Pokalfinale im Handball:Mit den Kräften am Ende

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Zäher Kampf: Flensburgs Lasse Svan (links) versucht vergeblich, Magdeburgs neunmaligen Torschützen Michael Damgaard zu stoppen. (Foto: Jan Hübner/imago)

Der SC Magdeburg feiert den zweiten Pokal-Gewinn seiner Klubgeschichte durch ein 32:30 über Titelverteidiger Flensburg - und korrigiert damit eine mäßig verlaufene Saison.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Erst küsste Trainer Bennet Wiegert seinen Abwehrchef Finn Lemke, dann wurden die Pokalsieger-Hemden herausgeholt mit der Aufschrift: "Im Rücken die grüne Wand, den Pokal in der Hand." Kapitän Fabian van Olphen legte noch eine grün-rote Schärpe um, bevor er die Trophäe aus der Hand von Uwe Schwenker entgegennahm, dem Präsidenten der Handball-Bundesliga (HBL). 32:30 (14:12) hatte der SC Magdeburg das Pokalfinale gegen den favorisierten Titelverteidiger SG Flensburg-Handewitt gewonnen. Das Magdeburger Team wollte gar nicht mehr aufhören, mit seinen Anhängern in der wie immer mit 13 200 Zuschauern ausverkauften Hamburger Arena zu feiern. Wobei Europameister Lemke ankündigte, nach der Rückkehr in Magdeburg werde "die Sau erst richtig rausgelassen".

"Da konnten einem Schauer über den Rücken laufen", schwärmt Liga-Geschäftsführer Bohmann

Vor genau 20 Jahren, am 1. Mai 1996, hatte der SCM den Pokal zum ersten Mal in Hamburg gewonnen, mit einem 20:18 über TuSEM Essen. Es war der Beginn einer sehr erfolgreichen Zeit im wiedervereinigten Deutschland, die der SC Magdeburg 2002 international krönte mit dem Champions-League-Triumph. Der jetzige Erfolg war dagegen der eines echten Pokalteams. In der Bundesliga dümpeln die Elbe-Städter nur auf Rang zehn herum, der isländische Trainer Geir Sveinsson wurde im Dezember entlassen und durch den früheren Profi Wiegert ersetzt. Der 34-Jährige, der selbst noch aussieht wie ein Spieler, war extrem angefasst. "Mir fehlen selten die Worte", sagte er, aber diesmal schon: Es hätten ja nicht viele Leute geglaubt, dass Magdeburg die Halle als Pokalsieger verlässt, "aber diejenigen, die es geglaubt haben, die waren in meiner Mannschaft".

Es war ein verdienter Sieg. Nur einmal, kurz vor der Pause, kamen die Flensburger, die schon früh 1:6 zurücklagen, bis auf einen Treffer heran. Da erzielte Jim Gottfridsson das 12:13. Doch die Magdeburger waren eindeutig die frischere Mannschaft. Bei der SG Flensburg hingegen war "der Akku leer", wie Manager Dierk Schmäschke feststellte. Erst das bittere Aus in der Champions League am Mittwoch in Kielce, als ein klarer Siebenmeter in den letzten Sekunden nicht gegeben wurde; dann der Kraftaufwand im grandiosen Halbfinale am Samstag gegen Bundesliga-Tabellenführer Rhein Neckar Löwen (31:30 nach Verlängerung). Das war auch den Flensburger Profis zu viel, über die Schmäschke noch am Vortag gesagt hatte: "Die werfen in den wichtigen Spielen alles in die Waage. Diesen Charakter haben alle in sich."

Die Magdeburger dagegen, die im Halbfinale gegen den Bundesliga-Abstiegskandidaten Bergischer HC nicht gerade geglänzt hatten (36:33 nach Verlängerung), nahmen noch einmal alle Energie zusammen. Dabei hatten auch sie ein Misserfolgserlebnis zu verarbeiten, denn unter der Woche waren sie im EHF-Pokal gegen Frisch Auf Göppingen ausgeschieden. Doch jetzt konnten sie sich auf mindestens fünf Leute verlassen. Es begann damit, dass Keeper Jannick Green so präsent war, dass die Flensburger Werfer an ihm verzweifelten. Vor ihm zeigte sich die Abwehr mit den Riesen Lemke (2,11 Meter) und Zeljko Musa (2,00 Meter) nur schwer überwindbar. Und vorn hatte man mit Robert Weber den besten Schützen aller vier Teams: Im Halbfinale verbuchte er zwölf Treffer, im Endspiel zehn - sechs Siebenmeter und vier Feldtore. Dazu kam Michael Damgaard, der neun Tore erzielte und später als bester Spieler des Turniers gekürt wurde.

SCM-Nationalspieler Michael Haaß hat die Geschehen so beschrieben: "Das passt eigentlich nicht zu unserem Saisonverlauf." Aber man habe alles Negative vergessen und alles habe funktioniert. Anders als bei den matten Flensburgern, wo der bewährte Siebenmeterschütze Anders Eggert, der in der Partie gegen die Rhein-Neckar Löwen drei Sekunden vor Schluss den Ball cool über Löwen-Keeper Mikael Appelgren gehoben hatte, gleich zweimal scheiterte. Danach war er nicht mehr zu gebrauchen. Auch die Sperre von Spielmacher Rasmus Lauge, der am Samstag die rote Karte sah, fiel ins Gewicht. Er wäre wohl der richtige Mann gewesen, um sich zwischen den Riesen Lemke und Musa durchzuwuseln.

Es war wieder ein großes Pokal-Wochenende im deutschen Wembley des Handballs. 48 Länder übertrugen die Spiele, und HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann lobte erneut den Austragungsort Hamburg. Er war auch begeistert über den gebotenen Sport: "Was die Teams geleistet haben, dafür konnten einem Schauer über den Rücken laufen."

Das galt im Übrigen auch für die Rhein-Neckar Löwen, die zum neunten Mal nach dem Final Four ohne Pokal nach Hause fuhren, zum dritten Mal nacheinander nach einer Niederlage gegen Flensburg. Ihr Trainer Nikolaj Jacobsen stützte den Kopf zwischen die Hände und sagte: "Letztes Jahr war es schon schlimm, diesmal ist es noch schlimmer." Löwen-Manager Lars Lamadé versicherte indes trotzig: "In Hamburg ist der Wurm drin, aber wir werden es ein zehntes Mal versuchen."

© SZ vom 02.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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