Qualifying in Japan:Wieder ein Crash in Suzuka: "Ich bin okay"

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Ein Jahr nach dem tödlichen Unfall von Jules Bianchi überschlägt sich auf der Formel-1-Strecke in Japan Daniil Kwjat. Der hat Glück, sich über sich selbst ärgern zu können.

Von Elmar Brümmer, Suzuka

Das mit den großen Jubiläen bekommt Lewis Hamilton gerade nicht so richtig hin. Der Tabellenführer der aktuellen WM-Wertung in der Formel 1 ging vergangene Woche in Singapur leer aus, als er seinen 41. Sieg einfahren und mit seinem Idol Ayrton Senna gleichziehen wollte, bei der exakt gleichen Anzahl von Rennen. Am Samstag in Suzuka peilte der Brite die Pole Position vergeblich an, es wäre die 50. seiner Karriere gewesen. Zwei Fehler in zwei Kurven warfen ihn am Ende der Qualifikationsstunde zum Großen Preis von Japan um die Winzigkeit von 0,0076 Sekunden hinter seinen Teamkollegen Nico Rosberg zurück.

Der Wiesbadener hatte nach seiner zweiten Samstagsbestzeit in dieser Saison dafür Historisches zu vermelden. Mit Pole Position Nummer 17 zieht er in der ewigen Bestenliste mit dem dreifachen Weltmeister Jackie Stewart gleich. In einem Sport der Zahlen gelten solche Statistiken etwas. Rosberg, der seine Titelchancen schon dahinschwinden sah, hatte noch einen weiteren persönlichen Grund zur Freude: Er widmete den Erfolg seiner Mutter Sina, die am Samstag Geburtstag hatte.

Beide Silberpfeile in der ersten Startreihe, zum zehnten Mal in dieser Saison. Das war für Mercedes-Teamchef Toto Wolff nach dem Debakel von Singapur samt einer Vielzahl von Verschwörungstheorien und erhöhter Nervosität im Spitzenreiter-Rennstall eine beruhigende Nachricht. Mercedes ist wieder da, wieder vorn. Rosberg soufflierte: "Dass wir wieder so stark sind wie gewohnt, ist ein gutes Comeback des Teams. Wir haben den Turnaround geschafft. Es war schon eine Erleichterung zu sehen, dass es weiterhin so gut läuft bei uns."

Streckencharakteristik, Reifennutzung und Temperaturen kommen dem schnellsten Auto der Saison entgegen - Sebastian Vettel, der Überraschungssieger in Singapur, hatte 0,661 Sekunden Rückstand. Das unterstreicht den generellen Aufwärtstrend von Ferrari, aber unter normalen Umständen reicht es noch nicht zum Überholen von Mercedes. Vettel hatte damit wohl gerechnet: "Singapur war eine große Überraschung, hier ist alles wieder normal. Gerade das Ende der Session hat uns Mut gegeben. Aber wenn alles normal läuft, werden die Silbernen wieder vorn sein."

Der Ferrari-Teamchef findet Vettel besser als Schumacher - charakterlich

Vettel aber bekommt das größtmögliche Lob von einem seiner Bosse. Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene hat ihn mit Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher verglichen. "Viele haben gesagt, dass Seb nur gewann, weil er das bessere Auto hatte und in bestimmten Augenblicken habe ich das auch gedacht. Heute, wo ich mit ihm arbeite, kann ich sagen, dass er in gewisser Hinsicht sogar besser ist als Michael", sagt er dem Corriere della Sera. Auf die Frage, ob technisch oder vom Charakter her, antwortete Arrivabene: "Vom Charakter her, denn Michael war ein Introvertierter, der sich nur einem engen Personenkreis öffnete. Seb strahlt mehr aus, die Jungs empfinden ihn als einen der ihren. Wenn er dann seine Meinung sagen muss, weicht er keinen Millimeter zurück."

Zurück nach Suzuka: Im Vorjahr stand Rosberg ebenfalls auf der Pole Position in Japan, der Sieg im Abbruchrennen nach dem Unfall von Jules Bianchi aber ging an Hamilton. Niki Lauda muss als Aufsichtsratsvorsitzender im Mercedes-Rennstall Neutralität wahren, was er auch versuchte. Aber seine Präferenz ist klar: "Mercedes kann sich freuen. Nico wird das für seine Psyche gut tun. Aber so einfach geht seine Rechnung nicht auf, der Lewis wird auf der Lauer liegen und sich wehren." Toto Wolff erklärte: "Singapur war ein Ausreißer, da haben wir uns im Set-Up des Autos vertan. Hier haben wir zurück zu unserer Form gefunden. Es sind immer die Kleinigkeiten, die zwischen den beiden entscheiden."

Kwjat: "Ich bin okay"

Entscheidend für den Ausgang der letzten Qualifying-Runde war aber eine dramatische Szene. Bei 0:36 Sekunden wurde die Uhr gestoppt, das Zeitenfahren abgebrochen - die Favoriten waren gerade auf dem Weg zu ihrer zweiten Chance um die Pole Position. Der Russe Daniil Kvyat war auf dem Weg in die Haarnadelkurve mit einem Hinterrad auf den Seitenstreifen gekommen, auf dem rutschigen Rasen verlor er erst die Kontrolle über das Heck, dann über den ganzen Rennwagen. Der schoss durch die Auslaufzone, knallte erst mit dem Heck in die Leitplanken, wurde angehoben, überschlug sich dann und schlug wieder in die Barrieren ein. Als sich das Auto zum Stillstand gedreht hatte, war es ein Wrack, zahlreiche abgerissene Fahrzeugteile lagen um das Monocoque herum.

Auf die bange Frage von der Box nach dem Befinden, kam es knisternd von dem 21-Jährigen zurück: "Ich bin okay." Der Suzuka International Circuit, wo die Spitzengeschwindigkeiten jenseits der 300 km/h liegen, gilt nicht umsonst als eine der Strecken, auf denen der kleinste Fahrfehler bestraft wird. Im vergangenen Jahr war Jules Bianchi mit seinem Marussia in einen Kran gerauscht, mit dem gerade ein anderes Auto neben der Strecke geborgen wurde. Bianchi erlitt dabei solch schwere Verletzungen, dass er neun Monate später starb.

Kvyat wurde vorsichtshalber im Strecken-Hospital durchgecheckt. "Gott sei Dank sind die Autos heute so", kommentierte Lauda auf RTL, "aber der Nacken wird ihm morgen trotzdem weh tun." Kvyat dachte schon mehr an den Schaden am Auto als an seine Gesundheit: "Die Enttäuschung ist größer als der Schmerz. Ich ärgere mich über mich selbst, ein Anfängerfehler. Der Crash war die logische Konsequenz. Mir tut es leid für die Mechaniker, dass ich ihnen Arbeit bereite."

© SZ vom 27.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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