Robert Harting:Eisen nach dem Frühstück

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Verhalten optimistisch: Am Montag will Robert Harting zum ersten Mal seit vergangenem September (im Bild) wieder an einem Wettkampf teilnehmen. (Foto: Gregor Fischer/dpa)

Nach langer Leidenszeit nimmt Diskuswerfer Robert Harting einen letzten Anlauf auf die Medaillen. Dabei weiß er, dass sein Konkurrent in der Familie ihm etwas voraus hat.

Von Max Ferstl

Robert Harting hat vor kurzem ein Video ins Netz gestellt: Darin beugt sich Harting über eine Hantel, 100 Kilo schwer, und wuchtet sie im Stile eines Gewichthebers hoch über den Kopf, den Mund weit aufgerissen zum Kampfschrei. Seit April 2016 habe er diese anspruchsvolle Übung nicht ausführen können, schreibt Harting in der Kommentarspalte. Verletzungen hätten ihn stets zurückgeworfen - "ABER jetzt..."

Jetzt kann Harting immerhin mal wieder an einem Wettkampf teilnehmen. Am Pfingstmontag wird er in Rehlingen in den Wurfring steigen, 275 Tage nach seinem letzten Auftritt im September 2016 in Berlin. "Wir sind verhalten optimistisch", sagte Hartings Trainer Marko Badura dem SID. Ursprünglich hätte Hartings Saison deutlich früher beginnen sollen, beim Treffen der Leichtathleten in Shanghai Anfang Mai. Doch im Vorfeld hatte Harting eine Magenverstimmung lahmgelegt. "Wir brauchen einen Wettkampf, eine Standortbestimmung", glaubt Badura: "Danach wissen wir, wo wir stehen."

Harting nimmt ein letztes Mal Anlauf

So unsicher sie sich über Hartings derzeitiges Leistungsvermögen sind, so eindeutig ist, an welchem Punkt Harting in seiner Karriere angekommen ist: auf der Zielgeraden. Nach einer enttäuschenden Saison 2016, in der er sich kurz vor Olympia beim Lichtausschalten einen Hexenschuss einhandelte und in der Qualifikation chancenlos ausschied, nimmt Harting nun ein letztes Mal Anlauf. Im nächsten Jahr sind die Europameisterschaften in Berlin, dort will er würdig abtreten. Harting weiß natürlich, dass er niemandem mehr etwas beweisen braucht. Er war Olympiasieger 2012, gewann drei Weltmeister-Titel, dazu zwei EM-Siege. In seinen letzten beiden Jahren als Diskuswerfer hat sich der ehrgeizige Harting ein eher ungewöhnliches Ziel vorgenommen: "Ich will sie genießen", so sagte er es im April der Berliner Morgenpost. Andererseits wäre es natürlich schon eine feine Sache, nochmal eine Medaille zu gewinnen.

Deshalb nutzt Harting die aktuelle Saison, seine vorletzte, um ein solides Fundament zu legen. Noch ist der geschundene Körper ja recht unzuverlässig. Das Knie, das er nach der vergangenen Saison operieren ließ, bereitet nach wie vor Probleme. Tiefe Kniebeugen zum Beispiel "sind gar nicht möglich", sagt Badura. Oft durchkreuzen körperliche Beschwerden den Trainingsplan: "Wir müssen beim Frühstück sehen, ob wir werfen können." Die Knie-OP und die nachfolgende Reha hätten ihn zehn Trainingswochen gekostet, schätzt Harting.

Er hat längst akzeptiert, dass er nicht mehr der große Favorit ist. "Vorher konnte ich alle kontrollieren mit meiner Physis und meiner Leistung. Das funktioniert nicht mehr", erklärte er im Gespräch mit der Morgenpost. Sein Bruder Christoph, der Olympiasieger von Rio, und der Pole Pjotr Malachowski "sind stabiler" als er. Harting will in Rehlingen erst einmal die 65 Meter angreifen, wenn die Bedingungen mitspielen. Diese Weite schreibt der Deutsche Leichtathletik-Verband als Bedingung für die WM in London im August vor. Ein Muss ist die Teilnahme dort aber nicht. Harting findet: "Ich muss aufhören, mich zu sehr unter Druck zu setzen, weil sonst der Genuss der eigentlichen Sache viel zu kurz kommt."

© SZ vom 04.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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