. "Ich bin generell ein Nerverl, habe Respekt vor der Kulisse, der Pressearbeit. Am meisten vor mir selber.", hatte sie der SZ gesagt. Allerdings war sie auch mit großem Ehrgeiz angereist. Vor rund einem Jahr hatte sie in Pyeongchang den Sprint und damit ihren ersten Weltcup gewonnen, zudem zweimal Silber und einmal Bronze bei der Heim-Weltmeisterschaft in Finsterau. Ihr Ziel war deshalb eine paralympische Medaille: "Die Farbe ist mir wurst, Hauptsache, ich nehme so ein rundes Teil mit nach Hause." Gemeinsam mit ihrem Guide Martin Härtl gewann sie dann Bronze über 10 und 12,5 Kilometer.

Die Zusammenarbeit der beiden ist eine besondere Erfolgsgeschichte: Härtl ist seit einem Kletterunfall, bei dem er sich beide Füße und eine Hand zertrümmerte, selbst gehandicapt. Er stand kurz vor einem Start bei den Paralympics 2010 in Vancouver, wurde aber nicht zugelassen: Seine Behinderung sei zu schwach, sagten die Funktionäre. Zwei Jahre später wurde Härtl, inzwischen bayerischer Landestrainer, aufmerksam auf Klug. Just zu einem Zeitpunkt, an dem die Athletin des PSV München wegen fehlender Perspektiven aufhören wollte mit Leistungssport. Großes Vertrauen entstand zwischen beiden. Klug muss sich zu einhundert Prozent auf ihren Begleitläufer verlassen können. Sie sieht allenfalls Umrisse, und die auch nur mit dem linken Auge. Härtl gibt ihr Anweisungen vor Anstiegen, schnellen Abfahrten oder Kurven, sie kann sich dann kurz an seinem Stock festhalten. Auch am Schießstand hilft er ihr, damit sie sich auf der Matte richtig positioniert.

Acht Jahre, nachdem ihm die Teilnahme an den Spielen verwehrt wurde, wird nun auch Härtl belohnt. "Martin hat sich das auch verdient, er wird als Sportler bei uns bewertet", sagte Quade. Härtl erhält auch die Medaillenprämie in Höhe von 10 000 Euro. Und natürlich wird er auch bei der Schlussfeier dabei sein. "Ohne ihn wüsste ich nicht, wo ich bin. Ohne ihn könnte ich nicht einlaufen", sagte Klug, wieder wortgewandt wie immer: "Das wäre sicher witzig für alle - außer für mich."

© SZ vom 18.03.2018 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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