Radsport:Abschied des Geächteten

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Während Ivan Basso bei Liquigas unterkommt, beendet Jörg Jaksche seine Karriere als Radprofi: "Meine Karriere ist nun vorbei."

Andreas Burkert

Er hatte seit November wieder trainiert, "oft wie ein Blöder", sagt Jörg Jaksche. Fünf, sechs Stunden am Tag. Denn Radfahren macht ihm weiterhin viel Spaß, als Pflicht hat er das Training jedenfalls noch nie empfunden. Und Jaksche, 31, wollte bereit sein für den Fall, dass sie ihn doch wieder fahren lassen würden. Eine Hoffnung besaß er ja noch, nachdem ihm wie viele andere auch die vermeintlich fortschrittlichen Franzosen durchweg abgesagt hatten. Seine Hoffnung hieß Team Milram, dort hatte man ihn, zumindest nach seiner Einschätzung, nach Gesprächen im Januar in dem Glauben gelassen, sie nähmen ihn wohl nach Ablauf seiner Dopingsperre wirklich unter Vertrag.

Jörg Jaksche, hier im Jahr 2004 im Trikot des CSC-Teams (Foto: Foto: dpa)

Doch Milram hat am Freitag auf Anfrage deutlich zu erkennen gegeben, dass es dieses Jahr ganz bestimmt nichts mit Jaksche werde. Als Jaksche davon am Telefon erfährt - er macht gerade ein paar Tage Ferien in Ägypten -, reagiert er so, wie er sich das zuletzt vorgenommen hatte: Er erklärt seine Laufbahn für beendet. Jaksche sagt: "Meine Karriere ist nun vorbei. Denn wenn ich in Deutschland nicht unterkomme, dann nirgendwo. Wenn das nun bei Milram wirklich nichts gibt, dann war's das - das ist Fakt, dann ist es zu Ende. Ich werde nicht mehr warten, denn nächstes Jahr wollen sie mich ja dann auch nicht."

Ehrenkodex gebrochen

Am 30. Juni 2008 dürfte Jaksche wieder Rennen fahren. Ein Jahr Fahrverbot hatte er für seinen vom Blutdoktor Eufemiano Fuentes unterstützten Betrug erhalten. Der Franke hat gestanden und umfassend ausgesagt, auch beim BKA; Gerolsteiner-Manager Hans-Michael Holczer befand jedoch, für ein Engagement im Team habe Jaksche zu wenig erzählt. Natürlich ist er trotzdem als Kronzeuge anerkannt worden, neuerdings sogar vom Weltverband UCI: Dieser zog jetzt beim internationalen Sportgericht Cas erstmals einen Einspruch zurück, in diesem Fall den Einspruch gegen Jaksches reduzierte Strafe. Doch Jaksche, Profi seit 1997, wird nun auch dieses Novum nichts mehr nützen. Seit Donnerstagabend ahnte er das selbst.

Am Donnerstagabend hat Ivan Basso einen bis 2010 gültigen Vertrag beim Team Liquigas unterzeichnet. Der Italiener, Giro-Sieger von 2006, war im Zuge der Operación Puerto, die Fuentes' Netzwerk zumindest grundsätzlich offenlegte, als prominentester Kunde der Madrider Blutbank neben Jan Ullrich enttarnt worden. Bassos Sperre endet diesen Oktober, doch Liquigas dürfte seinen Landsmann trotzdem nicht unter Vertrag nehmen. Denn damit bricht der Rennstall den Code de Conduit, den Ehrenkodex der Profiteams.

Darin haben sich die Rennställe verpflichtet, Dopingsünder nach Ablauf der zweijährigen Sperre weitere zwei Jahre nicht zu engagieren. Im Gegensatz zu Jaksche gilt Basso, 30, auch nicht als "Ausnahme von der Regel": Nachdem ihm die italienische Sportjustiz aufgrund der Beweislage zugesetzt hatte, kooperierte er nur oberflächlich mit ihr und kam deshalb nicht in den Genuss der Kronzeugenregelung. Basso behauptet noch heute, er habe niemals gedopt. Fuentes' Akten berichten jedoch von mehrjährigen Medikationen.

