Patrick Baum:Tischtennis als Therapie

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Kehrt nach dem Tod seines Vaters und Privattrainers zurück an die Platte: Patrick Baum. (Foto: AFP)

Nach dem Unfalltod seines Vaters und Trainers Arthur Baum hatte sich der frühere Junioren-Weltmeister zurückgezogen. Jetzt kehrt er bei der EM auf die internationale Bühne zurück.

Von Ulrich Hartmann, Jekaterinburg/Düsseldorf

Patrick Baum musste fortgehen, um wieder zu sich selbst zu finden. Der 28-jährige Tischtennisprofi spielt seit wenigen Wochen beim TTC Caen im Nordwesten Frankreichs nahe der Atlantikküste. Aber die Erinnerung an den 21. September 2014, der seine Karriere beinahe beendet hätte, trägt Baum in Gedanken natürlich auch dort mit sich herum. Der Tischtennissport, der sein Leben vor dem tragischen Datum bestimmt hatte, hat ihn zurück ins Leben geholt. Dass Baum seit Freitag mit der deutschen Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft im russischen Jekaterinburg spielt, ist eine gute Nachricht. Der Unfalltod seines Vaters und Privattrainers Arthur Baum ist jetzt ein Jahr her - daran erinnert ihn diese EM, denn die kontinentale Meisterschaft vor einem Jahr im portugiesischen Lissabon hatte Baum wegen dieses Schicksalsschlages versäumt. Seine Karriere hätte er danach beinahe beendet.

Der Tischtennisprofi aus dem idyllischen Weinörtchen Flörsheim-Dalsheim nahe seines Geburtsorts Worms galt neben Dimitrij Ovtcharov lange als legitimer Nachfolger des besten deutschen Tischtennisspielers Timo Boll. Baum wurde 2005 Junioren-Weltmeister und gewann bei der Einzel-EM 2010 und 2011 jeweils Silber. Tischtennis prägte das Leben der ganzen Familie. Sein fünf Jahre älterer Bruder Björn spielt in der zweiten Liga, sein Vater Arthur war Trainer beim rheinhessischen Tischtennisverband. Den tödlichen Unfall am 21. September 2014 hat der damals 65-Jährige in einem gestohlenen Fahrzeug selbst verschuldet.

"Ich habe lange pausiert - und mit mir gekämpft"

Patrick Baum hat jener Sonntag aus seinem Leben herausgerissen. Er sagte den EM-Start in Lissabon ab und hörte zwischenzeitlich sogar ganz auf, Tischtennis zu spielen. Er musste in psychologische Behandlung. "Ich habe lange pausiert", erzählt er, "und mit mir gekämpft - aber im Dezember habe ich langsam wieder angefangen zu spielen." Sein Bruder Björn hat dabei eine wichtige Rolle gespielt. Bei den German Open im März 2015 in Bremen hat Baum sein Comeback gegeben. Bei den Europaspielen in Baku hat er mit dem deutschen Team das Spiel um Platz drei gegen Österreich verloren und Bronze verpasst. Doch mehr als jede Medaille zählte, dass er den Weg zurück gefunden hatte.

Baum schaute ernst, beinahe traurig, als er an der Seite von Spielern wie Ovtcharov oder Patrick Franziska vergangene Woche in Düsseldorf für die EM in Jekaterinburg präsentiert wurde. Doch im Tischtennisteam wird viel geflachst. Wenn Ovtcharov oder der Bundestrainer Jörg Roßkopf Quatsch machen, dann muss auch Baum lachen. "Kurzfristig werde ich das Niveau von vorher wohl kaum wieder erreichen", sagt er über seine momentane Leistungsstärke, aber immerhin geht es sukzessive aufwärts.

Zum ersten Gruppenspiel der deutschen Mannschaft (3:1 gegen Polen) in Jekaterinburg trug Baum, derzeit 31. der Weltrangliste, einen 3:0-Sieg gegen Daniel Gorak bei. Beim 3:0 gegen Spanien erhielt Baum eine Pause, konnte allerdings gegen die Ukraine am Samstagvormittag wieder einen Punkt beisteuern, er gewann 3:2 gegen Alexander Dudakh. Baums zweites Einzel gegen den gebürtigen Chinesen Kou Lei ging 2:3 verloren. Trotzdem siegte die Mannschaft am Ende mit 3:2 und zog mit drei Siegen ins Viertelfinale am Sonntagnachmittag ein. Wenn alles normal läuft, spielen sie am Montag das Halbfinale und am Dienstag das Endspiel. Danach beginnen am Donnerstag die Individual-Wettbewerbe und für Patrick Baum weitere Chancen auf eine Rückkehr in die Normalität. Jeder Ballwechsel, jeder Satz und jedes Spiel ist ein kleiner wichtiger Schritt dorthin.

© SZ vom 27.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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