Philip Brook:"Wimbledon unter Tage - das geht"

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"Kate spielte ihr Leben lang Tennis": Mit Ehrengästen wie Prinz William und Gemahlin kann Turnierchef Philip Brook (rechts) sogar etwas fachsimpeln. (Foto: firo)

Der Vorsitzende des All England Club leitet das wichtigste Grand-Slam-Turnier. Ein Gespräch über die royale Box, umstrittene Traditionen und Pläne, in den Untergrund zu gehen.

Interview von Gerald Kleffmann

Philip Brook ist Vorsitzender des berühmtesten Tennisvereins der Welt, er leitet den All England Lawn Tennis and Croquet Club. Damit ist er auch der Gastgeber des renommierten Grand-Slam-Turniers in Wimbledon. Der studierte Mathematiker arbeitete in hohen Positionen im Finanzdienstleistungsgeschäft, ehe er 2009 pensionierte. In Wimbledon hat er schon früh mitgewirkt, der heute 59-Jährige fing damit an, die Ergebnisschildchen, die es damals gab, zu stecken. Der Vater zweier Töchter ist seit 2011 in der Verantwortung und hat auch jede Menge repräsentative Aufgaben zu erfüllen. Vor allem an einem sehr speziellen Ort.

SZ: Mr. Brook, Herzogin Kate und Prinz William waren gerade erst als Zuschauer in der berühmten Royal Box auf dem Centre Court. Wie plauscht man mit solch ehrenwerten Gästen?

Philip Brook: In diesem Fall ist das wirklich interessant. Kate spielte ihr Leben lang Tennis. Sie ist immer noch eine gute Spielerin. Auch ihre Schwester spielt. Prinz William ist wegen Kate wiederum mehr am Tennis interessiert. Wir haben hauptsächlich wirklich nur über Tennis geredet. Was los ist in Wimbledon, was war früher, solche Sachen. Sie ist eine reizende Lady.

In der königlichen Box herrscht ja ein ziemliches Kommen und Gehen.

Ja, wir versuchen, vielen Gästen gerecht zu werden. 80 Personen können dort sitzen, und wir versuchen, immer wieder eine gute Mischung aus königlichen Gästen dort zu empfangen. Prinz Albert von Monaco war kürzlich auch da. Aber natürlich haben wir auch Gäste aus dem Tennis, frühere Champions, die Vorsitzenden der anderen Grand Slams, Regierungsvertreter, manchmal auch Personen vom Film oder Theater. Aber unser Ziel ist es nicht, eine Celebrity-Show in der Box zu machen.

Können sich die Gäste bewerben?

Nein. Wir laden ein. So vermeiden wir auch, dass die royale Box überbucht wird ( lächelt).

Drei Könige waren Schirmherr von Wimbledon, seit 1952 ist Queen Elizabeth II. Schirmherrin. Sie kommt nicht oft, wie sieht es am Wochenende aus?

Ich kann dazu nichts kommentieren. Sie war 2010 das letzte Mal hier. Es war für uns phantastisch, sie empfangen zu dürfen. Davor war sie 1977 hier. Sie kommt eher unregelmäßig, sie hat ja einen vollen Terminkalender. Aber sie weiß, dass sie immer herzlich willkommen ist. Der Duke of Kent, unser Klub-Präsident, wird auf jeden Fall anwesend sein.

Wie wichtig ist dieser Ort für den Mythos Wimbledon?

Zunächst mal ist die royale Box eine schöne Gelegenheit für uns, uns bei Vielen zu bedanken. Aber natürlich erzeugt sie Aufmerksamkeit, auch bei denen, die eigentlich nur kommen, um Tennis zu sehen. Dieser Tatsache sind wir uns bewusst.

Was macht für Sie, der das Turnier von innen kennt und lebt, Wimbledon aus?

