Rasen-Turnier in Halle:Siddhartha siegt

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Sieger in Halle: Florian Mayer, 32. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Eine Woche vor Wimbledon bestimmen zwei Deutsche aus verschiedenen Generationen das Turnier in Halle. Florian Mayer, 32, setzt sich im Finale gegen Sascha Zverev, 19, durch.

Von Gerald Kleffmann, Halle/München

Vor diesem Finale stand fest: Die Siegergeschichte würde speziell werden. Würde Florian Mayer gewinnen, wäre das die beste Pointe eines erstaunlichen Comebacks. 32 Jahre alt ist der langjährige Davis-Cup-Spieler, in den vergangenen drei Jahren konnte er aufgrund diverser Verletzungen selten mal ein paar Monate in Serie seinen Beruf ausüben. Bis auf den 614. Weltranglistenplatz rutschte Mayer ab. Sascha Zverev war vor zwei Jahren in einer ähnlichen Region, im Ranking wurde er als 642. geführt, mit einem Unterschied: Er war 17. Für den einen wäre ein Triumph in Halle, bei Deutschlands wichtigstem Tennisturnier, ein süßer Lohn im "Spätherbst meiner Karriere", wie Mayer sagte. Für den anderen wäre der Erfolg der bislang größte Erfolg und so etwas wie der offizielle Startschuss für ein neues Kapitel: Zverev würde mit dem ersten Titel auf der Tour, zumal bei einem der wichtigen 500er Serie der ATP, sein großes Talent derart untermauern, wie es ihm noch nie gelang.

Florian Mayer war es schließlich, der seine Geschichte in dieser Woche perfekt abrundete. Er gewann am Sonntagnachmittag nach 1:55 Stunden mit 6:2, 5:7, 6:3 und damit 386 925 Euro Preisgeld. In diesem Jahr hatte er bisher 61 000 Euro erspielt.

Auch ohne den großen Roger Federer war es ein bemerkenswertes Finale, Zverev selbst war es ja gewesen, der dem Schweizer die erste Halbfinal-Niederlage in Halle seit 2002 zugefügt hatte. "Es ist ein unglaubliches Gefühl jetzt", sagte Zverev nach dem Coup, "ich kann das kaum in Worte fassen." Sein 7:6 (4), 5:7, 6:3-Sieg gegen sein Idol war einer, der viel über seine Stärken und seine Entwicklung erzählte. Im Tie-Break erwies er sich nervenstark, im zweiten Satz nutzte er zwei Breakchancen nicht zu einer 5:3-Führung, verlor den Satz 5:7 - und steckte den Frust doch abgeklärt weg. Zverev neigt ja dazu, schon mal innerlich und oft auch äußerlich wie jemand zu brodeln, der drei Stunden im Stau steht. Er hat das langsam besser im Griff. "Sein Spiel, seine ganze professionelle Einstellung gefallen mir sehr gut", lobte ihn Federer. Der 34-Jährige ist sich sicher: "Er wird eine wichtige Rolle im Tennis der nächsten Jahre spielen." In diesem Jahr zeigt sich schon ein beeindruckender Trend: Zverev verliert immer seltener gegen Spieler, die schlechter als er platziert sind - und er gewinnt öfter gegen weit vor ihm platzierte Spieler. Günter Bresnik, der schlaue Trainer des österreichischen Top-Ten-Spielers Dominic Thiem (den Mayer im Halbfinale besiegte), sieht zwei Schläge, die Zverev von anderen Talenten unterscheiden: "Er ist stark bei der Spieleröffnung mit dem eigenen Aufschlag und beim Return." Damit verfüge Zverev über Waffen, die es ihm ermöglichen, sofort Ballwechsel bestimmen zu können.

In Wimbledon wird Zverev erstmals gar gesetzt sein

Zverev gegen Mayer war somit ein interessantes deutsches Generationenduell, geprägt von zwei unterschiedlichen Charakteren. Einen aufstrebenden Vulkan gegen einen nachdenklichen Siddhartha bekamen die Zuschauer in Westfalen zu sehen, kraftvolles, modernes Grundlinientennis maß sich mit unorthodoxem Rhythmuswechsel, wie ihn Mayer in Bestform effektiv beherrscht. Eine eingesprungene beidhändig geschlagene Rückhand, die dann zu einem Stopp führt, lehrt eigentlich kein Trainer weltweit. Der tiefgründige Mayer liebt es übrigens zu wandern, wahrscheinlich wäre diese Art der Freizeitbeschäftigung für Zverev so erstrebenswert wie eine Kurzhaarfrisur. Zverev sieht eben nicht nur aus wie ein Popstar, mit seinen Ketten und seiner Lockenpracht und seinem Stirnband, er liebt tatsächlich auch die große Bühne. Und das könnte von all seinen Fähigkeiten am meisten für einen nachhaltigen Erfolg dieses 19-Jährigen sprechen. Er erschreckt sich nicht über seinen Erfolg.

Ab dieser Woche wird Zverev - sein Lohn dieser Woche - zu den Top 30 zählen und in Wimbledon gesetzt sein. Mayer sagte zurecht bei der Siegerehrung, dass Zverev in vielen Finals stehen werde. Seine Augen waren da nicht mehr ganz gerötet, denn unmittelbar nach dem Matchball hatte er sich auf die Bank gesetzt und geweint. Der letzte Moment gehört ihm. "Ich habe es zwei Jahre nicht gehabt, vor einem vollen Haus zu spielen, weil ich so viel verletzt war", sagte er später, "ich war nicht sicher, ob ich weiter spiele. Jetzt stehe ich hier und kann es nicht fassen." Im zweiten Satz hatte er zwei Matchbälle bei 5:4 vergeben, den fünften verwandelte er dann im dritten Satz. "Im letzten Spiel war ich so nervös, ich konnte den Schläger nicht mehr halten", gab er zu. Mayer war immer ein spezieller Spieler. Nun ist er, 2004 und 2012 Wimbledon-Viertelfinalist, auch ein spezieller Turniersieger. Und ab sofort ist er die Nummer 80 der Welt.

© SZ vom 20.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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