Rasenprobleme:Streit um die Söldner

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Warum ist in so vielen Stadien so wenig Gras übrig? Frankreichs Rasen-Vereinigung hat die Erklärung gefunden: Sie wirft der Uefa "Inkompetenz und Sabotage" vor.

Von Claudio Catuogno, Paris

"Rasen ist Emotion", schreibt die Firma Richter Rasen aus Deutsch Brodersdorf in Niederösterreich auf ihrer Internetseite. Und damit hat sie ganz sicher Recht. "Desaster", "Katastrophe", "Schande für Frankreich", das sind gerade die Emotionen, wenn es um die ramponierten Grünflächen in einigen EM-Stadien geht. Warum insbesondere in Lille und Marseille mehr Löcher als Grashalme übrig sind, das ist derzeit das beherrschende Thema bei der EM. Europas Fußball-Union Uefa, das Organisationskomitee Euro SAS und die lokalen Rasen-Zuständigen schieben sich dabei gegenseitig die Verantwortung zu.

So weist Jacques Lambert, der Präsident der Euro SAS (die zu 95 Prozent der Uefa gehört), darauf hin, dass man die Zuständigkeit für die Stadien erst am 15. Mai, nach dem letzten Liga-Spieltag, von den Klubs übernommen habe. In drei der zehn Stadien - Nizza, Marseille, Lille - habe man sich zum Austausch des Rasens entschieden, da er dort "nicht den Ansprüchen genügte, den man zu Recht an ein europäisches Turnier stellt". Wenn alle Stadien "einen perfekten Rasen gehabt hätten, wäre das nicht nötig gewesen".

In den betroffenen Städten hatte die Entscheidung für Verwunderung gesorgt - hatten lokale Rasenbeauftragte doch im Frühjahr viel in Aufzucht und Pflege ihrer Grüns investiert. In Lille erhielt der Rasen bei Begutachtungen am vorletzten Liga-Spieltag immerhin 16, in Marseille 17 von 20 Punkten. Und nun sind es genau die Stadien mit dem neuen Grün, in denen davon nicht mehr viel übrig ist. Das überhastete Manöver ging offenbar schief. So schief, dass in Lille die Spielfläche bereits mit grüner Farbe besprüht wurde.

Entsprechend harsch ist jetzt auch die Reaktion von Jean-Marc Lecourt. Der Präsident der Société française des gazons (SFG), der französischen Rasen-Vereinigung, sieht sich gezwungen, die Ehre der heimischen Gärtner und Rasenpfleger zu verteidigen. Franzosen seien jedenfalls "in keiner Weise verantwortlich für die Inkompetenz und Sabotage der Söldner", die für die Dauer der EM die Verantwortung tragen, schreibt die SFG in einer Stellungnahme. Und den Haupt-Söldner hat Lecourt auch schon ausgemacht: einen Briten!

Problemzone Rasen: In manchem EM-Stadion wurde die Spielfläche gar mit grüner Farbe besprüht, um den TV-Zuschauern grüne Plätze bieten zu können. (Foto: Jens Marx/dpa)

Richard Hayden, bei der Uefa für das Thema Rasen zuständig, habe schließlich angeordnet, in Nizza, Marseille und Lille den Rasen zu tauschen, "obwohl das gar nicht notwendig gewesen wäre". Und dabei sei Hayden mindestens stümperhaft vorgegangen: "Die Zuständigen der Klubs oder der Städte wurden nicht befragt, sie mussten das nur ausführen. Dabei kennen die Stadien besser als die Leute von der Uefa", sagte Lecourt L'Équipe. Selbst das inzwischen berüchtigte AC/DC-Konzert, das kurz vor dem EM-Start noch im Stade Vélodrome von Marseille stattfand, hält Lecourt zwar für "unvernünftig" - aber "die französischen Gärtner hätten genug Kompetenz gehabt", den Rasen danach wieder in Ordnung zu bringen.

Und nicht zuletzt kritisiert Lecourt die Entscheidung der Uefa, Rollrasen in Kühllastern aus der Slowakei nach Nizza, Marseille und Lille zu karren, von dem schon vorher bekannt gewesen sei, dass seine Grasnarbe mit den lokalen Beschaffenheiten nicht harmonieren werde. "Man wusste es, und es wurde darauf hingewiesen." In dieser Hinsicht decken sich Lecourts Erkenntnisse mit jenen der Firma Walter. Die sitzt zwar in Niederösterreich, hat aber eine Dependance in der Slowakei. Man habe den Tausch des Rasens nur ausgeführt, teilt die Firma mit - der Auftrag sei aber erstens "viel zu spät" gekommen, und zweitens seien die Bodenverhältnisse in den Stadien dann nicht optimal gewesen.

Am Uefa reagierte am Dienstag auf die Kritik - und teilte mit, dass sie zumindest in Lille für die K.o.-Spiele einen neuen Rasen verlegen wird. Die "extrem schwierigen Wetterumstände" der vergangenen Wochen hätten "einen irreversiblen Schaden" verursacht. Der neue Rasen hat es nicht so weit wie der alte. Er kommt aus den Niederlanden.

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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