Für mich geht es viel um die Bedeutung und Verantwortung, das älteste der Grand Slams zu sein. Traditionen sind uns wichtig. Wir arbeiten hart daran, diese aufrechtzuerhalten und uns gleichzeitig zu modernisieren. Leute kommen zu uns, die einige Jahre nicht in Wimbledon waren, und sie sagen: Oh, nichts hat sich geändert! Dabei hat sich viel verändert. Die Grasplätze sind natürlich Teil unserer DNA, die weiße Kleidung auch, die uns begeistert. Und wir begrüßen es sehr, dass die Anlage sehr rein ist im Sinne von werblichen Aktivitäten. Die Werbung, die wir zulassen, ist moderat platziert. Viele Partner mögen das sogar. Sie schätzen, Teil von etwas Einzigartigem zu sein, wo Traditionen gepflegt werden.

Und die berühmte Queue? Tennisfans, die kein Ticket haben, zelten und stehen dann ewig an, um Einlass zu finden.

Manchmal kommen Leute und fragen: Warum beendet ihr die Queue nicht und verkauft die Tickets online? Das wäre tatsächlich weniger Arbeit. Aber diese Schlange ist eine unserer Traditionen. Sich in Wimbledon einzureihen, haben Hunderttausende über die Jahre gemacht. Sie lieben die Erfahrung. Es geht ihnen nicht darum, so schnell es geht durchzukommen. Es ist Teil ihres Tages. Wir reden deshalb auch nicht darüber, die Queue zu ändern.

Die strenge Weiße-Kleidung-Regeln hat viele Debatten ausgelöst. Selbst der schwarze Rand eines BHs von Eugenie Bouchard wurde angemahnt. Roger Federer nannte die Regeln schon vor dem Turnier "lächerlich streng". Wie denken Sie über diese Kritik?

Man muss Rogers Aussage in den richtigen Kontext setzen. Er selbst ist ja eine historische Person hier, als solche weiß er aus Film- und Fotoaufnahmen, wie es in den Siebzigern war, mit Björn Borg und den anderen Größen. Die Regel war damals weniger streng. Wir haben das geändert und achten darauf, dass die Spieler die Regeln beachten. Ich denke, Roger würde etwas mehr Farbe bevorzugen, ein paar andere auch. Aber wir haben Untersuchungen gemacht: Die meisten der Spieler mögen die weiße Kleidung, die ja sonst nie getragen wird. Es gibt viel Unterstützung, dass wir die Tradition beibehalten.

Der spielfreie Sonntag ist ebenfalls einzigartig, sorgt aber für einen strammen Spielplan. Er ist trotzdem unantastbar, oder?

Es kursieren so viele Mythen, warum wir am Sonntag nicht spielen. Es gibt nur einen Grund: Wir spielen auf Rasen. Der mittlere Sonntag erlaubt es dem Team, die Plätze so zu wässern, wie es unter der Woche nicht geht. Am Samstagabend, weil ja am Sonntag nicht gespielt wird, kann viel mehr Wasser gegossen werden. Wir messen jeden Abend die Härte des Platzes, die sich mit jedem Tag erhöht, an dem gespielt wird. Durch das Wässern geht die Härte etwas zurück. Das ist alles.

Es werden wieder fast eine halbe Million Menschen auf die Anlage gekommen sein. Haben Sie nicht Bedenken, dass der Platz eines Tages nicht mehr reicht?

Jede Anlage ist beschränkt durch ihre Größe, und richtig ist, dass die Anforderungen an uns steigen, weil auch die Bedürfnisse all jener steigen, die kommen. Spieler wünschen sich mehr Einrichtungen, medizinische etwa, Räume für Eisbäder, für Stretching. Vor drei Jahren haben wir einen Masterplan entworfen, was in den nächsten zehn, 20 Jahren passieren soll. Der Bau eines verschiebbaren Daches über Court No. 1 ist wichtig, es soll 2019 fertig sein. Eine der großen Lösungen ist, in den Untergrund zu gehen.

Wimbledon unter Tage - das geht?

