Schalkes 1:0 schafft versöhnlichen Abschluss -:Minimalismus als Masche

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Der mühsame Sieg gegen Hoffenheim wirkt wie ein Abziehbild der kompletten Hinrunde: Die Schalker bewahren sich alle Chancen, spielen aber auch unter Breitenreiter zu oft uninspiriert.

Von Jörg Strohschein, Gelsenkirchen

Womöglich war es für den einen oder anderen Bergmann dann doch noch ein versöhnlicher Abend eines eigentlich traurigen Tages. Der FC Schalke 04 hatte die verbliebenen rund 1000 Bergleute aus der am Freitag geschlossenen Zeche "Auguste Victoria" zum letzten Hinrundenspiel gegen Hoffenheim eingeladen, damit sie sich ein wenig ablenken konnten. Das Marler Bergwerk, ganz in der Nähe von Gelsenkirchen, war das vorletzte seiner Art im Ruhrgebiet. Die Steinkohle hatte diese Region seit Jahrzehnten geprägt und damit auch die Entwicklung von Schalke 04 wesentlich beeinflusst.

Die Bergleute im Ruhrgebiet suchten und fanden im Fußball Ablenkung von ihrer schweren Arbeit. In der Stadt der 1000 Feuer, wie Gelsenkirchen zu Hochzeiten der Industrialisierung aufgrund seiner vielen Fackeln, mit denen die Kokereien das überschüssige Koksofengas entsorgten, genannt wurde, spielte diese Symbiose zwischen Verein und Zechen seit jeher eine außergewöhnlich große Rolle. Aus dieser Tradition heraus sehen sich die Schalker auch heute noch als Kumpel- und Malocherklub. Aufsichtsratschef Clemens Tönnies sprach mit Blick auf diese innige Verbindung dann auch unmittelbar vor dem Spiel von einem "schwarzen Tag für Schalke".

Zähes Ringen: Der Schalker Torschütze Eric Maxim Choupo-Moting (hinten) gegen Sebastian Rudy.

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(Foto: Bernd Thissen/AP)

Letzte Schicht: Der Bergmannschor stimmt vor dem Spiel das Steigerlied an. 1000 entlassene Kumpels waren von Schalke zum Spiel eingeladen worden.

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(Foto: Bernd Thissen/dpa)

Zurück auf Schalke, wo Huub Stevens zum Jahrhunderttrainer gewählt wurde - allerdings diesmal unterm weiß-blauen Wappen der TSG Hoffenheim.

Gleiche Punktzahl, aber weniger Tore als letzte Saison

So geschichtsträchtig und emotional sich diese Begegnung auch anließ, so wenig dürfte sich allerdings der sportliche Teil dieses knappen 1:0-Erfolgs der Schalker im Gedächtnis der rund 61 000 Besucher in der Gelsenkirchener Arena verankert haben. Eric Maxim Choupo-Moting sorgte mit seinem Treffer für den glücklichen Erfolg gegen die erneut geradezu unter einer dramatischen Abschlussschwäche leidenden Hoffenheimer, die unter Trainer Huub Stevens nun in vier Spielen ohne Torerfolg geblieben sind und am Tabellenende verharren. Sieben Punkte holte die TSG in sieben Spielen unter Stevens, so schlecht ist der Routinier noch nie bei seinen vielen Stationen - darunter zweimal bei Schalke - gestartet.

Die Schalker haben diese äußerst wechselhafte Hinrunde mit 27 Punkten noch zu einem versöhnlichen Abschluss gebracht und sich alle Chancen erhalten, das Saisonziel, die Champions-League-Qualifikation, zu erreichen. "Wir haben das einigermaßen gut über die Bühne gebracht", sagte Verteidiger Joel Matip. Dieses Fazit bezog sich auf die gesamte Hinrunde, die unter dem neuen Trainer André Breitenreiter einen Neuanfang nach der geradezu depressiven Phase unter seinem Vorgänger Roberto Di Matteo darstellen sollte. Den Stimmungswechsel im Klub hat Breitenreiter geschafft und auch die Zuneigung der Fans zurückgewonnen. Allerdings hat sich der Stil des Fußballs auch unter ihm nur unwesentlich verändert. Auch die harten Fakten sprechen für den Stillstand. Die Punktzahl ist identisch zu der zum gleichen Vorjahreszeitpunkt, mit 23 Toren haben die Schalker sogar fünf Treffer weniger erzielt.

"Leben wieder einmal schwer gemacht"

Der Minimalismus ist in Schalke Masche. Die Spieler wirken unter Breitenreiter zwar engagierter, aber keinesfalls inspirierter als unter den Vorgängern des Trainers. Der Mannschaft fehlt weiterhin diese spielerische Leichtigkeit, mit der die Konkurrenz aus Dortmund, Mönchengladbach oder hin und wieder auch Wolfsburg ihren Gegnern gegenübertritt. Wie so häufig in dieser Hinrunde sah Schalkes Spiel auch gegen Hoffenheim nach harter Arbeit aus. Es dürfte ein ureigenes Geheimnis dieser Mannschaft bleiben, weshalb sie sich, anders als die übrigen ambitionierten Teams der Liga, nach einem Treffer immer wieder in die Passivität zurückzieht und nicht darauf aus ist, vielleicht doch noch etwas fürs Ergebnis beizutragen. "Wir haben uns das Leben wieder einmal schwer gemacht. Es gibt bei uns noch einiges zu verbessern und zu bereden. Aber ich werde hier sicher keine Fässer öffnen", sagte Kapitän Benedikt Höwedes.

Neben den sportlichen Mängeln gibt es auch außerhalb der Spielfläche noch immer Abstimmungsprobleme und viel Redebedarf. Manager Horst Heldt und Breitenreiter unterhalten auch weiterhin ein angespanntes Verhältnis, was die Zusammenarbeit in den nächsten Wochen nicht erleichtern wird. Die Schalker wollen sich in der anstehenden Transferperiode mit Offensivspielern verstärken, wofür Heldt einen zweistelligen Millionenbetrag zur Verfügung hat. Ob sich Manager und Trainer aber auf gemeinsame Lösungen verständigen können, wird eine der entscheidenden Fragen der Winterpause sein. "Langweilig wird es jedenfalls hier nie", sagt Heldt.

© SZ vom 20.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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