Rennen in Suzuka:Zur Seite gedrängt

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Lewis Hamilton zeigt sich beim Großen Preis von Japan zurück in Bestform: Schon am Start deklassiert er seinen Teamkollegen Nico Rosberg, dessen Titelchancen drastisch sinken.

Von René Hofmann, Suzuka/München

Manchmal ist das so im Motorsport: Eine einzige Szene kann ein Rennen entscheiden. Und manchmal sogar noch mehr. Die Szene, die den Großen Preis von Japan an diesem Sonntag in Suzuka entschied und auch für den Ausgang des Titelrennens eine wichtige Rolle spielen dürfte, ereignete sich schon kurz nach dem Start: Lewis Hamilton nahm Revanche für seine Qualifikations-Niederlage gegen seinen Mercedes-Teamkollegen Nico Rosberg am Tag zuvor. Der Brite startete besser. So kam er in den ersten Kurven neben Rosberg. Und dort demonstrierte Hamilton dem Deutschen, was ihn auszeichnet: eine satte Härte im rechten Moment.

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Mit dieser drängte Hamilton Rosberg zur Seite, der anschließend seine liebe Mühe hatte, es noch als Zweiter vor Ferrari-Fahrer Sebastian Vettel ins Ziel zu schaffen. Hamilton dagegen eilte auf und davon, scheinbar mühelos seinem achten Saison-Erfolg entgegen, seinem 41. Formel-1-Sieg insgesamt, mit dem er die Marke seines Idols Ayrton Senna erreichte.

Hamilton auf Augenhöhe mit einem dreimaligen Champion, Rosberg neben der Spur - auf diesen Nenner lässt sich das 14. der 19 Rennen, die in diesem Jahr geplant sind, verkürzen. Rosberg wusste um die Bedeutung der Szene in der zweiten Kurve: "Da war schon alles vorbei." Von Japan aus geht es noch nach Sotschi/Russland (11. Oktober), Austin/Texas (25. Oktober), Mexiko-Stadt (1. November), São Paulo/Brasilien (15. November) und Abu Dhabi (29. November). Gewinnt Rosberg alle fünf Rennen, holt er 125 Punkte. Wenn Hamilton regelmäßig Zweiter wird, reicht das nicht, um ihm den Titel abzujagen; Rosbergs Rückstand in der Gesamtwertung beträgt 48 Punkte. "Es läuft definitiv in die falsche Richtung", weiß er, "ich hätte gewinnen müssen . . ."

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(Foto: Franck Robichon/dpa)

Für Nico Rosberg (l.) scheint die Zeit auf dem Podium quälend langsam zu vergehen, Sieger Lewis Hamilton genießt die Aufmerksamkeit.

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(Foto: Diego Azubel/dpa)

"Ich hatte nicht das Gefühl, dass es eng war": Lewis Hamilton (innen) über sein Manöver in Runde eins gegen seinen Teamkollegen Nico Rosberg.

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(Foto: Clive Rose/Getty Images)

Ballt die Fäuste: Es ist Hamiltons 41. Sieg in der Formel 1, womit er zu seinem Idol Ayrton Senna aufschließt.

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(Foto: Diego Azubel/dpa)

Geordnete Ekstase: Routiniert spritzt Hamilton den Champagner auf die japanischen Fans.

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(Foto: Dan Istitene/Getty Images)

Sebastian Vettel sieht den Führenden meist nur aus der Ferne. "Ich habe alles versucht, mehr ging nicht", kommentierte er.

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(Foto: Clive Rose/Getty Images)

Der viermalige Weltmeister Vettel hantiert zum zehnten Mal in dieser Saison mit Schampus auf dem Podium und übergießt Sieger Hamilton.

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(Foto: Toru Hanai/Reuters)

Rosberg hängt in Runde 22 hinter Bottas im Williams fest. "Zerstöre seine Reifen", funkt die Box an den Deutschen. Der zieht vorbei und wird Zweiter.

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Auf der letzten Felge: Felipe Masse schleppt sich in die Box.

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(Foto: Toru Hanai/Reuters)

Abgehoben: Zuvor war Sergio Perez mit Massa aneinandergeraten.

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(Foto: Toshifumi Kitamura/AFP)

Schrecksekunde: Im Qualifying überschlug sich Daniil Kwjat und demolierte seinen Boliden.

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(Foto: Toru Hanai/Reuters)

Kwjat am Samstag auf dem Weg zum Strecken-Hospital: "Die Enttäuschung ist größer als der Schmerz." Der Russe bleibt unverletzt.

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Im Rennen reizt der 21-Jährige sein Auto und die Strecke wieder voll aus und geht bei den Bremsmanövern ans Limit.

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(Foto: Clive Rose/Getty Images)

Der Zirkus ist wieder in der Stadt: Ein Jahr nach dem tödlichen Unfall von Jules Bianchi kehrt die Formel 1 mit Nico Hülkenberg zurück.

