Rom gegen Barcelona:Italien - Spanien 1:7

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Nein, hier hat nicht mal wieder Lionel Messi ein Tor geschossen. Er bejubelt es nur. Torschütze für den FC Barcelona war Daniele De Rossi: Der Roma-Kapitän traf ins eigene Netz. (Foto: Albert Gea/Reuters)

Zynischer Pragmatismus reicht nicht mehr. Es fehlt eine Spielidee - und Talent. Juventus und Roma spiegeln im Fußball das Produktivitätsdefizit ihres Landes.

Von Birgit Schönau, Rom

Vor dem Viertelfinal-Hinspiel gegen Real Madrid am Dienstag berieten sich die Fans von Juventus in den sozialen Netzwerken. Ob ein 0:0 wohl besser wäre als ein 1:2, war eine viel diskutierte Frage. Die Gegner aus Spanien zu schlagen, zog so gut wie niemand in Betracht. Am Ende verlor Juve 0:3, kassierte die höchste Niederlage im 2011 eingeweihten klubeigenen Stadion - und hat so gut wie keine Chancen mehr aufs Halbfinale der Champions League. Das Publikum des italienischen Rekordmeisters, der sich gerade anschickt, den siebten Titel in Serie zu gewinnen, ließ sich dennoch zu einer Standing Ovation hinreißen. Der Applaus galt dem gegnerischen Matchwinner Cristiano Ronaldo, dessen zweiter Treffer ins Tor von Gianluigi Buffon per Fallrückzieher glückte. Dafür bekam Ronaldo von den Juventini jene Bravo-Rufe, die für die eigene Mannschaft niemand anstimmen mochte.

24 Stunden später trat die nächste italienische Mannschaft im Viertelfinale gegen Spanier an, diesmal reiste die AS Roma nach Barcelona. Und verlor im Camp Nou 1:4, mit zwei Eigentoren von Daniele De Rossi und Kostas Manolas. Die anderen beiden Treffer machten Barcelonas Spieler selbst - Gerard Piqué und Luis Suárez. Der Angreifer aus Uruguay hatte in dieser Champions-League-Saison noch nie getroffen, jetzt kam ihm Romas Maxime Gonalons derart freundlich entgegen, dass der Corriere della Sera wutschnaubend verlangte, der 29-jährige Franzose solle sich eine andere Arbeit suchen, "aber bitte sofort die Fußballschuhe an den Nagel hängen". Dass Edin Dzeko ein Ehrentreffer gelang, fällt ebenso wenig ins Gewicht wie die Tatsache, dass der Bosnier im Strafraum gefoult wurde, Schiedsrichter Danny Makkelie (Niederlande) aber den fälligen Elfmeter verweigerte. "Der hatte nicht den Mut, gegen Barça zu pfeifen", urteilte Dzeko. Andererseits: "Wenn wir gegen eine solche Mannschaft so viele Fehler machen, dann werden wir halt bestraft." Amen.

Italien-Spanien 1:7, das ist das bittere Resultat nach zwei Matchtagen in der Königsklasse. Bei Juventus beeilten sich Trainer Massimiliano Allegri und Kapitän Buffon, den Siegern Komplimente zu machen, nicht ohne hinzuzufügen, Real sei von einem anderen Planeten. In Barcelona erklärte Roma-Coach Eusebio Di Francesco zwar wacker, der Endstand spiegele nicht das Geschehen auf dem Feld - tatsächlich hatte sein Team bis zuletzt versucht, mitzuhalten. Anders als die melancholische Juve waren die Römer weit davon entfernt, kampflos aufzugeben. "Wir haben unsere Ehre verteidigt und Charakter gezeigt" sagte Di Francesco. Mehr war nicht drin. Und das, obwohl Barça wie anderntags auch schon Real die Partie ziemlich lässig heruntergespielt hatte. Gegen die Italiener reicht eine solide Routineleistung, und zum Einrahmen gibt's dann noch Cristiano Ronaldo.

Dabei war der Viertelfinal-Einzug von zwei Teams in Italien freudig gefeiert worden. Es war ja schon länger her, dass sich neben Juventus noch ein anderer Exponent der Serie A unter die ersten Acht gespielt hatte - und die Roma hatte in der Gruppenphase den FC Chelsea und Atlético Madrid auf die Plätze verwiesen. Doch schon bei der Auslosung gab es lange Gesichter. Juve war in den vergangenen drei Jahren zwei Mal im Finale an spanischen Teams gescheitert, 2015 an Barcelona und 2017 an Real Madrid. Die Squadra Azzurra war zuletzt in der WM-Qualifikation 0:3 von Spanien abgewatscht worden, bevor sie Schweden das Ticket für Russland überlassen musste. Nach dieser historischen Pleite im November war so getan worden, als hätte die erste verpasste WM seit 60 Jahren keine Auswirkungen auf den Klubfußball. Jetzt dämmert es den Verantwortlichen, wie groß die Anstrengung sein muss, um den Anschluss nicht zu verpassen.

Noch vor zwei Jahren hatte die Nationalelf Spanien bei der EM im Achtelfinale aus dem Wettbewerb geworfen, ebenso wie vor einem Jahr Juventus Barcelona aus der Champions League. Aber jetzt wohnt die Krise in Italien. Vor allem bei Juve sind die Ermüdungserscheinungen nicht zu übersehen. Gegen Tottenham reichten im Achtelfinale noch die guten alten zynischen Sekundärtugenden des Calcio Cinico, ehe nun die Fußballmaschine des Ex-Juventino Zinédine Zidane die Identitätskrise der Alten Dame entlarvte. Die Routiniers in der Hintermannschaft erinnern nur noch schwach an vergangene Glanzzeiten, das Mittelfeld trabt dem Gegner hinterher, der Offensive mangelt es an Fantasie. Plötzlich müssen die Italiener feststellen, dass Flexibilität und Pragmatismus allein nicht mehr ausreichen. Man braucht auch so etwas wie eine Spielidee - und eine darauf eingeschworene Mannschaft. Ein bisschen mehr Talent würde auch nicht schaden.

Die Squadra Azzurra ist da einmal mehr die Summe des Serie-A-Desasters. "Ohne wirklich herausragende Talente", hatte schon Antonio Conte erkannt, dann aber immerhin aus der Not eine Tugend gemacht, indem er ganz auf das Kollektiv setzte. Conte scheitert jetzt gerade in England beim FC Chelsea, wie zuvor schon Carlo Ancelotti beim FC Bayern gescheitert war. Der Vorwurf an die beiden ist jenseits aller krassen Unterschiede der Persönlichkeiten ähnlich: Wo bleibt das Spiel? Ancelotti stand auch wegen seiner laxen Trainingsmentalität in der Kritik. Tatsächlich ist es in Italien Usus, ewig lang, aber nicht besonders intensiv zu trainieren. Ganz nebenbei spiegelt auch der Fußball die beeindruckenden Arbeitszeiten und die niedrige Produktivität der italienischen Wirtschaft. Dass Carlo Ancelotti jetzt als neuer Nationaltrainer gehandelt wird, lässt also nichts Gutes ahnen. Aber erst mal müssen Juventus und Roma noch mal für die Rückspiele in den Ring. Irgendwie.

© SZ vom 06.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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