Pokalfinale im Handball:Thriller bis zum letzten Wurf

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Nach vier Finalniederlagen in Serie gewinnt die SG Flensburg endlich wieder den Pokal - aber erst nach einer hochspannenden Partie und einem Siebenmeterwerfen gegen den SC Magdeburg.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Der Welttrainer des Jahres 2014, Ljubomir Vranjes, umarmte auf der Bühne das Flensburger Maskottchen "Sigi Möwe", Kapitän Tobias Karlsson bekam den 3,5 Kilogramm schweren versilberten Messing-Pokal von Uwe Schwenker überreicht, dem Präsidenten der Handball-Bundesliga (HBL). Und Dierk Schmäschke, der Manager der SG Flensburg, hörte gar nicht mehr auf zu reden, so glücklich war er über den ersten Pokalsieg seit 2005 nach zuletzt vier verlorenen Endspielen in Serie. Er habe keine Lust mehr gehabt, einem siegreichen Gegner zu gratulieren, teilte er mit. Man weiß nicht, ob Vranjes es ernst meinte, aber nach dem 32:31 nach Siebenmeterschießen gegen den SC Magdeburg sagte er: "Wenn wir nach diesen vier Jahren wieder verloren hätten, hätte ich aufgehört."

Es war eine Premiere bei der 23. Auflage des Pokal-Final-Four. Zum ersten Mal wurde das Endspiel im Siebenmeterwerfen entschieden, nachdem es zur Pause 11:11, am Ende der 60 Minuten 24:24 und nach der zehnminütigen Verlängerung 27:27 gestanden hatte. Erst in der 70. Minute hatte Anders Zachariassen nach Zuspiel von Jim Gottfridsson erneut den Ausgleich für die in der zweiten Halbzeit meist knapp im Rückstand liegende SG Flensburg erzielt. Und ausgerechnet Magdeburgs cooler Siebenmeterspezialist Robert Weber vergab als einziger zu Beginn, während seine Kollegen ebenso wie die Flensburger Anders Eggert (insgesamt mit neun Treffern bester Schütze), Lasse Svan, Ahmed Elahmar, Gottfridsson und am Schluss Hampus Wanne (wie Elahmar ein Mann aus der zweiten Reihe im Kader) verwandelten.

Erlösung am Sonntagabend: Flensburgs Handballer, die auch das Halbfinale knapp gewonnen hatten, jubeln nach einem anstrengenden Wochenende. (Foto: Witters)

"Mehr Handball geht nicht", fand HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann, "es war eine Weltklasse-Werbung für den Handball." Schon am Samstag hatte es in der mit 13 300 Plätzen ausverkauften Hamburger Arena eine "rauschende Ballnacht" (Bohmann) gegeben mit zwei dramatischenHalbfinalspielen. Flensburg hatte 24:23 gegen die Rhein Neckar Löwen und Magdeburg 27:26 gegen Titelverteidiger Füchse Berlin gewonnen und damit die Neuauflage des Vorjahrsfinales verhindert.

Dass es für die Magdeburger, die bislang nur 1996 den Pokal gewannen und zuletzt 2002 an der Endrunde teilnahmen, nicht reichte, hatte wohl mit jenen sportlichen Zufällen zu tun, die manchmal so ein Spiel entscheiden. Oder, wie es ihr Trainer Geir Sveinsson ausdrückte: Es hätte "nach links oder rechts gehen können". Denn sowohl das starke Torhüter-Paar Jannick Green und Dario Quenstedt als auch die Rückraumspieler Jure Natek (6 Tore) und Marko Bezjak (5 Tore, wurde zum besten Spieler des Turniers gewählt) hatten die Form, diese Partie zu gewinnen. Zudem peitschten auch Nationalspieler Matthias Musche, Jacob Bagersted und Fabian van Olphen sich und die Fans immer wieder nach vorn. "Wir hatten", so Flensburgs Torhüter Mattias Andersson, "gar keine Zeit, zu denken." So schnell war das ausgeglichene Spiel.

Vielleicht aber scheiterte Magdeburg doch an der, so Vranjes, inzwischen gut ausgebildeten Flensburger Sieger-Mentalität. Spätestens seit dem Champions-League-Gewinn 2014 weiß das SG-Team, dass es Endspiele gewinnen kann. Und neben Eggert und Johan Jakobsson (mit 13 Treffern bester Torschütze des Turniers) mischte auch der einzige Deutsche in der Flensburger Skandinavien-Auswahl noch einmal mit. Weltmeister Lars Kaufmann, 33, dessen Vertrag nicht verlängert wurde und der nach Göppingen zurückkehrt, packte noch viermal seine gewaltige Wurfhand aus. Danach sagte er: "Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören." Damit überspielte er, wie gerne er geblieben wäre.

Doch die Flensburger basteln schon an ihrer neuen Mannschaft. Aus Hamburg kommt Petar Djordjic zurück. Ebenfallsvom HSV kommt Henrik Toft Hansen und aus Kiel zudem Spielmacher Rasmus Lauge. Am Sonntagabend aber hat die alte Crew noch einmal ordentlich gefeiert. Alle Fans wurden daheim in die Flens-Arena eingeladen.

Bitter endete das Mini-Turnier für die Rhein-Neckar Löwen. Zum achten Mal waren sie zum Final Four nach Hamburg gereist, zum achten Mal fuhren sie ohne Pokal heim. Nach der Niederlage gegen Flensburg, bei der sie eine 17:13-Führung verspielten, sagte Uwe Gensheimer, der mit elf Toren mal wieder bester Schütze der Mannheimer war: "Es tut sehr weh, hier wieder ohne Erfolg abzureisen." Das zieht sich wie ein Faden durch die titellose Geschichte des Klubs. Denn auch in der Bundesliga werden sie wohl erneut am THW Kiel scheitern, der vor einem Jahr mit nur zwei Toren Vorsprung die Meisterschaft verteidigte. Vielleicht muss doch mal ein Psychologe her, um den Löwen jene Sieger-Mentalität zu vermitteln, die die Flensburger inzwischen besitzen.

© SZ vom 11.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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