Riis unter Verdacht:Blaue Augen können lügen

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Weil die spanische Polizei auch Giro-Sieger Ivan Basso dringend des Dopingbetrugs verdächtigt, wachsen die Zweifel an Bjarne Riis.

Andreas Burkert

Die Augen von Bjarne Riis sind außergewöhnlich blau, sein Blick nimmt einen deshalb jedes Mal gefangen. Man kann außerdem nicht behaupten, Riis sei in all den Jahren des Misstrauens gegen seine Arbeitsweise dem Thema Doping ausgewichen. Riis bleibt immer stehen, er redet dann konzentriert und ruhig und lässt seine Augen wirken.

Auch Riis ist nun unter Verdacht. (Foto: Foto: AFP)

Daran hat auch nichts die Suspendierung seines Kapitäns Ivan Basso geändert, die Riis am Tag vor dem Tourprolog in Straßburg zwar nicht so spontan vollzog wie T-Mobile im Falle des gleichfalls dopingverdächtigten Teamführers Jan Ullrich.

Letztlich aber schickte auch Riis seinen besten Mann heim nach Cassano Magnago am Lago di Varese, wo Basso seitdem schmollt. Riis bemüht sich derweil in Frankreich um den Fortgang der Dinge beim CSC-Rennstall. Als ginge ihn die spanische Dopingaffäre gar nichts an.

Dabei müsste man sich schon sehr arg täuschen, wenn nicht bald auch Riis im Fadenkreuz der Fahnder auftauchte. Dass Basso, 28, ohne Kenntnis des Teamchefs kooperiert haben soll mit dem Doktor Eufemiano Fuentes, der Hauptfigur des Schurkenstücks von internationaler Dimension, scheint Experten sowie Begleitern des CSC-Teams so wahrscheinlich wie Ullrichs zweiter Toursieg.

Denn alle haben noch die Äußerungen der beiden aus dem Frühjahr in Erinnerung, dass sie fast "wie Mann und Frau" (Riis) seien und die Lieben daheim weniger sähen als den Partner des - nun jäh beendeten - Projektes "Toursieg 2006".

Wie im Falle Ullrichs bringen die spanischen Behörden und weitere Indizien nun auch Basso erheblich in Bedrängnis. Die Basis des Unbehagens hat dabei Riis mit seiner Vergangenheit gelegt. 1996 gewann er für das damalige Telekom-Team als erster Däne die Tour de France, doch die Bewunderung machte bald Argwohn Platz. Denn in den Ermittlerakten über den italienischen Sportmediziner Conconi fanden sich für Riis Hämatokritwerte, welche die zulässige Grenze von 50 Prozent deutlich überstiegen und somit eindeutig Epo-Doping implizierten.

Die Richterin konnte Conconi wegen Verjährung zwar nicht verurteilen, aber sie gab ihm unmissverständlich mit auf den Weg: "Sie sind schuldig." Seitdem trägt Riis den zweifelhaften Künstlernamen Monsieur 60 Prozent, zumal sich 1998 auch über seinen Betreuer und Conconi-Mitarbeiter Cecchini in Akten deutliche Hinweise auf Epo-Doping fanden.

Das ist schon eine Weile her, doch Riis' ewige Liaison zum Fuentes-Vertrauten Cecchini (mit dem auch Ullrich arbeitete) potenziert nun das Misstrauen. "Für mich ist Cecchini kein Doktor, sondern ein physiologischer Trainer", sagt Riis über seinen Freund, der wie er in der Toskana lebt.

CSC indes arbeite neuerdings nicht mehr mit Cecchini zusammen, "denn wir haben selbst gute Trainer." Allerdings haben nun vier CSC-Profis eingeräumt, noch mit Cecchini zu arbeiten, darunter der Schweizer Fabian Cancellara, überraschend Sieger von Paris - Roubaix 2006. Man wolle diese Kooperation künftig verbieten, sagt Riis, "denn das führt nur zu Missverständnissen".

Missverständnis ist nach Ansicht der spanischen Polizei allerdings das falsche Wort für Bassos Rolle im von ihr aufgedeckten Skandal, mit dessen Folgen sich auch Riis zu beschäftigen hat. Bislang ließ sich der Däne als innovativer Motivator feiern, der seine erfolgreichen Männer mit Überlebenscamps in der Wildnis stähle.

Doch die Guardia Civil bevorzugt eher die These des Schnellmachers Blutdoping. Dieses Vergehens überführt wurde vor zwei Jahren auch Tyler Hamilton (USA), der 2002 und '03 für Riis fuhr und das Team seines Freundes erst diesen März im Trainingsquartier in Viareggio besuchte. Basso wieder ist laut der Guardia Civil als Fuentes-Klient enttarnt durch ein Telefonat von Fuentes mit seinem Assistenten Ignacio Labarta:

"Hast du heute den Giro gesehen", fragte Labarta seinen Chef am 13. Mai um 20.02 Uhr, "(. . .) vorn war Savoldelli, und nur 16 Sekunden später kam Birillo an der Seite von Simoni ins Ziel (. . . )."

Der Codename Birillo wurde Basso anhand der Giro-Ergebnistabelle zugeordnet. "Birillo" steht außerdem auf den Listen von Fuentes' mit Blutkonserven gefüllten Kühlfächern (siehe Ausriss) - und auf den Namen "Birillo" soll nach beharrlichen Angaben aus Bassos Umfeld auch dessen Hund hören.

Wohl auch deshalb weigert sich Bassos Landsmann Giovanni Lombardi - dem der Codename "Birillos Freund" gehören soll - bislang standhaft, den Namen des Vierbeiners preiszugeben. "Das ist Ivans Angelegenheit, ich bin ja nur sein Freund", sagt Bassos Bodyguard.

Auch Bassos Anwalt Massimo Martelli sah eine Woche lang keinen Anlass, die tierische Angelegenheit aufzuklären, ehe er gestern plötzlich kundtat, Bassos Tochter rufe ihn ",Tarello', und ich glaube nicht, dass sich eine Zweijährige beim Namen ihres Hundes irrt". Sein Mandant habe übrigens nichts gegen einen DNA-Test, äußerte Martelli, um zu ergänzen: "Aber ich bin dagegen."

Schon im Mai sah sich Basso Dopinggerüchten ausgesetzt. Während des Giro musste er bestätigen, im Frühjahr mit seinen Trainingsdaten die Universität Ferrara aufgesucht zu haben - von dort aus organisierten ehedem Conconi und der Dopingarzt Ferrari ihren aktenkundigen Sportbetrug. Conconi habe er auf den Gängen nur zufällig getroffen, beteuerte Basso, "mein Preparatore ist Bjarne Riis".

Riis eben, der sich im dritten Jahr aufwändig um Basso kümmert. 2004 hatte er den letztjährigen Tourzweiten doch verpflichtet, nachdem er 2001 noch Abstand genommen hatte. In der dänischen CSC-Biografie "Dreamteam" deutet ein früherer Betreuer an, Riis habe sich damals bei Cecchini nach Talenten erkundigt; sein Freund riet ihm jedoch vom U23-Weltmeister von 1999 ab: "Das ist zu gefährlich, denn der ist zu allem bereit."

Basso droht der Vorruhestand, sofern er nicht den Verdacht erschüttern kann. Dass Riis nichts wusste, können sich auch seine Landsleute nicht vorstellen. "Meister der Lüge" nannte ihn Extrabladet. Dänemark glaubt den blauen Augen längst nicht mehr.

© SZ vom 13.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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