Reaktion auf das Sportwetten-Urteil:Kampfansage an die Zockerbuden

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Der Staat muss hart gegen die Wettsucht durchgreifen. Sonst verliert er in zwei Jahren sein Monopol auf Glücksspiele. Kaum hat das Bundesverfassungsgericht so entschieden, kündigen Bayerns Behörden Razzien in illegalen Wettbüros an.

Claudio Catuogno

Im Innenministerium von Nordrhein-Westfalen hat man sich zuletzt ziemlich gewundert über die Karlsruher Richter. "Mit Befremden" hatte dort der für Glücksspiel zuständige Beamte notiert, dass die Ordnungsbehörden nicht mehr gegen Wettbüros vorgehen, selbst wenn diese nachweislich verbotene Wetten anbieten.

Fatale Folgen in Bayern, Berlin und NRW

Seit Jahren öffnen illegale Zockerstuben in allen größeren Städten - in Hinterzimmern von Kneipen, China-Restaurants oder Spielhallen. Doch die Verfassungsrichter baten zuletzt in zahlreichen Schreiben, "von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen", solange sie nicht ihr Grundsatzurteil gesprochen hätten.

Vor allem in Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen hatte das fatale Konsequenzen: Hier konnte zuletzt an jeder Ecke sogar auf Wettrennen von Computer-Hunden getippt werden, ohne dass die Behörden einschritten. Damit soll es nun vorbei sein.

Am Dienstagvormittag schon einigte sich Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser mit seinem für die Polizei zuständigen Kollegen Günther Beckstein, ab sofort hart durchzugreifen. Georg Schmid, Staatssekretär im Münchner Innenministerium, kündigte Razzien an: "Wettbüros, die illegal private Sportwetten anbieten, werden jetzt geschlossen.

Es gibt keine rechtsfreien Räume mehr, da setzen wir jetzt Schwerpunkte." Auch andere Länder planen eine härtere Gangart. Während die Politiker Zeit bis Ende 2007 haben, um auf das Urteil zu reagieren, werden Polizisten wohl schon in den nächsten Tagen ausschwärmen. Buchmacherläden, die bisher teils ohne, teils mit umstrittenen ausländischen Lizenzen im rechtlichen Graubereich gearbeitet haben, sind somit die Verlierer des Urteils.

Hoffen auf das Geschäft aus dem Ausland

Weitgehend unbehelligt bleiben dagegen Anbieter, die genau die gleichen Wetten anbieten - jedoch vom Ausland aus und über das Internet. Ihr Anteil am Milliardengeschäft dürfte weiter wachsen, wenn Oddset seine Werbung tatsächlich radikal zurückfahren muss. Auch für den deutschen Fußball, der in diesen Tagen wieder versuchte Spielmanipulationen aufklären muss, ist das nicht unbedingt eine gute Nachricht.

Es mag eine kuriose Randnotiz sein, dass die Berliner Clique um den kroatischen Wettbetrüger Ante Sapina und den Schiedsrichter Robert Hoyzer ihre Gewinne ausgerechnet beim deutschen Monopolisten Oddset einstrich. Doch dieses Vorgehen ist die Ausnahme.

Die Mafiagruppen, die derzeit um Einfluss auf Europas Profi-Ligen kämpfen, platzieren ihre Tipps in der Regel im Internet oder in illegalen Wettbüros in China oder auf dem Balkan. Man muss nicht in Deutschland wetten, um deutsche Spiele zu verschieben.

© SZ vom 29.3.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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