Schalker Rückschlag:Die Sisyphos-Saison

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Nach der Niederlage bei der effizienten Hertha entzündet sich um den Verlierer eine Debatte, warum auf eine Mini-Serie so oft ein Rückschlag folgt.

Wann ist eine Torchance eine Torchance? Und wann kann man sie nutzen? Das ist eine Frage, die durchaus philosophische Züge annehmen kann, wenn man sie mit Ralf Fährmann erörtert, dem Tormann des FC Schalke 04. Er war, wie so ziemlich alle seiner Mistreiter, nach dem 0:2 bei Hertha BSC mit dem Gefühl vom Platz gekommen, den Berlinern ebenbürtig gewesen zu sein; wofür es statistisch betrachtet ein paar Gründe gab, zum Beispiel die Ballbesitzquote. Und dennoch, die Einschätzung, dass seine Mannschaft "viele" Chancen hatte, die sie einfach nicht nutzte, hatte er dermaßen exklusiv, dass er auf dem Weg in die Kabine beim Tête-à-tête mit den Berichterstattern dann doch Fragen auf sich zog. "Viele" Chancen? Jetzt wirklich?

Okay, die erste Gelegenheit der Partie hatte tatsächlich Mittelstürmer Klaas-Jan Huntelaar gehabt. Und in der Schlussminute vergab der eingewechselte Sidney Sam freistehend vor Jarstein. Trainer André Breitenreiter wunderte sich zu Recht, dass sein Team so viele Freistöße aus aussichtsreicher Position in die Berliner Mauer schoss. Aber sonst? Angesichts solcher und ähnlich gearteter Widerworte bot Fährmann einem Journalisten schließlich entnervt Nachhilfe auf dem Postweg an. "Wenn du willst, schick' ich dir ein Schreiben mit den Minuten, da kannst du das nachgucken", blaffte der Schlussmann.

Womöglich ahnte er auch nur, was jetzt rund um die Schalke-Arena wieder einsetzen dürfte. Debatten um die Frage, wieso Schalke eine Sisyphos-Saison spielt. Gleich der mythologischen Figur rollt Schalke immer wieder den Stein bergauf, um dann bloß wieder ohnmächtig dabei zuzusehen, wie er wieder herunterrollt: Zwei Siege in Serie wie zuletzt gegen Hamburg und Köln gehen bei Schalke mittlerweile als eine Serie durch.

Fährmann will von einer Krise nichts wissen

"Das ist kein Auf und Ab und auch kein Abfall oder so", sagte freilich Fährmann, der übrigens der beste Schalker auf dem Platz war, "und das ist auch keine Krise, die jetzt wieder anbricht", fügte er hinzu. "Wir haben qualitativ gut gespielt und uns einfach nicht belohnt."

Die Niederlage bei Hertha BSC schmerzte die Schalker weniger wegen des Umstands, dass die Berliner ein Gegner sind, den sie gern ignorieren. Die Berliner betrachten die Schalker ja seit dem "Bundesliga-Skandal" aus den 70er Jahren als eine Art Erzrivalen; vielen Schalker Anhängern ist das nicht einmal bewusst (in der Saison 1970/71 hatte Schalke mal ein Pokalspiel gegen Hertha am Grünen Tisch gewonnen; die Berliner verziehen das dem späteren Pokalsieger Schalke nie).

Das entscheidendere Kriterium für die Schalker Pein war, dass Hertha in dieser Saison überraschenderweise ein Konkurrent um die Europapokalplätze ist. Nun sind die Berliner mit vier Punkten in der Tabelle nicht gerade enteilt. Aber sie sind eben doch vorneweg. "Bitter", nannte deshalb auch Mittelfeldspieler Johannes Geis die Niederlage.

Auch er zählte zu den Spielern, die Trainer André Breitenreiter vor Augen gehabt haben dürfte, als er sagte, mancher habe "nicht zu der Form der letzten Spiele" gefunden, "gerade im Offensivbereich". Insgesamt fand er freilich, dass seine Mannschaft "total überzeugend gespielt" habe - bis auf den letzten Pass; es habe die Präzision gefehlt. "Das sind Kleinigkeiten, die in so einem Spiel den Unterschied ausmachen", sagte Breitenreiter, "die Effizienz der Hertha war das entscheidende Kriterium." Am kommenden Spieltag soll es gegen Borussia Mönchengladbach wieder besser werden.

Das Handicap: Das Spiel ist für den Freitag angesetzt. Und von den vier Spielen, die vorgezogen wurden, hat Schalke drei verloren.

© SZ vom 13.03.2016 / JC - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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