Robert Kubica sauer:"Ich bin fast wie neu"

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Der in montreal verunglückte Rennfahrer Robert Kubica nimmt das Startverbot für den Grand Prix der USA in Indianapolis nur ungern hin.

René Hofmann

Die Entscheidung der Ärzte hat Robert Kubica gar nicht gefallen. Der Pole wäre für das Team von BMW-Sauber gerne gestartet am Sonntag beim Großen Preis von Indianapolis. Bevor er zur entscheidenden Untersuchung zu den Rennärzten eilte, versicherte der 22-Jährige: ,,Ich fühle mich, als sei nichts passiert. Ich habe keine Kopfschmerzen, ich habe gar nichts. Ich bin fast wie neu.'' Sein Wunsch? ,,So schnell wie möglich zurück ins Auto und eine bessere Leistung zeigen als zuletzt in Kanada.''

Nicht zufrieden mit dem Urteil: Robert Kubica. (Foto: Foto: dpa)

Dort war er beim Versuch, den Toyota von Jarno Trulli zu überholen, nach einem Drittel der Renndistanz von der Strecke abgekommen und mit mehr als 250 km/h gegen eine Betonmauer geflogen. Beim Aufprall wirkte kurzzeitig eine Beschleunigung von fast 30 g auf Kubicas Körper - ungefähr das Doppelte der Kraft, mit der sich Jet-Piloten im Notfall aus dem Cockpit katapultieren. ,,Als ich den Unfall sah, dachte ich, dass er sicher tot sein würde'', sagte Rennarzt Ronald Denis nachher: ,,Aber als wir ankamen, atmete und redete er.'' Als sich auch im Krankenhaus mit allen Mitteln der modernen Medizin keine ernstzunehmenden Verletzung finden ließen, wurde Kubica bereits am Montagmittag entlassen. Er humpelte lediglich ein wenig, sein rechtes Sprunggelenk ist geprellt.

Nächster Test in Magny-Cours

Die Mediziner am Indianapolis Speedway, die entscheiden, ob ein Pilot renntauglich ist, bestätigten die Diagnose der kanadischen Kollegen am Donnerstag weitgehend. 40 Minuten lang untersuchten sie Kubica. Für einen Rekonvaleszenten wirkte er erstaunlich fit. Dennoch rieten die Koryphäen von einem Start ab. Acht Tage nach einer leichten Gehirnerschütterung gleich die nächste zu riskieren, sei unklug. Im Wiederholungsfall könne das Gehirn bleibende Schäden davontragen.

Vor dem nächsten Rennen in zwei Wochen in Magny-Cours (Frankreich) wird Kubica erneut zum Test einbestellt. Bis er von den Medizinern die Starterlaubnis bekommt, darf der 19 Jahre alte Sebastian Vettel als Rennfahrer fungieren, Timo Glock rückt vom Test- zum Ersatzfahrer auf. Obwohl der 25-Jährige bereits vier Formel-1-Rennen bestritten hat (2004 für das Team Jordan) und 2005 in der Champ-Car-Serie Erfahrung auf amerikanischen Rennstrecken sammelte, stand es angeblich nie zur Diskussion, ihn in Indianapolis einzusetzen. Um den Druck nicht zu erhöhen, darf Vettel ohne konkrete Zielvorgabe starten. BMW-Sportchef Mario Theissen sagt aber, der neue Mann dürfe durchaus zeigen, was in seinem Auto steckt. Zuletzt war das eine Menge. In Kanada war Nick Heidfeld Zweiter geworden.

Robert Kubica wird das Abschneiden seines Ersatzes nicht direkt verfolgen. Er fliegt nach Europa zurück. Zwischen den Rennen zieht er sich häufig in die Toskana zurück, in das Zentrum des italienischen Motorsportarztes Riccardo Ceccarelli, der in der vergangenen Woche mit dem Physiotherapeuten des BMW-Teams ein Auge auf Kubicas Genesung geworfen hatte. Noch am Abend des Unfalls hatte der verstehen wollen, wie es hatte kommen können, dass er so abrupt die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hatte. Eine Aussprache mit Jarno Trulli, der zu Besuch ins Krankenhaus kam, ergab: Bei Kubicas Überholversuch hatten sich die beiden Autos berührt. Dabei war Kubicas Frontflügel zu Bruch gegangen und einige Trümmerteile hatten sich so unters Auto geschoben, dass dieses nicht mehr zu steuern war. Auf einer Unebenheit neben der Strecke hatte es dann abgehoben. Von da an funktionierten auch die Bremsen nicht mehr.

,,Für mich war es wichtig zu verstehen, was passiert ist'', sagt Kubica. ,,Der Unfall sah viel schockierender aus, als ich ihn empfunden habe. Als das Auto liegen blieb, habe ich schnell gemerkt, dass mir nichts fehlt. Ich hätte sogar aus eigener Kraft aussteigen können.'' Ähnlich abgebrüht gingen nicht alle Beteiligten mit dem Geschehen um. Nico Rosberg im Williams zum Beispiel schaute beim Passieren der Unfallstelle demonstrativ weg, um sich von den möglicherweise fatalen Folgen des Spektakels in den folgenden Runden nicht ablenken zu lassen. Jarno Trulli war so durcheinander, nachdem er Kubica wenige Meter von sich entfernt in die Mauer hatte fliegen sehen, dass er sich nicht mehr konzentrieren konnte. In einer späteren Safety-Car-Phase rutschte der Italiener von der Strecke.

Ressentiments sind zwischen den Unfallbeteiligten keine geblieben. Unmittelbar nach der Entlassung aus dem Krankenhaus ging Kubica am Montag mit Trulli essen. Für ihn gilt offenbar, was auch für Niki Lauda gilt. Der dreimalige Weltmeister, der 1976 sechs Wochen nach einem beinahe tödlichen Unfall auf dem Nürburgring auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke in Monza sein Comeback gab, hat in dieser Woche behauptet: Ein Unfall, dessen Ursache geklärt ist, sei für Formel-1-Piloten im Prinzip nichts anderes als für normale Menschen eine fehlgeleitete E-Mail.

© SZ vom 16.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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