Portugal - Schweiz:Es muss ja nicht immer Ronaldo sein

Lesezeit: 2 min

Portugal lässt sich von der Hysterie um Cristiano Ronaldo nicht verunsichern und wird beim 2:0 gegen die Türkei seiner Favoritenrolle gerecht. Die Tore erzielte allerdings nicht der Spieler von Manchester United, sondern es trafen ein Verteidiger und ein Joker.

Johannes Aumüller

Was macht denn da Portugals Pepe in der 17. Minute? Schraubt er sich doch tatsächlich ohne Skrupel in die Höhe, überspringt seine Gegenspieler und köpft den Ball ins Netz. An für sich ist es natürlich nicht überraschend, dass sich der kopfballstarke Innenverteidiger von Real Madrid im Luftkampf durchsetzt; überraschend ist nur, dass es in Portugals Nationalmannschaft offenkundig noch andere Spieler außer Cristiano Ronaldo gibt.

Kein Tor, aber nach schwächerer Anfangsphase ein überzeugendes Spiel: Cristiano Ronaldo. (Foto: Foto: AFP)

So viel und so intensiv war in den vergangenen Tagen über den 23-Jährigen von Manchester United gesprochen und geschrieben wurden, dass man den Eindruck bekommen konnte, die Seleccao von Luiz Felipe Scolari bestehe nur aus diesem Cristiano Ronaldo. ZDF-Moderator Johannes B. Kerner radikalisierte die Sache kurz vor dem Anpfiff noch ein bisschen, indem er vorschlug, Ronaldo doch einfach elf Mal in der Aufstellung abzubilden - so agil und beweglich sei der.

Wer daran zweifelte, Portugal könne allein mit Ronaldo auf dem Platz ein Spiel gewinnen, musste aber zumindest annehmen, dass die Fernsehanstalten eigens für ihn nicht nur eine, sondern mindestens fünf Kameras aufgestellt haben. Um ja jede Bewegung der Arme, jedes Streifen durchs gegelte Haar, jedes Zucken mit dem linken Mundwinkel genau zu dokumentieren.

Doch was diese Kameras in der ersten Viertelstunde einfangen konnten, war nicht viel. Auf dem Ronaldo-Spezialbeobachtungszettel war nur zu vermerken: nach 23 Sekunden die erste Ballberührung, nach fünf Minuten der erste Fehlpass, nach zehn Minuten die Feststellung, dass Ronaldo noch keine nennenswerte Aktion hatte und nach 15 Minuten wiederum die Feststellung, dass Ronaldo immer noch keine nennenswerte Aktion hatte. Von daher tat es dem portugiesischen Spiel durchaus gut, dass Pepe den Ball ins Tor köpfte - auch wenn der Treffer wegen strittiger Abseitsstellung nicht zählte. Kurz danach hatte die Scolari-Elf tatsächlich noch eine weitere gute Chance ohne Ronaldo-Beteiligung: Simao setzte einen Freistoß knapp neben das Tor (28.).

Danach dachte sich Ronaldo wohl, dass er die Initiative nicht dauernd diesen Pepes und diesen Simaos überlassen könne und er sich den Kameras und den 30.000 Zuschauern in Genf mal etwas anders zeigen müsse. Nach einer halben Stunde packte er erstmals die Trickkiste aus, umkurvte mit einem Tempo-Dribbling drei Gegenspieler, konnte aber nicht richtig abschließen - und nahm diese Szene als Anlass, dem Spiel ab sofort seinen Stempel aufzudrücken. Knapp zehn Minuten später überließ er Simao nicht noch einmal die Freistoß-Ausführung, sondern schritt selbst zur Tat: Diagonal durch den ganzen türkischen Strafraum flog der Ball, Torhüter Volkan berührte ihn noch leicht und lenkte ihn so an den Pfosten.

Brillante Momente von Ronaldo

Die Portugiesen hatten die erste Hälfte fest im Griff, nutzten ihre Torchancen aber nicht. Nach dem Seitenwechsel musste für die Türken ein zweites und ein drittes Mal das Gestänge retten: Portugals Angreifer Nuno Gomez nutzte erst einen Patzer von Gökhan und schoss aus 16 Metern an den Pfosten (50.) und setzte später den Ball an die Latte (64.). Ronaldo brillierte in drei weiteren Szenen (eine Kopfball-Vorarbeit auf Gomez, ein Dribbling, eine Flanke), doch auch sie blieben ohne Torerfolg.

Nach einer guten Stunde wurden die Bemühungen jedoch belohnt. Da dribbelte sich einer der in Rot gekleideten Portugiesen elegant nach vorne, spielte einen Doppelpass mit Nuno Gomez und vollstreckte zur längst verdienten 1:0-Führung für die Seleccao. Und nein, es war nicht Cristiano Ronaldo, es war der Innenverteidiger Pepe. Dafür durfte sich der Manchester-Angreifer wenigstens die Kapitänsbinde überstreifen, als Spielführer Nuno Gomez nach knapp 70 Minuten das Feld verließ. Mit dieser Würde am Oberarm ließ es sich gleich noch besser spielen, und so leitete Ronaldo kurz vor Schluss das 2:0 ein. Ronaldo bediente Joao Moutinho, dessen Weiterleitung wiederum der eingewechselte Raul Meireles nutzte zum 2:0 gegen die Türkei, die insgesamt viel zu harmlos war.

© sueddeutsche.de/tbc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: