Ruder-WM in München:Silber, immerhin

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Der Deutschland-Achter hat mit einem zweiten Platz für einen versöhnlichen WM-Abschluss gesorgt. Doch die deutschen Ruderer beenden erstmals eine Weltmeisterschaft ohne Gold.

Josef Kelnberger

Es war das letzte Rennen dieser Weltmeisterschaft, die Sonne hatte sich breit gemacht über der Regattastrecke in Oberschleißheim, und die 12000 Zuschauer entfachten einen Höllenlarm. Direkt vor der mächtigsten Tribüne, die dieser Sport kennt, vor diesem Ungetüm aus Beton und dunklem Holz, schoss auf Bahn sechs der Deutschland-Achter heran.

Der deutsche Achter nach der Zieleinfahrt: Erschöpft, aber zufrieden. (Foto: Foto: ddp)

Er hatte den Favoriten aus Kanada nicht so weit enteilen lassen wie im Halbfinale. Zwei Zehntel lagen die Deutschen nach 500 Metern zurück, eineinhalb Sekunden nach tausend, 500 Meter vor dem Ziel dann zwei Sekunden. Im Endspurt suchten sie nun ihre Chance, den vor einem Jahr in Eton gewonnenen Titel zu verteidigen. Die Zuschauer schrien jetzt noch ein bisschen lauter, doch bald wurde ihnen klar: Die letzte, gemeinsame Kraftanstrengung verpuffte, und damit auch der letzte Versuch der deutschen Ruderer, bei ihrer Heim-WM einen Titel zu gewinnen.

Die Achter-Ruderer mussten sich für diesen Makel nicht verantwortlich fühlen. Sie waren am Ende froh, dass sie die Briten auf Distanz gehalten hatten, das wurde nach der Zieldurchfahrt schnell klar. Einige sackten nach vorne, andere zurück auf die Beine ihres Hintermannes, aber alle hatten sie ihre Fäuste geballt. Sie brüllten ihren Schmerz nach der gewaltigen Anstrengung und ihre Freude über den Lohn heraus, und Steuermann Peter Thiede hüpfte so enthemmt, dass er das Boot gefährlich ins Wanken brachte. Bernd Heidicker, Philipp Stüer, Thorsten Engelmann, Sebastian Schulte, Jan Tebrügge, Ulf Siemes, Florian Eichner, Jörg Dießner und Thiede hatten ihr Soll erfüllt.

Das Studenten-Boot repräsentiert neben dem einfacher gestrickten Einer-Profi Marcel Hacker das deutsche Rudern. In München zwängten sich die Acht in bayerische Lederhosen, sie starteten eine Zusammenarbeit mit der Deutschen Krebshilfe. Achter-Ruderer Schulte, Diplom-Ökonom, Doktorand an der Universität Cambridge und Athletensprecher der deutschen Ruderer, kommentierte in scharfen Worten die Dopingfälle der russischen Kollegen.

Diese herausgehobene Position muss man mit Erfolgen rechtfertigen, und das gelang ihnen nach einer durchwachsenen Saison, zudem in der Vorbereitung behindert durch die Rückenverletzung von Schlagmann Heidicker. ,,Wenn man an sich glaubt, wenn einer dem anderen vertraut, können wird mit jedem mithalten'', sagte Sebastian Schulte am Sonntag. Dies sei die ausdrückliche Botschaft an die anderen Teams und den gesamten Verband.

Im Ruderverband ist schon Kritik an der sportlichen Führung laut geworden, zuletzt vorsichtig formuliert von Roland Baar, nachdem der Gesamt-Weltcup in dieser Saison von den Briten gewonnen worden war. Die Kritik wird nun nicht verstummen, aber der Achter hat das Schlimmste verhindert.

Probleme mit den Riemenboten

Auch für Bundestrainer Dieter Grahn stand ja einiges auf dem Spiel in diesem Finale. Seine Abteilung Riemenrudern hatte ihre Probleme. Zweier und der Vierer ohne, die olympischen Boote, konnten ihre Qualifikation für Peking erst in den B-Finals sichern. Insgesamt registrierten die Verbandsführung die Olympiaqualifikation in zwölf Klassen und fünf gewonnene Medaillen, drei silberne und zwei bronzene. Das liegt im Rahmen der von Sportdirektor Michael Müller erwarteten vier bis sechs Medaillen. Aus den nichtolympischen Klassen kamen drei zweite und ein dritter Platz hinzu, von Athleten und Zuschauern stürmisch bejubelt, für den Verband ohne großen Wert. Der Blick geht Richtung Peking.

Der Berliner Robert Sens, 29, wird dort noch einmal dem Gefühl des Sieges hinterherfahren. Er hat schon drei WM-Titel auf dem Konto, einen im Zweier ohne Steuermann und zwei im Doppelvierer. Die unrühmlichste Episode seiner Karriere erlebte er als Schlagmann des Achters, der 2000 die Olympiaqualifikation verpasste. Für das sonntägliche Finale im Doppel-Vierer hatte er den ,,Kampf mit dem großen Schwert'' angekündigt. Tatsächlich eroberten die Vier vom Start weg die Führung, ehe die Polen sich vorbeischoben. Im Endspurt musste sich Robert Sens, Hans Gruhne, Karsten Brodowski und Rene Bertram auch noch den Franzosen geschlagen geben.

Den erwarteten zweiten Platz fuhr die 37-jährige Kathrin Boron mit Stephanie Schiller, Britta Oppelt und Manuela Lutze im Doppel-Vierer ein. Wie schon im Vorlauf enteilten ihnen die Britinnen auf den ersten 500 Metern um mehr als eine Bootslänge, und sie kamen nicht mehr heran. Boron kämpfte vergeblich um ihren neunten Weltmeistertitel und wird demnächst ein paar Debatten mit ihrer Bundestrainerin Jutta Lau in Potsdam führen. Sie will ihr Heil bei Olympia lieber im Zweier suchen. Für sie zählt dort nur das fünfte Gold.

Die Ausbeute der Frauen-Boote erweiterten Marie-Louise Dräger und Berit Carow mit Rang drei, zeitgleich mit den Däninnen im leichten Doppel-Zweier der Frauen, und Elke Hipler/Nicole Zimmermann als Zweite im Zweier ohne Steuerfrau. In der Begeisterung darüber versprachen Hipler und Zimmermann am Samstag sogar die Attacke auf den Titel im Achter. Hipler sitzt dort am Schlag vor Zimmermann. ,,Das hat allen Flügel verliehen'', sagte Bundestrainer Ralf Holtmeyer hoffnungsvoll.

Holtmeyer, Olympiasieger und Weltmeister mit dem Männer-Achter, hatte nach dem Scheitern in der Olympiaqualifikation 2000 die Verantwortung für das Boot an Dieter Grahn abtreten müssen. Das wäre eine ironische Wendung gewesen, wenn ausgerechnet Holtmeyers Frauen-Achter nun den einzigen deutschen Titel gewonnen hätte. Aber offenbar hatten Hipler und Zimmermann zu viel Kraft gelassen. Es wurde nur Rang fünf, und das gewaltige Tosen von der Tribüne half auch ihnen nicht mehr.

© SZ vom 3.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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