Auf der nächsten Seite: Jaksches Problem mit den Papieren und was er über seinen Kollegen Ivan Basso denkt.

Basso dürfte nun trotzdem fahren, denn der Ethikcode ist eine Absichtserklärung - rechtlich relevant ist er nicht. Liquigas hat ja auch das Commitment for a new cycling der UCI unterzeichnet. Der Eindruck ist nun, dass all die guten Vorsätze das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen.

Jörg Jaksche dagegen hatte ein Problem mit Papieren. Wenn er sie allesamt beisammen hätte, könne er vielleicht fahren, so hatte es ihm Milram-Manager Gerry van Gerwen im Winter mitgeteilt. Er bat ihn, "Unbedenklichkeitserklärungen" einzuholen. Von der UCI, vom Tour-Veranstalter A.S.O., der Teamvereinigung AIGCP, der Teammanager-Organisation IPCT. Die IPCT ist beispielsweise dafür zuständig, den Fahrern Hotels zu besorgen, falls sie ihren Flieger verpassen. "Natürlich haben sie sich für nicht zuständig erklärt", sagt Jaksche. Die AIGCP - die am Freitag ganz empört Liquigas ausschloss - verwies ihn derweil an ihren Anwalt, der darauf weitere Dokumente anforderte. Jaksche schickte sie. "Aber auch da herrscht jetzt Funkstille." Ausgerechnet die UCI überraschte ihn positiv: Koordinator Alain Rumpf mailte ihm die Erklärung binnen weniger Stunden zu.

Die A.S.O. dagegen schweigt, auch auf mehrere SZ-Anfragen reagierte sie nicht zur Causa Jaksche. Nicht nur ihn musste das verwundern, denn gerade Tourchef Christian Prudhomme hatte sich bei den jüngsten Skandalausgaben des Rennens als zupackender Kämpfer für eine neue Glaubwürdigkeit des Radsports exponiert. Prudhomme habe "zwar mal im Fernsehen gesagt, dass sie sich an die UCI-Weisung halten würden", sagt Jaksche, "aber ich denke, van Gerwen reicht das nicht, denn er hat wohl Angst vor der Häme und Schikane des Pelotons."

Bittere Erkenntnis

Jaksche hat sich nicht geirrt. "Wir brauchen die Erklärungen aller relevanten Organisationen und Veranstalter", bekräftigt am Freitag Martin Mischel, Vorstand des Milram-Hauptsponsors Nordmilch. Er hatte sich im Winter mit Jaksche getroffen, der nun enttäuscht sagt: "Ich habe mich auf das Wort von Herrn Mischel verlassen." Mischel entgegnet, er halte es "durchaus für berechtigt, dass so jemand die Chance haben müsste zurückzukehren". Doch ohne die Sicherheit der Freifahrtscheine sei das nicht möglich, und schon gar "nicht während einer laufenden Saison". Vielleicht nächstes Jahr.

Eine nächste Saison wird es für den Profi Jaksche kaum mehr geben, er sagt: "Ich werde mein Studium wieder aufnehmen, BWL/VWL." Dabei habe er seine Karriere so nicht beenden wollen, "ich wollte nicht, dass die Vorhersagen eines Bjarne Riis eintreffen". Gerade beim CSC-Teamchef, der ihm mit der Rache der Omertà-Gemeinde drohte, habe er "noch mal am Fenster vorbeifahren wollen". Doch am Freitag hat Jaksche eingesehen, "dass sie einen Basso mit offenen Armen empfangen - aber du selbst musst von Pontius zu Pilatus und bleibst dann am Ende ein Aussätziger".

Ivan Basso habe es "wohl intelligenter gemacht", sagt Jaksche zum Abschied, ehe er ergänzt: "Dann haben die anderen jetzt gewonnen."

© SZ vom 26.4.2008/tbc/mb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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