Qualifikation:Freie Fahrt ins Ungewisse

Lesezeit: 2 min

Hamilton jubelt, Rosberg schaut zu - solche Bilder würde der 31-Jährige künftig gerne vermeiden. (Foto: Valdrin Xhemaj/dpa)

Lewis Hamilton gewinnt die Qualifikation zum GP von England, Nico Rosberg wird Zweiter. Viel wichtiger: Sie kollidierten nicht.

Von Elmar Brümmer, Silverstone

Die Qualifikationsstunde der Formel 1 reicht noch nicht zum Praxistest für den verschärften Nicht-Angriffspakt zwischen den Mercedes-Streithähnen Nico Rosberg und Lewis Hamilton. Mit ausreichend Abstand waren die beiden am Samstag hintereinander auf der Strecke von Silverstone in Richtung Bestzeit unterwegs. Am Ende hatte Lokalmatador Hamilton die Fahrzeugnase um 0,319 Sekunden vorn und damit seine sechste Pole-Position im zehnten WM-Lauf der Saison herausgefahren. Zur Berührung zwischen dem Briten und dem Deutschen kam es dann doch noch - Rosberg drückte dem Rivalen noch vor dem offiziellen Erinnerungsfoto mit dem Drittplatzierten Max Verstappen kurz die Hand. Die Geste entspricht der neuen Personalpolitik beim Champions-Team: Bei aller Rivalität soll der Umgang miteinander künftig von mehr Respekt geprägt sein.

Es war kein Tadel, den Teamaufsichtsrat Niki Lauda am Samstag in Richtung Hamilton aussprach. "Lewis könnte uns vielleicht etwas weniger Herzklopfen bereiten", sagte er. Der Titelverteidiger hatte schon früh im dritten Abschnitt eine Fabelzeit hingelegt, doch fünf Minuten später wurde ihm diese aberkannt, weil er seinen Silberpfeil über die Kurvenbegrenzung hinaus hatte tragen lassen. Das hätte Startplatz zehn bedeutet. Entsprechend groß war die Anspannung bei Mercedes - und der Druck auf Hamilton. Doch der ließ sich wie gehabt von der Begeisterung der Zuschauerkulisse tragen und schob sich kurz vor Schluss mit einer aggressiv-kontrollierten Runde wieder an die Spitze für das Rennen am Sonntag (14 Uhr). "Ich liebe es, den harten Weg zu gehen", sagte er. Der Kurs liegt dem überlegenen Auto der Hybrid-Ära. Weshalb Lauda davon ausgeht: "Wenn unsere beiden normal durch die erste Kurve kommen, dann können sie sich absetzen, davon gehe ich aus. Nico ist nicht chancenlos."

Rosberg kann sich Seitenhieb nicht verkneifen

Die ersten 300 Meter in Silverstone können die Entscheidung bringen, weil danach schwer überholt werden kann. Das Tückische auf der Geraden ist der geringe Grip, schon im Vorjahr waren beide Silberpfeile dort überholt worden. Auch Rosberg rechnet sich aus der zweiten Position etwas aus, mit einem kleinen Seitenhieb: "Die Starts sind ja keine Stärke von Lewis."

Genau das bringt nach dem silbernen Crash in der letzten Runde von Spielberg und der von Teamchef Toto Wolff am Donnerstag ausgesprochenen "letzten Warnung" von Anfang an Spannung ins Rennen. Es drohen Geldstrafen oder eine Suspendierung, falls die beiden sich wieder ins Auto fahren. "Ich bin hundertprozentig sicher, dass die beiden die Botschaft verstanden haben", glaubt Wolff. "Ja", beantwortet auch Hamilton auf Deutsch die entsprechende Frage nach der 55. Pole-Position seiner Karriere, "ich werde versuchen, nicht mehr in diese Situation zu kommen." Rosberg souffliert: "Es ist ziemlich klar. Aber das Gute daran ist, dass wir weiterhin frei unsere Rennen fahren können."

"Sind hier, um unseren Job zu machen"

Allerdings ändere das für den Rennstart am Sonntag wenig an der Vorgehensweise: "Wir werden fahren wie immer, nur mit der Warnung im Hinterkopf. Das heißt nicht, dass es weniger hart werden muss", sagt Hamilton, der gern sein Vorbild Ayrton Senna zitiert: "Ein Rennfahrer, der nicht mehr die Lücke sucht, ist kein Rennfahrer mehr." Rosberg und er betonen, dass sie nie die Absicht gehabt hätten, dem Kollegen ins Auto zu fahren. Man werde auch weiterhin versuchen, das zu vermeiden. "Seit wir 13 sind, gibt es diesen harten Wettbewerb. Außerhalb der Strecke gehen wir normal miteinander um, auf der Piste herrscht harter Wettbewerb. Das muss auch so sein. Wir sind hier, um unseren Job zu machen, es geht für jeden um die Karriere und die Zukunft", so Rosberg.

Toto Wolff will nichts mehr zur ganzen Sache sagen. Deshalb wiederholen wir in diesem Zusammenhang gern seine Ansage: "Das Schicksal liegt in den Händen der Fahrer." Freie Fahrt ins Ungewisse.

© SZ vom 10.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: