Regionalliga Bayern:Unter Haien

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Stürmer mit Aussicht: Der 22-jährige Ivan Knezevic hat als Torschütze gegen Spitzenreiter Jahn Regensburg auf sich aufmerksam gemacht. (Foto: Zink/imago)

Nach einem Lehrjahr samt Abstiegskampf nutzen die Spieler des 1. FC Nürnberg II jetzt ihre Chance: Das finanziell geschlauchte Profiteam braucht frische Kräfte, und die Jungen empfehlen sich durch mehr und mehr gute Leistungen.

Von Thomas Gröbner

Vor einem Jahr noch baute sich Roger Prinzen vor einem Mikrofon auf. "Man wird wahnsinnig", stieß der Trainer des 1. FC Nürnberg II hervor, dann holte er zu einem Rundumschlag aus und zählte auf, was seinen Spielern fehlen würde: Einstellung, Persönlichkeit, Qualität. Was einen guten Fußballspieler eben ausmacht. Und am Ende, als er das Selbstbewusstsein seiner Mannschaft in den Staub getreten hatte, da schob Prinzen noch nach: "Wir glauben trotzdem an die Jungs." Irgendwie.

Der Glaube hat sich ausgezahlt. Denn inzwischen ist die gleiche Mannschaft, die vergangene Saison noch gegen den Abstieg gekämpft hat, der erste Verfolger von Regionalliga-Spitzenreiter Jahn Regensburg. Den der Club-Nachwuchs 3:1 besiegt hatte, um dann nur Tage später gegen den Ligaletzten aus Schweinfurt zu verlieren. Nürnberg II tritt so bissig und unberechenbar auf, dass Jahn-Trainer Christian Brand den Gegner mit einem Hai vergleicht, der um seine Beute, die Regionalliga-Meisterschaft, kreist: "Man kann nicht genau sagen, wer sich am Ende durchsetzt."

Der Grund für den aktuellen Erfolg des FCN II liegt ausgerechnet auch in der finanziellen Schieflage und der zuletzt missglückten Transferpolitik des Clubs. Weil viel Geld in einen aufgeblähten und überteuerten Profikader fließt, müsse man sich jetzt "zuerst wieder im eigenen Stall umschauen", sagt Prinzen. Die erfolgreiche Zweitvertretung steht plötzlich wieder im Fokus der Verantwortlichen, die zuvor lieber einkaufen gingen - das spüren auch die Spieler.

"Sie wissen, dass sie sich in das Schaufenster stellen müssen", sagt Prinzen. Seine Spieler wissen auch, dass nicht viel Zeit bleibt, bis eine neue Generation sie ablöst: "Zwei Jahre, dann kommen die nächsten", warnt der 46-jährige frühere Profi. Wer sich in dieser Zeit nicht auf den Zettel eines Klubs oder eines Trainers spielt, der hat vielleicht seine Chance auf den Profifußball verspielt.

Patrick Erras hat es vorgemacht. Das Nürnberger Eigengewächs hat in dieser Saison den Sprung in die Stammelf des Profiteams geschafft. Sein Aufstieg ist auch ein Signal an die anderen, dass die Tür nach oben offen steht. Das sorgt für Konkurrenzkampf im Team. Ein Opfer davon ist Kim Sané. Der Bruder des gerade zur Nationalmannschaft berufenen Schalker Angreifers Leroy Sané sitzt nur noch auf der Bank. Zu lange kann sich das kein Spieler erlauben. Doch nicht immer hat Nürnberg auf seine Talente gesetzt. Zuletzt habe der Verein nicht die nötige Phantasie gehabt, sich seine Spieler in der zweiten Liga vorzustellen, moniert Prinzen und rattert die Namen der Spieler herunter, die in der Fremde ihr Glück gefunden und in Nürnberg keine Chance bekommen haben, weil andere ihre Plätze besetzten.

Spieler wie etwa Sommer-Zugang Stefan Kutschke, Robert Koch, Sebastian Kerk, Ondrej Petrak oder Jakub Sylvestr, die teilweise in die U21 degradiert wurden. Kutschke, aus Paderborn vom ehemaligen Sportchef Bader geholt und von Trainer Weiler verstoßen, wollte sich zunächst mit einem Anwalt zurück ins Training der Profis klagen. Doch nun akzeptiere der Angreifer seine Rolle, sagt Prinzen zufrieden, gegen Regensburg traf Kutschke nun zum ersten Mal. "Früher dachten die Spieler, die Profis schaukeln das Ding schon", sagt Prinzen. Nun sei es umgekehrt.

Die Profis brauchen den Nachwuchs, denn sie können nur dann glänzen, wenn die gesamte Mannschaft gut spielt. Den Kern des Teams aber bilden zwölf Spieler, die vergangene Saison aus der A-Jugend-Bayernliga aufrückten und erst den Sprung zu den Senioren verdauen mussten. Ein Jahr dauerte die Abhärtungsphase inklusive Abstiegskampf. Nun sei die Zeit vorbei, in der sich die Jungen unter dem "Deckmantel der Ausbildung" vor Verantwortung drücken und sich hinter den Rücken der Profispieler im Team verstecken könnten, wie Prinzen feststellt. Eines der jüngsten Teams der Liga ist gereift. Und muss sich auf neue Gegner einstellen.

Der 1. FC Nürnberg II ist jetzt eine Spitzenmannschaft, gegen die der Gegner alles in die Waagschale wirft und sich notfalls zu zehnt im eigenen Strafraum verbarrikadiert. Eine Taktik, die zuletzt Schweinfurt gezeigt hat - und 1:o gewann. Ein Sieg gegen den Tabellenführer und eine Niederlage gegen den Letzten - auch das gehört zu dieser Regionalligasaison, in der alles möglich scheint. Wie es im neuen Jahr weitergeht, welche Spieler dann auf dem Platz stehen, daran mag Prinzen noch nicht denken. Er weiß: Je besser seine Mannschaft spielt, desto eher wird sie wieder zerrissen. Dann wird aus dem Hai wieder ein kleiner Fisch.

© SZ vom 11.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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