Radsport:Falscher Stolz

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Bjarne Riis offenbart bei seinem Doping-Geständnis ein fehlendes Unrechtbewusstsein, wie man das bisher nicht kannte. Jetzt ist klar: Der saubere Sportler war die Ausnahme.

Ein Kommentar von Thomas Hummel

Rolf Aldag wirkte wie ein reuiger Sünder, Erik Zabel weinte gar. Die beiden waren und sind Teil des verkommenen Systems Radsport. Doch sie schafften es, mit ihrem Auftritt vom Mittwoch ein paar Leute zu beeindrucken. Auf der Pressekonferenz klatschten manche sogar nach ihren Geständnissen. Es war Zeit der Beichte, und tatsächlich erhielten sie teilweise Absolution. Obwohl es, wenn man genauer hinsieht, wahrlich keinen Grund dafür gab.

"Ich war Radsportler zu den Bedingungen, die es damals in dem Sport gab": Bjarne Riis, gedopter Tour-Sieger von 1996. (Foto: Foto: AFP)

Bjarne Riis offenbarte zudem fehlendes Unrechtsbewusstsein so sehr, wie man das bisher bei Sportlern noch nicht erlebt hat. "Ich war Radsportler zu den Bedingungen, die es damals in dem Sport gab", sagte der Däne. Das will wohl sagen: Alle haben gedopt, also habe ich es auch getan. Epo, Cortison und Wachstumshormone. Na und? Man konnte nicht erwischt werden, also hat es wohl jeder gemacht. "Ich bin stolz auf meine guten Ergebnisse.", sagt er dann tatsächlich. Auch auf seinen Tour-de-France-Sieg von 1996? Das Gelbe Trikot liege in seinem Haus, man könne es dort abholen, meint er abfällig. Seine Erinnerungen könne man ihm aber niemals nehmen.

Bjarne Riis hat betrogen. Er hat damit Millionen verdient und er verdient als Teamchef des Profiteams CSC immer noch gut. Nun stellt er fast trotzig fest, dass er das für das Normalste von der Welt hält. Doch nicht genug: Riis sprach zudem mit Abscheu von den Sportsfreunden und Kollegen, die vor ihm öffentlich bekannten - und ihn dadurch nötigten, nun auch zu sprechen.

"Es gibt eine Tendenz, die Dummheiten der Vergangenheit in die Gegenwart zu tragen. Ich habe Schwierigkeiten, das zu verstehen." Und: "Ich finde, dass es nicht nötig ist, dass jetzt alle in die Öffentlichkeit gehen. Wo soll das enden? Dass die Leute zugeben, dass sie ihre Ehefrauen betrogen haben? Dass ich zu schnell nach Hause gefahren bin, steht das morgen auch in der Zeitung?"

Doch die Geständnisse folgen weiterhin eigenen Mechanismen: Die Fahrer gestehen bis 1998, 1999 gedopt zu haben - zufälligerweise bis zu einem Zeitpunkt, für den sie nicht mehr belangt werden können. Die Verjährungsfrist bei Dopingvergehen für Sportler beträgt acht Jahre. Seit acht Jahren sind alle sauber. Sagen sie.

Riis weiß angeblich auch nichts über andere Fahrer, nichts über seinen einstigen Edelhelfer und Teamkollegen Jan Ullrich. Außerdem habe sich seit damals sowieso alles geändert, heute sei alles anders. Das interne Testsystem von CSC sei heute natürlich das Beste überhaupt. "Hätte es die Tests damals schon gegeben, dann wäre es nie soweit gekommen", sagt Riis. Damit hat er recht. Heute ist die Epo-Einnahme gefährlich, dafür ist ja gerade das Eigenblut-Doping en vogue oder Stoffe wie Gentropin und Eposin, anabole und maskierende Stoffe, die höchste Wirkung mit der Garantie verbinden, bei den Tests nicht aufzufliegen.

Irgendwann kommt dann bestimmt noch Gen-Doping.

Auch dem letzten Romantiker sollte nun klar sein, dass im Radsport der Betrug das Normale, der saubere Sportler die Ausnahme war. Nach allen Indizien und Erkenntnissen ist das wohl immer noch so. Und in ein paar Jahren sitzt dann vielleicht ein anderer Fahrer auf irgendeinem Tribunal-Pressekonferenz-Podest und erzählt: Damals, in den Jahren um 2007 herum, da war das eben einfach so. Und, äh, ja: Ich bin stolz auf meine Erinnerungen.

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