Robert Kubicas Comeback:Einhändig bei Höchstgeschwindigkeit

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Der schönste letzte Platz seines Lebens: Der polnische Pilot Robert Kubica bestreitet in Barcelona erstmals seit acht Jahren wieder ein Freies Training in der Formel 1.

Von Anna Dreher, Barcelona

Von außen sah eigentlich alles ganz normal aus. Robert Kubica trug einen Rennanzug, stieg in seinen Williams, zog sich seinen Helm auf und fuhr kurz danach aus der Boxengasse. Nur war daran nichts normal für den Polen an diesem Wochenende. Beim Grand Prix von Spanien ist Kubica als Ersatz für Sergej Sirotkin wieder ein Freies Training in der Formel 1 gefahren - zum ersten Mal seit acht Jahren, zum ersten Mal seit seinem schweren Unfall bei der Rallye Ronde di Andora. "Ich habe eigentlich weniger Emotionen gefühlt, was gut ist. Das heißt, dass es nach meiner langen Pause wieder natürlicher wird", sagte er. "Als ich das Auto letztes Jahr zum ersten Mal gefahren bin, war es viel emotionaler."

Seine ersten Runden in einem Formel-1-Boliden war Kubica natürlich nicht erst kurz vor dem Europa-Auftakt der Motorsportserie auf dem Circuit de Catalunya gefahren, wenn die Teams versuchen, vor dem Rennen (Sonntag, 15.10 Uhr / RTL) noch möglichst viel zu optimieren. Im Juni 2017 absolvierte der 33-Jährige in Valencia im Auftrag seines früheren Arbeitsgebers Renault Tests in einem Lotus E20 aus der Saison 2012. "Ich habe gemischte Gefühle", sagte er damals, "Einerseits bin ich stolz auf das, was ich heute erreicht habe. Andererseits zeigt es mir, was ich verloren habe." An die enormen Kräfte musste sich Kubica erst langsam herantasten. Das war auch am Freitag zu sehen.

Williams-Pilot Robert Kubica. (Foto: Eric Alonso/dpa)

Die Cockpit-Kamera des Williams FW41 zeigte Kubicas Lenkbewegungen: Schwerstarbeit. Seine rechte Hand lag mehr am Lenkrad auf, als dass sie es festhielt. Sein rechter Unterarm ist noch immer gezeichnet von dem Rallye-Unfall, Kubica kann ihn noch immer nicht richtig bewegen. In Barcelona fuhr er quasi einhändig bei Höchstgeschwindigkeit. Aber es klappte. In den 90 Minuten drehte sich Kubica ein Mal, es blieb der einzige Zwischenfall, und er war schneller als sein junger Teamkollege Lance Stroll. Bedeuten würde ihm das aber nichts, sagte Kubica: "Ich kenne meinen Wert. Ich muss nicht auf die Rundenzeiten schauen. Wenn ich die Chance hätte, so wie die Stammfahrer jedes zweite Wochenende zu fahren, könnte ich mich noch steigern."

Hoch angesehen im Fahrerlager

Es sind Sätze, die Robert Kubica eigentlich nie sagen wollte, weil seine Karriere doch so ganz anders hätte laufen sollen. Ihm, dem ersten polnischen Fahrer in der Formel 1, hatten viele den Weltmeister-Titel zugetraut. Wenn bei Rennställen wie Ferrari über die künftige Verteilung der Cockpits gesprochen wurde, fiel auch sein Name. 2006 startete Kubica seine Karriere in der Formel 1 bei BMW Sauber, nach drei Jahren wechselte er zu Renault. Er war talentiert, ehrgeizig, schnell und hoch angesehen im Fahrerlager. Einer, der nach oben hätte kommen können.

2008 gewann Kubica in Montréal seinen ersten und bislang einzigen Grand-Prix-Sieg, dem Ort, wo er ein Jahr zuvor einen verheerenden Unfall überstanden hatte: Bei vollem Tempo prallte sein Wagen gegen eine Mauer, wurde zurückgeschleudert, überschlug sich und blieb auf der anderen Seite der Fahrbahn völlig zerstört liegen - mit dem regungslosen Kubica, der sich unglaublicherweise jedoch lediglich leichte Verletzungen zugezogen hatte. Die Ärzte verweigerten ihm den Start in Indianapolis eine Woche später vorsichtshalber trotzdem (und ermöglichten so Sebastian Vettel sein Debüt in der Formel 1). Kubicas schlimmster Unfall aber sollte erst noch kommen.

Kubica während seiner Trainingsfahrt am Freitagnachmittag. (Foto: David Ramos/Getty Images)

Vor dem Start der Saison 2011, in der Kubica mit Lotus-Renault endlich regelmäßig auf das Podest fahren wollte, hatte er sich die die Erlaubnis geholt, nebenbei noch Rallye fahren zu dürfen. Kubica wusste, auf was es ankommt, er war schon ein paar Mal als Gastfahrer dort gestartet. Doch der vermeintlich unterhaltsame Ausflug wurde zum schweren Einschnitt in seinem Leben. Die Fahrbahn war nass am 6. Februar, Kubica verlor die Kontrolle, raste in eine Mauer, wo eine Leitplanke seinen Rennwagen durchbohrte. Sein Unterarm war an zwei Stellen aufgerissen, die rechte Hand fast abgestorben und sein Bein an mehreren Stellen gebrochen. Kubica wurde sieben Stunden lang operiert. Seine Karriere in der Formel 1 schien nach 76 Rennen beendet zu sein.

"Mehr ging nicht."

Über Fahrten im Simulator, Tests auf der Rennstrecke, der Teilnahme an der Rallye-Weltmeisterschaft und einem Langstreckenrennen arbeitete sich Kubica wieder zurück. Für einen Stammplatz bei seinem früheren Rennstall Renault reichte es jedoch nicht, und auch bei Williams ließ man letztlich lieber Stroll und Sirotkin den Vortritt. So ist Kubica nun Ersatz- und Entwicklungsfahrer geworden und wird in dieser Saison bei drei Grands Prix das Freie Training absolvieren.

Während die anderen beiden Piloten an ihr Limit gehen, soll Kubica das Auto ans Limit bringen und dem britischen Traditionsteam mit seiner Erfahrung aus der Krise helfen, in der es steckt. Das Auto muss dringend besser werden, in Barcelona fuhr das Team in der Qualifikation wieder ans Ende des Fahrerfeldes. "Für mich war es ein bisschen ein Schock. Es war mir etwas peinlich, als ich im Auto saß und fuhr", sagte Kubica nach seinem Comeback auf die Geschwindigkeit seines Dienstwagens angesprochen. "Es war so schwierig und ich fühlte mich an einigen Stellen so langsam. Aber mehr ging nicht." Zufrieden mit seiner Leistung im Training war er trotzdem. Es war wahrscheinlich der schönste letzte Platz seines Lebens - auch wenn er gerade ein Rennfahrer ist, der keine Rennen fährt.

© SZ vom 13.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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