Reaktionen aus der Türkei:"Übertriebene Freude"

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Für die Ausschreitungen und das Handgemenge beim Fußball-EM-Qualifikationsspiel der Junioren zwischen Deutschland und der Türkei in Istanbul haben die Türken indirekt die deutschen Spieler verantwortlich gemacht.

Mit "übertriebener Freude" und "beleidigenden Gesten" hätten sie nach dem Treffer zum 1:1 in der Nachspielzeit die türkischen Fans geradezu provoziert, lautete am Mittwoch die fast einhellige Meinung in großen türkischen Zeitungen. Die gebührende Antwort sei als Wurfhagel aus Plastikflaschen und Münzen von den Tribünen gekommen. Besonnenere Stimmen, die die türkische Reaktionen als gänzlich daneben bewerteten, kamen dagegen kaum zu Gehör.

"Ich habe mich nicht beherrschen können", sagte Ersatzspieler Beyhan Sümer, der wegen seines handfesten Einsatzes auf dem Spielfeld die rote Karte sah. "Aber ganz sicher habe ich den Torwart (Tim Wiese) nicht geschlagen." Als Rechtfertigung für seine "Unbeherrschtheit" führte Beyhan "freche" Gesten des deutschen Schlussmannes an. Kleinlaut fügte er dennoch an: "Was ich getan habe, war nicht richtig."

Keine Politik ins Spiel bringen

Für ganz besondere Entrüstung - auch bei türkischen Fußball-Offiziellen - sorgte Trainer Uli Stielike, der die türkischen Fans wegen ihrer Pfiffe während der deutschen Nationalhymne daran erinnerte, dass "wir in Deutschland zwei Millionen Menschen aus der Türkei Arbeit geben". Damit verletzte er offenbar den türkischen Nationalstolz: "Stielike, bleib seriös", titelte am Mittwoch die Zeitung Milliyet.

Der türkische Trainer Rasit Cetiner meinte, Stielike solle beim Fußball bleiben und nicht die Politik ins Spiel bringen. Einfach "hässlich" nannte der Präsident des türkischen Fußballverbandes, Haluk Ulusoy, die Äußerungen des deutschen Trainers: "Das gehört sich nicht für ihn."

Unbeeindruckt von dem Sturm der Enttäuschung und Entrüstung zeigte sich dagegen die älteste türkische Tageszeitung Cumhuriyet, die ihre eigenen Gedanken zu "Fair Play" und Respekt darlegte. Wie könne man von den 45.000 Fans im Saracoglu-Stadion Respekt vor der deutschen Nationalhymne erwarten, wenn selbst Fußball-Verbandschef Ulusoy "in den Tribünengängen umherspaziert und mit jedermann Hände schüttelt".

Zu den Wurfgeschossen meinte das Blatt resigniert: "Sie haben getan, was sie nicht lassen konnten." Bedauerlich sei, "dass wir wieder als die ,barbarischen Türken' dastehen."

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