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Glücklich war er über Hamiltons Machtdemonstration nicht. "Es war sehr eng", sagte Rosberg, "ich musste ausweichen, sonst hätte es eine Kollision gegeben." Der Umsichtigere gibt nach? Wenig überraschend sah es Hamilton anders. "Ich hatte nicht den Eindruck, dass es so eng war", gab er zurück, Rosberg habe schlicht den Nachteil gehabt, auf der schlechteren Linie durch die Kurve fahren zu müssen.

Die Mercedes-Gewaltigen hielten sich aus dem Händel ihrer Angestellten heraus. Teamchef Toto Wolff wollte sich nicht "zu irgendeiner Äußerung hinreißen lassen". Niki Lauda war mit Hamilton rundum zufrieden: "Besser kann man hier heute nicht fahren", lobte der Team-Oberaufsichtsrat. Das Kompliment konnte er dem WM-Führenden anschließend direkt und in aller Ausführlichkeit übermitteln: Lauda nahm Hamilton in seinem Flieger mit zurück nach Europa.

Ein Thema auf der Heimreise dürften sicher auch die Reifen gewesen sein. Nach der mysteriösen Schwäche eine Woche zuvor beim Nachtrennen auf dem Stadtkurs in Singapur funktionierten sie in Suzuka an den Mercedes wieder wie gewohnt. Nicht einmal ein Beinahe-Plattfuß konnte Hamilton aus der Erfolgsspur werfen. Trotzdem bleibt eine Unsicherheit - gerade mit Blick auf das nächste Rennen, das in Sotschi durch den Park führen wird, der für die Winterspiele 2014 angelegt wurde. Im vergangenen Jahr bei der Premiere des Rennens war die Mercedes-Überlegenheit nicht so deutlich ausgefallen wie bei anderen Gelegenheiten. In diesem Jahr kommen in Sotschi erstmals super-weiche Reifen zum Einsatz. Zusammen mit dem besonders glatten Asphalt ergibt das einige Fragezeichen. "Sotschi ist ein bisschen eigenartig", sagt Mercedes-Sportchef Toto Wolff, dem Vettels ansteigende Form einige Sorgen bereitet.

Der Heppenheimer durfte in Japan zum zehnten Mal in einem roten Overall zur Champagner-Dusche und lässt sich in der Gesamtwertung einfach nicht abschütteln. Mit 218 Punkten liegt er immer noch in Schlagdistanz, zumindest zum Zweitplatzierten, Nico Rosberg, der auf 229 Zähler kommt. "Wir hatten sie erst 2016 stark erwartet, aber sie sind schon jetzt ein Gegner", sagt Wolff, der glaubt: "Es ist jetzt eine Mercedes-Ferrari-Zeit, die anbricht, in der wir nicht davon ausgehen können, dass es für uns immer 1 und 2 ausgeht."

In Suzuka hätte Vettel das Mercedes-Duo bereits sprengen können - mit einer besseren Abwehrstrategie beim zweiten Boxenstopp gegen Nico Rosberg. Einen direkten Vorwurf wollte Vettel an seine Mannschaft aber nicht formulieren. "Ein bisschen Nachgeschmack ist da, weil der zweite Platz vielleicht drin gewesen wäre. Aber hätte, wenn und aber zählen nicht", so Vettel, dessen Teamkollege Kimi Räikkönen als Vierter ins Ziel kam.

Guter Sechster hinter Williams-Fahrer Valtteri Bottas wurde Nico Hülkenberg aus Emmerich. Der 28-Jährige war wegen einer angeblich vermeidbaren Kollision beim Singapur-Rennen auf Startplatz 14 verbannt worden. Von dort aus egalisierte er sein bestes Saisonergebnis und bestätigte, dass es wohl ein kluger Schritt des Force-India-Teams war, seinen Vertrag bis 2017 zu verlängern. "Selbst von weiter vorne wäre nicht mehr möglich gewesen", war Hülkenberg zufrieden.

Den emotionalen Kontrapunkt setzte Lewis Hamiltons einstiger McLaren-Kollege Fernando Alonso. Der 34-Jährige wurde überrundet und nur Elfter. Auf dem Weg dorthin überholte ihn unter anderem der 17 Jahre jüngere Niederländer Max Verstappen. Die Demütigung setzte dem stolzen Spanier zu, Alonso öffnete seinen Funkkanal und brüllte allen Frust über seinen unterlegenen Honda-Antrieb heraus: "GP2-Motor! GP2-Motor!" Die GP2 ist eine Nachwuchsserie. Ein solcher Frustausbruch ausgerechnet auf dem Suzuka Racing Course - das ist pikant: Die Strecke wurde 1962 von der Firma Honda errichtet, als Freizeitpark für ihre Mitarbeiter.

© SZ vom 28.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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