Ruderduell Cambridge - Oxford:Aus dem Sitz gehebelt

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Eine Kollision verhilft dem Cambridge-Achter im 150. Ruderduell zum 78. Sieg über Oxford.

Von Dominik Fehrmann

Gewohnt würdevoll zelebrierte die BBC ihren Abschied: Schlichte, unaufgeregte Musik untermalte die Zeitlupenbilder der Höhepunkte aus sechs Jahrzehnten Boat Race.

Sechs Jahrzehnte, in denen der honorige Sender den nicht minder honorigen Ruderwettstreit zwischen Oxford und Cambridge auf der Themse übertragen hatte. Sechs Jahrzehnte, nach denen 2005 der sponsorenfreundlichere Privatsender ITV die Berichterstattung übernehmen wird. Als der feierliche Abspann der BBC-Übertragung über den Bildschirm lief, waren für wenige Momente alle Wogen geglättet und die Ereignisse des 150. Rennens in den Hintergrund getreten.

Gestohlenes Rennen

Aber nur für den Augenblick, denn Acer Nethercott, Doktorand der Philosophie an der Universität zu Oxford, hatte für besinnlich-distanzierte Betrachtungen wenig übrig. Mit Verbitterung und bar aller akademischen Manierlichkeit sprach er offen von einem "Foul" und einem gestohlenen Rennen. Überhaupt fehlte es Nethercott, dem Steuermann des Oxford-Achters, an Abstand.

Wäre er nicht kurz nach dem Start mit dem Boot aus Cambridge aneinander geraten, wäre es wohl ein ähnlich spannendes Rennen geworden wie 2003. Da hatte Oxford mit einem Vorsprung von einem halben Meter gewonnen. So aber trudelten Nethercott und die Seinen 18 Sekunden nach dem Cambridge-Achter ins Ziel. Über sechs Längen Rückstand bedeuteten die klarste Niederlage eines Bootes seit zehn Jahren.

Da half auch kein Protest. Schiedsrichter James Behrens stand keineswegs alleine da, als er Nethercotts Auffassung zurückwies, der Cambridge-Achter trage die Schuld an der Kollision.

Verständlich war Nethercotts Frust allemal. Denn das Rennen hatte für Oxford gut begonnen. Als technisch überlegene Crew hatten sie den besseren Start hingelegt und sich bald einen Vorsprung von einer halben Länge verschafft. Auch als sich die Boote ein erstes Mal bedenklich nahe kamen, konnten die Dunkelblauen ihre Führung behaupten.

Es war die Einfahrt in die erste von drei großen Biegungen der 6,74-km-Strecke, die das Rennen dann entschied. Nethercott, mit seinem Boot noch knapp in Führung, aber in dieser Kurve auf der Außenbahn, lenkte früh ein, um den Streckenvorteil von Cambridge auszugleichen. Dabei gerieten die Boote erneut seitlich aneinander - so nah, dass die Riemen der nicht weichenden Cambridge-Crew bedrohlich an Nethercotts Kopf vorbeisausten.

Aus dem Sitz gehebelt

Es erwischte schließlich nicht Nethercott, sondern den im Bug des Oxford-Achters sitzenden US-Amerikaner Chris Kennelly, den ein Schlag gegen seinen Riemen aus dem Sitz hebelte. Erst Sekunden später konnte Kennelly seine Position wieder einnehmen und weiterrudern. Da war Cambridge davongezogen, am Ende der Kurve lag der Achter zwei Längen vorne. Das Rennen war gelaufen. Im Ziel empfanden die Sieger das Ereignis trotz der Umstände als eine gelungene Revanche.

Vor allem das Glück des Deutschen Sebastian Mayer aus Breisach war ungetrübt. "Wir haben uns einfach nicht beirren lassen. Auch nicht durch die Kollisionen. So etwas kann bei diesem Rennen immer passieren." Mayer weiß zu gut, was alles passieren kann: Sein Kollaps kurz vor Schluss hatte Cambridge 2002 den Sieg gekostet. Auch Steffen Buschbacher aus Berlin, der zweite Deutsche bei Cambridge, schwenkte freudetrunken die Champagnerflasche.

Führung ausgebaut

Allein Cambridge-Coach Robin Williams war nicht ganz zufrieden: "So mag man eigentlich nicht gewinnen, und so hätten wir bestimmt nicht verlieren wollen." Im Ziel war sein Boot in 18:47 Minuten, die Bestzeit aus dem Jahre 1998 (16:19) blieb unangetastet. Cambridge baute seine Führung auf 78:71 Siege aus, 1877 war das Vergleich der Universitäten unentschieden gewertet worden.

Wahrscheinlich haben sie sich auch bei der BBC ein anderes Rennen gewünscht. Spannender, weniger verflucht, einfach würdevoller hätte es sein können - dem 150. Jubiläum des Duells angemessen.

© SZ v. 30.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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