Robert Enke:Zeugnis enormer Stärke

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Nach dem Tod seiner Tochter beeindruckt Torwart Robert Enke bei seinem ersten Auftritt im Kreis der Nationalmannschaft.

Javier Cáceres

Es ist Usus, dass Harald Stenger, der Mediendirektor des DFB, die Pressekonferenzen der Nationalmannschaft mit eigenen Fragen anwärmt, den Spielern das Podium heimelig zu machen versucht. Am Donnerstag, in Berlin, war es etwas anders und geriet doch nicht weniger einfühlsam. ,,Robert, ich darf Dir einfach das Wort geben'', sagte Stenger, und leitete zu Robert Enke über. Es legte sich Stille in den Raum, es war erste Mal, dass der Torwart öffentlich das Wort ergriff, seit seine Tochter Lara am 17. September zweijährig verstorben war. Und es dürfte eines der beeindruckendsten Statements gewesen sein, die je in einem solchen Rahmen vorgetragen wurden. Und vor allem: ein Zeugnis enormer Stärke.

Robert Enke: Zeugnis enormer Stärke (Foto: Foto: dpa)

Es sei schön, erstmals seit 1999 wieder im Kreis der Nationalmannschaft dabei zu sein, sagte Enke. ,,Doch ich möchte als Erstes die Gelegenheit nutzen, mich auch im Namen meiner Frau für die Anteilnahme zu bedanken, die uns in den letzten zwei Wochen von unglaublich vielen Leuten ausgesprochen worden ist.'' Tausende Fans hatten sich an Hannovers Stadiontoren in Kondolenzbücher eingetragen, in eine eigens geschaffene Internetplattform und in Fanforen, viele schrieben E-Mails, Fax- und Postbriefe. Seine Frau Theresa und er hätten noch nicht alle gelesen, doch ,,jede einzelne Zuschrift hat uns sehr gefreut und auch ein Stück geholfen''. So wie der Fußball.

Nur sechs Tage nach dem Tod seiner Tochter, die von Geburt an einem schweren Herzfehler litt und nach einer Gehöroperation verstarb, hatte sich Enke in Hannover wieder ins Tor gestellt. Den Gedanken, eine Auszeit zu nehmen, habe es ,,natürlich gegeben''. Doch er verwarf ihn. ,,Durch die Krankheit war man immer mit Leben, Tod und Intensivstation beschäftigt", sagte Enke, einmal hatte die mehrmals am Herzen operierte Lara reanimiert werden müssen, und schon damals habe er sich intensiv mit seiner Frau unterhalten. ,,Wenn sie (Lara) damals gestorben wäre, hätte es weitergehen müssen.'' - ,,Lara war ein sehr großer Teil in meinem Leben", sagte er noch, doch im gleichen Atemzug sagte er auch, dass er froh sei, wieder eingestiegen zu sein, und darüber, ,,wie ich es gemacht habe.'' Dazu zählt auch sein Entschluss, vorerst keine Interviews zu geben. Er wolle sich ,,das Recht herausnehmen, meinen Beruf auszuüben, zu trainieren und zu spielen''. Nicht mehr, nicht weniger.

Dass Enke neben Stammtorwart Jens Lehmann (Arsenal) sowie Timo Hildebrand (VfB Stuttgart) eingeladen wurde und am Samstag in Rostock beim Freundschaftsspiel Georgien als Ersatztorwart auf der Bank sitzen wird (Lehmann spielt am Mittwoch in der Slowakei), hat einige Beobachter, aber auch Mitbewerber wie Roman Weidenfeller (Dortmund) oder Tim Wiese (Bremen) überrascht. Dabei wird Enkes Entwicklung von Bundestorwarttrainer Andreas Köpke schon lange hochinteressiert verfolgt. Eigentlich habe man ihn schon Ende 2005 auf die Asientour mitnehmen wollen, damals musste Enke wegen einer Operation seiner Tochter verzichten, so Köpke.

Wie zuvor schon Chefcoach Joachim Löw schilderte Köpke den Kampf um den Platz hinter der unumstrittenen Nummer eins Lehmann als ,,offen'' - eine deutliche Warnung an den zuletzt kriselnden Timo Hildebrand. Das Anforderungsprofil an die Torhüter haben sich seit der WM nicht geändert, sagte Köpke. So genannte ,,spielende Torhüter'' seien ,,natürlich mehr im Fokus'' seiner Aufmerksamkeit als reine Reaktions-Keeper. ,,In erster Linie ist aber wichtig, dass sie die Bälle halten'', sagte er.

Dass dies nicht die selbstverständlichste Reihenfolge in der Prioritätenliste von Torwartlehrern sein muss, weiß Enke besser als ihm lieb wäre. Als er von Borussia Mönchengladbach über Benfica Lissabon im Jahr 2002 zum FC Barcelona kam, fiel er in die Klauen der niederländischen Torwarttrainer-Koryphäe Frans Hoek, der ihn mit seinem Dogma vom spielenden Torwart so sehr durcheinander brachte, dass er vergaß, dass Ballstoppen für einen Torwart zwar wichtig ist, im Zweifel aber erst an 101. Stelle kommt. Nur ein Ligaspiel bestritt er für Barça, siedelte dann zu Fenerbahçe Istanbul über, flüchtete vor deren wahnsinnigen Fans und heuerte für ein paar Monate in der 2. Liga Spaniens bei CD Tenerife an, ehe er 2004 nach Hannover ging. Damals drohte er in Vergessenheit zu geraten; derselbe Hildebrand, der am Donnerstag neben ihm vor der Presse saß und ob der Kritik an seinen jüngsten Leistungen ein Pokerface aufsetzte, behauptete damals in einem Interview, es sei besser, mit einem Wechsel ins Ausland zu warten man könne an Enke sehe, wie man dort kaputt gehen könne.

,,Ich will die Erfahrungen im Ausland nicht missen'', sagte Enke am Donnerstag, er weiß, dass sie ihn haben wachsen lassen. ,,Es ist ein realistisches Ziel, 2008 dabei zu sein, und darauf werde ich hinarbeiten'', sagte er.

© SZ vom 6.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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