Ja, das geht. Wir haben, ein Beispiel, ja schon die Plätze 14 und 15 hinter dem Centre Court abgegraben, darunter einen riesigen Keller gebaut - dann kamen wieder die Plätze drauf. Dieses Jahr haben wir 14 und 15 erstmals wieder benutzt, unten sind nun Räume für die Ballmädchen und -jungen, für die Fotografen, das Medienrestaurant. Damit schaffen wir uns woanders Freiräume. Es gibt weitere Pläne, um Platz zu schaffen. Außerhalb der Anlage könnten wir uns vorstellen, das Gelände, das wir an den benachbarten Golfplatz verpachtet haben, nach Ablauf des langjährigen Vertrags für neue Plätze zu nutzen. Was uns interessieren könnte, ist, das Qualifikationsturnier näher nach Wimbledon zu bringen. Es findet bislang in Roehampton statt, einige Meilen entfernt. Dass auf dem Gelände dort ein Hotel, ein Hubschrauberlandeplatz oder gar ein Parkhaus entstehen soll, waren übrigens nur Mediengeschichten.

Sie haben zum fünften Mal hintereinander das Preisgeld angehoben. Kein Turnier schüttet mehr Prämien aus, es sind nun 37,37 Millionen Euro. Die Sieger erhalten jeweils 2,63 Millionen Euro. Muss Wimbledon auch in diesem Punkt stets anders und voraus sein?

Zunächst einmal müssen wir nicht in jedem Punkt über den anderen Turnieren stehen, das ist nicht unser Anspruch. Aber wir spüren: Für die Spieler ist Wimbledon der Höhepunkt im Jahr. Und wir spüren, dass das Preisgeld diesen Höhepunkt widerspiegelt. Natürlich ist es viel, aber wir können es uns leisten. Wir wollen, dass die Spieler wissen, wir bereiten die Bühne für sie - und sie bieten dafür das Tennis.

Weil es um die Spieler geht.

Eigentlich geht es auch um beide. Ohne die Bühne Wimbledon gäbe es dieses Preisgeld nicht, und ohne die Spieler gäbe es dieses Turnier nicht. Es ist eine symbiotische Beziehung.

Wimbledon war immer speziell, sehr traditionsbewusst, konsequent. Wie sehr können Sie es sich leisten, auch mal arrogant zu sein, ohne sich dem Modernen zu verschließen?

Ich denke, arrogant ist nicht das Wort, das die Menschen hier mit uns verbinden. Ich sage es so: Wir streben leidenschaftlich nach Exzellenz. Wir wollen, dass das jeder spürt. Wir achten auf wirklich jedes Detail, das Sie vielleicht nicht alles wahrgenommen haben, weil sie so klein sind. Wir wollen nie zufrieden sein. Wir sind sehr selbstkritisch und besprechen auch jetzt nach dem Turnier ausgiebig: Was war gut, wo können wir uns verbessern?

Am Sonntag enden die 129. Championships, das normale Klubleben geht weiter. Wie kann man sich dieses vorstellen?

( lacht) Es ist ein ganz normaler Tennisklub. Am Montag ist die Anlage geschlossen, jeder hat den Tag frei. Am Dienstag aber ist der Klub für die Mitglieder geöffnet. Bis auf die großen Stadien können Sie überall spielen. Viele freuen sich darauf, so schnell es geht nach den Championships auf den Rasen zu gehen. Wir sind ein kleiner Klub, mit 500 Mitgliedern, das Klubleben ist lebendig, mit vielen gesellschaftlichen Aktivitäten und Matches.

Klingt gut, Mister Brook. Wo kann ich den Mitgliedsvertrag unterzeichnen?

( lacht schallend) Jeder kann sich bewerben. Sie brauchen vier Mitglieder, die Ihre Bewerbung unterstützen. Sie kommen dann auf eine Warteliste, es rücken ja nur neue Mitglieder auf, wenn andere verscheiden. Und die Mitgliederzahl ist limitiert. Der einfachste Weg für Sie, Mitglied zu werden, wäre, die Championships zu gewinnen.

Oh. Wie lang wäre denn die Warteliste? Sehr lang. Ich kann keine Zahlen nennen. Das ist ja auch Teil unseres Mythos.

© SZ vom 11.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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