Schalke - Stuttgart (17.30 Uhr):Brisantes Vorspiel auf Schalke

Lesezeit: 3 min

Und nun? Eric-Maxim Choupo Moting und Marvin Matip nach dem 0:0 bei Schachtjor Donezk in der Europa League. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Bevor angepfiffen wird, entscheidet Schalkes Aufsichtsrat die Schlüsselpersonalie: Darf der Mainzer Manager Christian Heidel den scheidenden Horst Heldt beerben?

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Üblicherweise kommt der Aufsichtsrat des FC Schalke 04 zu seinen turnusmäßigen Sitzungen an einem Wochentag zusammen. Diesmal aber treffen sich die Herren an diesem Sonntag - an einem Ort in Gelsenkirchen, an dem die Vertreter der Medien nicht erwünscht sind, weshalb sie auch nicht darüber informiert wurden, wo dieser Ort zu finden ist. Auf das Ergebnis der schwer geheimen Sitzung blicken die Schalker Anhänger mit ähnlicher Spannung wie auf das Punktspiel, das die Mannschaft am späten Nachmittag gegen den VfB Stuttgart austrägt: Nicht wegen der diversen Satzungsänderungsanträge für die nächste Mitgliederversammlung, über die befunden werden muss, sondern weil sich im Laufe der Tagung ein Besucher aus Mainz den elf Aufsichtsräten präsentieren wird.

Christian Heidel, 52, muss sich eigentlich nicht mehr vorstellen, jeder kennt ihn in Gelsenkirchen. Seitdem im Oktober bekannt wurde, dass er den amtierenden Sportchef Horst Heldt, 45, ablösen soll, ist er ständig gegenwärtig im Schalker Diskurs, bisher allerdings in Abwesenheit. Nun soll er durch seinen leibhaftigen Auftritt vor den Funktionären bezeugen, dass er tatsächlich bereit und imstande ist, das Amt als Sportvorstand anzutreten. Im Verein stellt man sich darauf ein, am Nachmittag eine Pressemitteilung zu versenden.

Mainz hat in Rouven Schröder den Heidel-Nachfolger schon gefunden

Andererseits sind, wie sich das in Schalke gehört, noch ein paar Gerüchte und Mutmaßungen in Umlauf gebracht worden, dass der Coup doch noch platzen könnte. So wird spekuliert, dass ein paar kritische Räte dem Vorsitzenden Clemens Tönnies, der den Kontakt zum potenziellen neuen Manager geknüpft hatte, die Gefolgschaft verweigern und den Kandidaten ablehnen könnten. Oder dass Heidel von sich aus verzichtet, weil ihm die Debatten im Kontrollgremium nicht zusagen. Mancher anonyme "Insider" kommt jetzt in den Berichten zu Wort, die das Projekt in Zweifel ziehen. Aber es ist trotzdem nicht zu erwarten, dass die Sache schief gehen könnte. Zu weit ist die Entwicklung vorangekommen: Mainz 05 hat einen Nachfolger für Heidel gefunden - Rouven Schröder, der seinen Job als Kaderplaner bei Werder Bremen bereits aufgegeben hat; Horst Heldt hat sich darauf eingerichtet, im Mai seinen Abschied zu nehmen; Heidel hat durch Verhandlungen über einen Arbeitsvertrag mit Schalke sein Interesse dokumentiert.

Die Entscheidung, Heidel zu engagieren, belegt eine gewisse Unzufriedenheit mit der sportlichen Entwicklung, die es unter Heldt gab. Letztlich sind es aber vor allem die Wirren im Finale der vorigen Saison, die seine Weiterbeschäftigung verhindert haben. Im Sommer begann Tönnies, in der Bundesliga nach einem Nachfolger zu fahnden. Michel Reschke in München und Max Eberl in Mönchengladbach wiesen die über Mittelsmänner angetragenen Annäherungen jedoch zurück. Heidel hingegen zeigte sich interessiert, nach einem Vierteljahrhundert in Mainz etwas Neues anzugehen. Tönnies stellte ihm in Aussicht, im Schalker Vorstand den Posten des Vorsitzenden zu erhalten - bisher arbeiteten Heldt, Finanzvorstand Peter Peters und Marketingvorstand Alexander Jobst gleichberechtigt. Auch die Entlohnung für den neuen Mann soll, wenn man den Nachrichten zur Sache trauen darf, den bisher geltenden Rahmen sprengen. Heidel soll offenbar mit allen Insignien der Macht ausgestattet werden. Mancher Schalker meint, dass die Opfergaben an Heidel nicht nur der Stärkung des neuen Mannes an der Spitze des operativen Geschäfts dienen sollen, sondern auch den Preis für die Wiederwahl von Clemens Tönnies, 59, darstellen. Denn Tönnies möchte, dass ihn die Mitglieder im Juni wieder in den Aufsichtsrat berufen.

Vermutlich werden es die meisten Angehörigen der Schalke-Familie begrüßen oder zumindest nicht ablehnen, dass ein neuer Manager die Geschäfte übernimmt. Heidel genießt einen guten Ruf. Aber ob Tönnies' Wahlkampf-Kalkulation aufgeht, das ist damit noch längst nicht gesagt.

Lässt Trainer Breitenreiter den Stürmer Huntelaar wieder draußen?

Die Stimmung auf der Mitgliederversammlung wird nicht unwesentlich vom Saisonergebnis geprägt, und das ist bisher noch eine große Unbekannte. Heldt hält es für möglich, dass die Mannschaft am Ende seines sechsten Dienstjahres auf Schalke den dritten oder vierten Platz belegt. Das wäre unbestreitbar ein großer Erfolg. Heldt hält es allerdings auch für möglich, dass es bloß der siebte, achte oder neunte Rang wird, und das wäre dann eine gewaltige Enttäuschung.

Die Aufsichtsräte werden am Sonntag daher bei aller Sorgfaltspflicht darauf achten, dass die Diskussionen mit und um Heidel nicht zu lang dauern, denn um 17:30 Uhr beginnt das Spiel gegen den VfB Stuttgart. Max Meyer wird den Schalkern krankheitshalber fehlen, Klaas-Jan Huntelaar womöglich wieder auf der Reservebank sitzen wie am Donnerstag in der Europa League. Ohne ihren zuletzt ziemlich unergiebig mitspielenden Mittelstürmer erwirtschaftete die Mannschaft beim 0:0 in Donezk ungewöhnlich viele Torchancen. Das Problem: Ohne ihren treffsichersten Spezialisten war sie nicht imstande, die Chancen auch zu nutzen. Wie es Huntelaar am Sonntag ergeht, darüber entscheidet André Breitenreiter. Ob aber der nicht jünger werdende Torjäger dem Trainer auch in der nächsten Saison noch zur Auswahl steht, darüber entscheidet demnächst wahrscheinlich Christian Heidel.

© SZ vom 21.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: