Radsport: Comeback von Jaksche:Der Ein-Euro-Profi

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Kronzeuge Jörg Jaksche verdiente früher bis zu 500.000 Euro jährlich. Nun unterschreibt er einen Vertrag bei einem Drittliga-Radteam, der ihm einen Euro bringt - er nennt ihn "ein Symbol".

Andreas Burkert

Sie kennen ihn im "Marinella", vor dem Training frühstückt er oft dort. Einen Cappuccino und briosche, ein gefülltes Butterhörnchen. Auch diesen Freitag macht Jörg Jaksche in der Kaffeebar Station, aber nun ist es schon Mittag in Lucca. Denn morgens hat er einen Termin gehabt, über den er sich sehr gefreut haben muss, nicht wahr? "Ich weiß es selber nicht genau", antwortet Jaksche mittags zögerlich, er möchte nicht zu euphorisch klingen. "Ich schaue mal, was kommt, aber froh bin ich schon, denn ich habe es ja schon ein bisschen vermisst." Er meint Radrennen. Jörg Jaksche, 32, fährt bald wieder welche.

Jörg Jaksche kehrt als Ein-Euro-Profi in den Radsport zurück. (Foto: Foto: AP)

Anfang Juli war seine Sperre ausgelaufen, doch bereits vorher, Ende April hatte der Franke aus Ansbach seine Karriere als Radprofi für beendet erklärt. Denn niemand wollte ihn, den Kronzeugen, der im Dopingskandal um den Arzt Fuentes enttarnt worden war - die Mauer des Schweigens hielt, nachdem Jaksche mit beispielloser Offenheit vor Behörden und Instanzen ausgesagt hatte.

Doch Freitagfrüh unterschrieb er nun also bei Cinelli-OPD, einem kleinen, in San Marino lizensierten Rennstall. Es ist in jeder Hinsicht ein ungewöhnlicher Ein-Jahres-Vertrag. Denn in der Zeile des dreiseitigen Schriftstückes, in der das Gehalt notiert ist, steht eine karge eins. Jaksche sagt: "Ich bin jetzt wohl der erste Ein-Euro-Profi." Dann korrigiert er sich: "Der erste Ein-Euro-Teilzeitprofi."

Natürlich auch ein "Ego-Trip"

Die Summe ist Jaksches Idee gewesen, nachdem er sich erstmals in Mailand mit Antonio Colombo getroffen hatte. Und der italienische Teameigner, ein vermögender Firmenchef, der Kunst sammelt und dem die Radmarke Cinelli gehört, macht das Spiel mit. "Natürlich ist das alles ein Symbol und ein Ego-Trip", sagt Jaksche, der sieben Mal die Tour de France fuhr und Rennen wie Paris - Nizza gewann. Ihm geht es jetzt ums Prinzip. Er will dem Radsport zeigen: "Notfalls fahre ich auch umsonst - aber ich will selber entscheiden, wann ich aufhöre."

Und nicht die Typen hinter der Mauer.

Eine halbe Million Euro hat Jaksche in seinen besten Tagen bei Liberty verdient; seine Eltern sind Ärzte, er hat etwas zurückgelegt und studiert seit Oktober Wirtschaftsrecht an der Fernuni Hagen. Er will Student bleiben. "Der finanzielle Anreiz ist es nicht, das Geld sollen sie lieber in junge Fahrer investieren", sagt Jaksche. Aufwandsentschädigungen wird ihm das Drittliga-Team allenfalls zahlen, dafür kann der Deutsche ein kleines Programm fahren. Mit regionalen Terminen oder unbedeutenden Rundfahrten: 2008, im ersten Jahr des Bestehens, fuhr Cinelli die Touren durch Marokkko und Mexiko. Andererseits, und das findet Jaksche reizvoll, gibt es auch wertvolle Einladungen. Wie zur sechstägigen Mittelmeer-Rundfahrt. Dort gibt er am 13. Februar sein Comeback.

Bei der Fahrt rund um Nizza nehmen traditionell auch die großen Teams teil. Seinen früheren CSC-Teamchef Bjarne Riis, den Jaksche belastete und der ihm deswegen offenbar gedroht hatte - auch ihn könnte er dort wiedersehen. Kein Problem, meint Jaksche, "ich habe sowieso zuletzt ein paar Liegestütz für den Oberkörper hingezaubert". Er lacht. Und betont, inzwischen keinen Groll mehr zu hegen, generell habe er sich arrangiert mit dem Zustand des Radsports, der partout nichts dazulernt. "Hauptsache, ich bin mit mir im Reinen. Denn bei mir kann nichts mehr dazukommen - und es kommt auch nichts mehr rein."

Er hat alles erzählt. Und er wird nichts mehr nehmen. Bestimmt nicht.

Dass sie um ihn herum weiter betrügen? Jaksche ist nicht blöd, er weiß das. "Aber ich bin einfach müde, darüber zu diskutieren." Doch wer ihn frage, der bekomme Antworten, das steht. Gut, dass also fürs Team Cinelli künftig auch der Belgier Frank Vandenbroucke, 34, antritt, das einstige Supertalent mit zig Dopingaffären und einem Selbstmordversuch im Juni 2007 als Tiefpunkt - das darf mancher schon als Treppenwitz verstehen, oder?

"Im Endeffekt bin ich ganz unten"

"Für was soll ich ihn verurteilen?", entgegnet Jaksche, "ich weiß doch, was im Radsport los war - ich habe kein Problem mit ihm, das wär' heuchlerisch." Vandenbroucke, glaubt er, brauchte "jetzt nur ein normales Umfeld mit Sport und sozialen Aspekten".

Den Radsport als normales Umfeld zu bezeichnen, das hat Jaksche lange nicht mehr getan. Aber um ihn braucht sich niemand sorgen. Er wird jetzt seine Lizenz beantragen, in Österreich, die meiste Zeit lebt er ja in Tirol. Sein Ziel ist das Mittelmeer, "das ist das erste große Rennen, das ich gewonnen habe", 2004 ist das gewesen. Ende 2008 ist er trainiert wie immer um diese Jahreszeit, 73 Kilo, nur wenige zu viel. "Aber im Endeffekt", sagt er fröhlich, "bin ich ganz unten."

Ihm macht das aber nichts. Nicht mehr. Hoffnungen auf Erfolge verbindet Jaksche jedenfalls nicht mehr mit dem Radsport, "ein Selbstschutz", wie er betont. Und notfalls wird er den Vertrag brechen, wenn es ihm doch nicht mehr gefällt. Er ist jetzt so frei. "Aber dann bin ich wenigstens noch einmal gefahren", sagt er. "Und der Streitwert ist ja dann auch nicht sehr hoch."

© SZ vom 20.12.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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