Qualifying in Sotschi:Mit 309 km/h in die Barrieren: "Ich bin okay"

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Es sind die bangsten Minuten der Saison, als Carlos Sainz jr. die Kontrolle über seinen Renault verliert. Doch der Crash scheint zu zeigen, wie sicher die Formel 1 derzeit ist.

Von Elmar Brümmer, Sotschi/München

So sieht das also aus, wenn die Formel 1 unvorbereitet in die Qualifikation für einen Großen Preis gehen muss: Zwei Silberpfeile stehen vorn, allerdings in Umkehr der gewöhnlichen Reihenfolge - Nico Rosberg vor Lewis Hamilton, dann folgen Valtteri Bottas (Williams) und Sebastian Vettel (Ferrari). "Das wird wieder ein Riesenkampf am Start", ahnt der Samstags-Schnellste Rosberg.

Beim zweiten Gastspiel im Putin-Badeort fuhr die Formel 1 von einem Chaos zum nächsten. Am Freitag war auf der Rennstrecke durch den Olympia-Park von Sotschi so gut wie kein geregeltes Training möglich. Morgens hatte eine Kehrmaschine Diesel auf der ohnehin rutschigen Piste verteilt, mittags dann der Regen eingesetzt. Und das dritte Training am Samstagvormittag wurde nach 35 Minuten abgebrochen, nachdem der Spanier Carlos Sainz jr. mit seinem Toro-Rosso-Renault vor Kurve 13 erst in der Streckenmauer landete und dann geradeaus durch die Auslaufzone in die Barrieren schoss. Es folgten die bangsten Minuten der Saison.

"Ist er okay? Das sieht übel aus"

309 km/h soll der Spanier schnell gewesen sein, als der Unfall passiert ist. Nach dem Bruch der Vorderachse und dem Aufsetzen des Autos konnte der Formel-1-Neuling praktisch nicht mehr bremsen. In diesem Bereich der modernen Rennstrecke befinden sich so genannte TecPro-Barrieren. Das sind um die 120 Kilogramm schwere Blöcke aus Plastik. Ein Teil ist mit Luft gefüllt, ein Teil mit Schaum. Sie werden nach einem bestimmten Muster wie ein Puzzle zusammengesetzt.

Übel zugerichtet: Der Toro Rosso von Carlos Sainz kracht im Training mit über 300 km/h in die Begrenzung. (Foto: Ivan Sekretarev/AP)

Doch die Sorge in Sotschi galt der sich direkt dahinter befindlichen Betonmauer. Zumal der Funkkontakt zu Sainz nach dem Aufprall sofort abgerissen war, das Auto lag tief unter den Kissen des Sicherheitssystems begraben. Die Bergung dauerte eine gefühlte Ewigkeit - nicht, weil die russischen Streckenposten und die Ärzte etwa so lange gebraucht hätten, sondern weil es schwierig war, an das Wrack heranzukommen und Vorsicht geboten war, weil schwere Verletzungen beim Fahrer vermutet werden mussten. "Ist er okay? Das sieht übel aus", funkte Teamkollege Max Verstappen besorgt an die Box, sein Ingenieur konnte nur antworten: "Wir wissen es nicht."

Er will die Ärzte von seinem Start überzeugen

Erst als der Spanier mit einer Halskrause und festgeschnallt auf der Trage in den Krankenwagen geschoben wurde und einen Daumen nach oben reckte, konnte man davon ausgehen, dass der spektakuläre Unfall wohl doch glücklich verlaufen war. Ein Körperscan im Hospital bestätigte die Annahme, alles unversehrt. Der Rookie wurde mit einem Helikopter für genauere Untersuchungen in eine Klinik gebracht, die er bereites am Abend aber wieder verlassen konnte. Der Sohn des ehemaligen und gleichnamigen Rallye-Weltmeisters twitterte nach der Untersuchung schon wieder munter: "Ich bin aus dem Krankenhaus. Wie ihr sehen könnt, bin ich okay. Ich habe noch ein paar Schmerzen von dem Crash, aber ich hoffe, dass ich morgen in guter Verfassung aufwache und fahren kann. Es ist meine Absicht, aber wir müssen natürlich vorsichtig sein."

(Foto: Screenshot/Twitter)

Zu einem möglichen Renneinsatz hatte sich Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost unmittelbar nach dem Unfall allerdings skeptisch geäußert. "Das hat jetzt nicht Priorität. Wir wollen kein Risiko eingehen", hatte Tost gesagt. Einen technischen Defekt am Auto schließen die Toro-Rosso-Techniker aus, die Cockpit-Kamera zeigt, dass Sainz kurz vor dem Crash noch etwas am Lenkrad verstellt, vermutlich die Bremsbalance. Sonst hätte man Sainz' Kollegen Max Verstappen, der sich als Neunter qualifizierte, wohl ebenfalls nicht starten lassen.

Die Unfallbilder weckten natürlich schreckliche Erinnerungen an den Unfall von Jules Bianchi vor einem Jahr beim Großen Preis von Japan, obwohl das Geschehen kaum miteinander vergleichbar war. Der Franzose war bei schlechter Sicht mit überhöhtem Tempo von der regennassen Strecke in Suzuka abgekommen und in einen Bergungskran gerast. Nach Monaten im Koma starb Bianchi am 17. Juli an den Folgen des Unfalls. Der Crash von Carlos Sainz jr. belegt vielmehr, dass die Formel 1 so sicher scheint wie noch nie.

(Foto: Screenshot/Twitter)
© SZ vom 11.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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