Schalke 04:Kleine Schreie

Lesezeit: 2 min

Kultfigur und Touristen-Attraktion: Atsuto Uchida kehrt nach langer Leidenszeit zurück. Doch nach sechseinhalb Jahren in Schalke gibt der Rechtsverteidiger immer noch Rätsel auf. In privater und sportlicher Hinsicht weiß man wenig über den 28-Jährigen.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Vorige Woche am Trainingsplatz von Schalke 04: Vier junge Japanerinnen geraten in einen Zustand emotionaler Ekstase, der sie vor Aufregung auf der Stelle hüpfen und vor Freude in die Hände klatschen lässt. Dazu stoßen sie kleine Schreie aus. Es ist die Aussicht auf die bevorstehende Begegnung mit Atsuto Uchida, die sie so verzückt. Uchida tritt heran, nimmt den angebotenen Filzstift und schreibt seine Autogramme in die Blöcke der Verehrerinnen. Diese bedanken sich auf das Artigste und tauschen sich anschließend kichernd über das Erlebte aus, das offensichtlich ihr Dasein bereichert hat.

Atsuto Uchida hat seit Anfang März 2015 wegen einer unselig verlaufenen Patellarsehnen-Verletzung kein Spiel für Schalke 04 oder die japanische Nationalelf bestreiten können, die Sonne hat sich inzwischen tausend Mal um den Planeten Fußball gedreht, aber es braucht niemand zu meinen, dass ihn seine Fans vergessen hätten. Der Besucherverkehr aus Japan hat etwas nachgelassen, das schon. Doch es vergeht kein öffentliches Training in Gelsenkirchen, das nicht von Uchida-Fans beobachtet wird. Selbst in den Zeiten, in denen der 28 Jahre alte Verteidiger fern vom Rasen an seiner Genesung arbeitete, kamen die zumeist weiblichen Uchida-Anhänger und schauten, wenn nicht ihrem Idol, dann doch wenigstens den Kameraden ihres Idols zu.

Insofern ist es nicht verwunderlich, dass dem kleinen Pressecorps, das die Schalker am Mittwoch zum Europa-League-Spiel in Salzburg begleitet hat, auch zwei japanische Journalisten angehörten. Die Partie ist zwar aus Sicht der längst als Gruppensieger qualifizierten Schalker bedeutungslos, könnte aus Sicht von Uchida-Chronisten aber einen Meilenstein darstellen. Trainer Markus Weinzierl hat angedeutet, den Abwehrspieler ein Weilchen einzusetzen. Seit drei Wochen ist Uchida im Teamtraining. Die Sorgen, dass er die Sportinvalidität anmelden müsste, sind zerstreut.

Das wird auch die Stadt Gelsenkirchen freuen, deren touristisches Asien-Geschäft vor allem auf der Attraktion Uchida beruht. Was in Köln der Dom, ist in Gelsenkirchen Uchida - ein Magnet für den fernöstlichen Reiseverkehr. Japanische Veranstalter bieten Reisen mit Flügen nach Düsseldorf und Transfer nach Gelsenkirchen an. Die Teilnehmer der Touren pflegen ihre Tage dann auf dem Vereinsgelände zu verbringen.

Auch unter den Mitspielern ist Uchida beliebt, trotzdem gibt er nach sechseinhalb Jahren Schalke Rätsel auf. Von seinem Privatleben weiß man wenig, seine Gefühlslage behält er für sich, seine Deutschkenntnisse sind unverändert gering. Auch sportlich bleiben wesentliche Fragen offen. Ob er wieder Anschluss an die erste Elf finden wird, vermag noch keiner abzuschätzen. Ein klassischer rechter Verteidiger ist im gegenwärtigen Spielsystem nicht vorgesehen, und wenn Weinzierl wieder eine Viererkette einführen sollte, dann ist die Konkurrenz groß, zumal bald auch der Spanier Coke nach seinem Kreuzbandriss wieder einsteigen soll. Mit dem Comeback nach langer Leidenszeit kann Atsuto Uchida nun immerhin mal einen Anfang machen.

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: