Reit-Europameisterschaft:Uhrwerke und Abwürfe

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Bester Deutscher in einem noch unerfahrenen Springreiter-Team: Markus Ehning. Foto: (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Während Isabell Werth und die Dressurreiter Medaillen abräumen, gehen die Springreiter leer aus.

Von Gabriele Pochhammer, Göteborg

Der Finaltag änderte nichts am Trend dieser Springreit-Europameisterschaft. Die deutsche Equipe blieb auch am Sonntag eher blass. Markus Ehning erreichte zwar mit Pret a Tout doch noch einen sechsten Platz, aber die Medaillen gewannen andere. Peder Fredricson auf All aus Schweden, ist neuer Europameister. Zweiter wurde der Niederländer Harrie Smolders (Don) vor dem Iren Cian O'Connor (Good Luck). Zweitbester Deutscher war Philipp Weishaupt mit Convall, der es zumindest in die Finalrunde geschafft hatte. Ehning hatte zunächst im A-Kurs gepatzt, sich dann aber gesteigert. "Mein Pferd ging gut, aber nicht gut genug", sagte er, "Ich bin froh dass ich der Mannschaft ein wenig Stabilität geben konnte."

Der noch unerfahrene Rest des Springreiter-Teams landete wie schon im Laufe der Woche lediglich im Mittelfeld. Laura Klaphake, 23, auf Catch Me If You Can schloss ihr erstes Championat auf Rang 17 ab. Im A-Kurs legte sie zwar eine fehlerfreie Runde mit nur einem Zeitfehler hin, aber es reichte nicht für einen Platz unter den ersten Zwölf, die in die B-Runde kamen. "Mir kam es darauf an, null zu bleiben. Ich hatte das Gefühl, die Stute sprang von Mal zu Mal besser", sagte sie. Die Erfahrung aus Göteborg wolle sie "das nächste Mal einbringen, wenn ich die Chance bekommen sollte". Der gleichaltrige Maurice Tebbel, auch er Championatsdebütant, qualifizierte sich als 51. von 80 Reitern nicht fürs Finale. Sein Hengst Chacco' Sohn wurde in der zweiten Nationenpreisrunde am Freitag unruhig und ließ sich schwer regulieren, was zu zwei Abwürfen, dem Streichergebnis, führte.

Weihegold und Cosmos sind unter den weltweit fünf Dressurpferden, die über 90 Prozent erreichten

In der Mannschaftswertung mussten sich die deutschen Springreiter am Ende mit Platz fünf hinter Iren, Schweden, Schweizern und Belgiern zufrieden geben, mehr als einen Springfehler von den Medaillen entfernt. Die Enttäuschung von Bundestrainer Otto Becker hielt sich dennoch in Grenzen, die Erwartungen waren nicht allzu hoch gewesen. "Das Ergebnis geht schon in Ordnung, da müssen wir mal die Kirche im Dorf lassen", sagte er. "Wir wussten ja, dass wir mit einer jungen Mannschaft unterwegs sind, für alle bis auf Marcus Ehning war es das erste Championat. Auch für Philipp Weishaupt, obwohl der ja ein alter Hase ist." Weißhaupt auf Convall hatte mit einer glänzenden zweiten Nationenpreisrunde, der einzigen Nullrunde im deutschen Team, als Schlussreiter das Teamergebnis abgesichert und sich selbst in die Nähe der Medaillenränge vorgearbeitet.

Während die deutschen Springreiter ohne Medaillen nach Hause fuhren, sahnten die Dressurreiter ab und hatten am Ende fast nur noch sich selbst als Gegner. Gold fürs Team und für Isabell Werth im Grand Prix Special und in der Kür, Silber für Sönke Rothenberger (Cosmos) und Bronze für die Dänin Catherine Dufour auf Cassidy.

Als Isabell Werth nach der Kür auf ihre Noten wartete, war einen Moment lang jede Leichtigkeit verflogen, ihr Gesicht fast versteinert. Würde es reichen, zum dritten EM-Titel in Göteborg? Isabell Werth und Weihegold hatten alles gegeben. Eine Schwierigkeit reihte sich in rasanter Abfolge an die nächste: ausdrucksvolle Piaffen in jede Richtung, gleichmäßig wie ein Uhrwerk, erhabene Passagen, Galopp-Pirouetten auf kleinstem Kreis. "Ich wusste, ich durfte mir nicht den allerkleinsten Fehler erlauben", sagte Werth. In diesem Moment konnte die 45-Jährige schon wieder strahlen. Es hatte gereicht, um Sönke Rothenberger in die Schranken zu weisen. Dieses Mal noch. Mit dem hauchdünnen Abstand von 0,386 Prozentpunkten, 90,982 für sie, 90,614 für ihren Verfolger. "Zwei Pferde über 90 Prozent", stellte Bundestrainerin Monica Theodorescu fest: "Das ist einfach großartig."

Nur fünf Pferden ist es bisher gelungen, die 90-Prozent-Marke zu knacken, dem legendären Totilas unter Edward Gal, dem dreifachen Olympiasieger Valegro unter Charlotte Dujardin und einmal Weltcupsieger Damon Hill von Helen Langehanenberg. Und jetzt Cosmo und Weihegold. Der knappe Sieg von Werth könnte eine Zeitenwende einläuten. Der 23-jährige Sönke Rothenberger, in Rio noch als Youngster das Streichergebnis, kam der deutschen Rekord-Reiterin im Laufe der EM in Göteborg jeden Tag ein Stück näher, in der Kür am Samstag war ihr der Verfolger besonders nahe gekommen. Auch Cosmos zeigte, was er konnte: Starken Trab rauf und runter, die Lektion, bei der Weihegold nicht mithalten kann, dazu Pirouetten, Fliegende Galoppwechseln in verschiedenen Tempi, das heißt nach jedem zweiten Sprung oder nach jedem Sprung, beides gilt als besonders schwierig. Die Piaffen sind noch nicht so gut wie bei Weihegold, auch in anderen Lektionen ist die Technik noch nicht so ausgereift wie bei Werth, aber im Grunde konnte Rothenberger so reiten, wie er es sich vorgenommen hatte: "Ich stelle mir beim Reiten einen Jongleur mit verschiedenen Tellern vor, die er alle gleichzeitig drehen lässt. Das kann Isabell auch in der Prüfung, und da möchte ich hinkommen: dass ich alles zugleich hinkriege."

Jetzt war er nahe dran und jubelte über seine Silbermedaille: "Das ist Silber mit Goldrand."

© SZ vom 28.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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