Riesenslalom in Val d'Isère:Wutschreie danach

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Stefan Luitz im Zielraum von Val d'Isere. (Foto: Philippe Desmazes/AFP)

Stefan Luitz verpasst das Podest nach einem Fehler. Trotzdem freut er sich mit Kollege Neureuther über den Aufwärtstrend.

Von Max Ferstl, Val d'Isère/München

Einen kurzen Moment ist Stefan Luitz unaufmerksam, schon verkantet er. Er stürzt auf den eisigen Untergrund, schlägt die Hände vors Gesicht und hämmert dann die Fäuste gegen seinen Helm. Im schnellen Skisport ist so ein Sturz schnell passiert. Luitz ist wütend. Jedoch nicht über den Faller, der ist ihm er erst am denkbar günstigsten Ort passiert - im Ziel. Nein, Luitz ist wütend über die Fahrt zuvor: 1,39 Sekunden hinter dem führenden Österreicher Marcel Hirscher hat er die Ziellinie erst überquert. Luitz hat sich damit auf Platz vier eingereiht, am Ende wird er Fünfter. Ein gutes Ergebnis, keine Frage. Aber Luitz weiß: Es wäre an diesem Samstag deutlich mehr drin gewesen, vor allem hier in Val d'Isère.

Luitz, 24, ist bislang in seiner Karriere dreimal auf dem Podium gestanden, zweimal bei einem Riesenslalom in Val-d'Isère. 2012 machte Luitz zum ersten Mal auf sich aufmerksam. Der damals 20-Jährige schob sich mit einem fulminanten Lauf im zweiten Durchgang von Position 25 auf den zweiten Platz vor. Im Jahr darauf, gerade von einem Kreuzbandriss genesen, gelang dem Allgäuer ein dritter Platz. Auch in diesem Jahr sah es zunächst danach aus, als könnte er seine Bilanz aufbessern. Luitz fuhr einen beherzten ersten Durchgang, wählte eine enge Linie und schob sich als Zweitschnellster ins Ziel. Schneller war nur der Franzose Alexis Pinturault, der das Rennen gewann. "Ich wundere mich echt jedes Jahr wieder", sagte Luitz nach dem ersten Lauf im ZDF.

Neureuther schiebt sich im zweiten Durchgang an Luitz vorbei

Fest steht: Der Allgäuer mag diese anspruchsvolle Strecke, die La face de Bellevard. Das Gelände ist sehr steil, das Profil wellig, die Kurvenradien sind eng. Unter Rennfahrern gilt die Olympiastrecke von 1992 als besonders knifflig. "Man kann nicht alle Tore attackieren", fand Felix Neureuther, der prompt zu wenige Tore attackierte, "zu passiv" fuhr und deshalb zur Halbzeit nur auf Platz sechs lag. Im zweiten Durchgang wählte er dann eine direktere Linie, er riskierte viel - jedoch einmal zu viel. Kurz vor der letzten Zwischenzeit steuerte Neureuther ein Tor zu direkt an, blieb mit dem rechten Arm an der Stange hängen und musste daraufhin die Skier querstellen, um nicht am nächsten Tor vorbeizufahren. Neureuther verlor dadurch entscheidend an Geschwindigkeit und kam sechs Hundertstelsekunden hinter dem Norweger Henrik Kristoffersen ins Ziel. Trotzdem verbesserte sich der 32-Jährige damit im zweiten Durchgang auf Platz vier.

Auch, weil sein Teamkollege Luitz seine gute Ausgangsposition nicht nutzen konnte. Er kroch ein paar Minuten nach Neureuther ins Starthäuschen, als Vorletzter. Hirscher, der Überfahrer der vergangenen Jahre, hatte vorgelegt, doch zwischen dem Österreicher und dem Zweitplatzierten Henrik Kristoffersen klaffte eine Lücke von über einer Sekunde. Genug Platz für Luitz also, um sich dazwischen zu schieben. Luitz fuhr nicht so mutig wie im ersten Lauf, schon gar nicht so aggressiv wie zuvor Hirscher, er lag aber lange Zeit vor Kristoffersen. Dann, ausgerechnet an der Stelle, an der das Gelände vom Steil- ins Flachstück übergeht, geriet Luitz aus der Balance und musste stark abbremsen - die Podiumsplatzierung war weg.

Im Ziel folgten ein Wutschrei, ein Sturz und ein wenig Frust. Doch der währte nicht lange: "Ich hätte nicht gedacht, dass es für Platz fünf reicht", gab Luitz zu. "Ich bin echt happy, dass es so ausgegangen ist."

Noch vor einer Woche hatte die Welt ja ganz anders ausgesehen: Auf Val-d'Isères zweiter Piste, der deutlich leichteren und flacheren Oreiller-Killy, hatte Luitz nach verkorkster Fahrt den zweiten Durchgang verpasst. Auch Neureuther war nur auf Platz 16 gelandet. Nun haben sich beide zurückgemeldet. Erfreulich auch der 19. Platz von Dominik Schwaiger, der in dieser Saison schon zwemal knapp an der Qualifikation gescheitert war. "Für uns als Mannschaft war es unheimlich wichtig zu sehen, dass wir in Schlagdistanz sind", sagt Neureuther, der nach dem Rennen sichtlich zufrieden im Zielraum stand. Hirscher und Pinturault würden im Riesenslalom "in einer eigenen Liga" fahren, findet er. "Da muss für uns schon alles zusammenpassen."

© SZ vom 11.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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