Olympische Spiele in Peking:Der Athlet von der Stange

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Bei den olympischen Spielen dominieren die chinesischen Athleten vor allem jene Disziplinen, wo angeblich deutschen Tugenden wie Kraft und Kondition gefordert sind.

Die Chinesen sind als Gastgeber mal richtige Spielverderber. Das ist jetzt ausnahmsweise völlig unpolitisch gemeint und bezieht sich rein auf den Medaillenspiegel. Zuletzt hamsterten die US-Amerikaner derart ungeniert Olympiasiege im eigenen Land, aber von der Allround-Supermacht war man ja nichts anderes gewohnt. Doch dass nun die freundlichen Asiaten, die anderen mit einem Dauerlächeln doch stets den Vortritt lassen und immer darauf bedacht sind, dass auch Gegner ihr Gesicht nicht verlieren, dass die nun derart Abräumen - also so was von egozentrisch. Schon in den frühen Morgenstunden blinkten zwei Agenturmeldungen mit höchster Priorität auf, die chinesische Goldmedaillen meldeten. Herr Yang Wei gewann im Kunstturnen und Liu Zige im Schmetterlings-Schwimmen.

Einerseits hat man gerade beim Turnen und Gewichtheben machmal den Eindruck, es handelte sich tatsächlich um die seit Kindesbeinen in den berüchtigen Internaten auf Erfolg getrimmte Athleten von der Stange. Gerade die jungen Turnerinnen wirken, als probten sie seit Vergabe der olympischen Spiele schon von Mamas Arm weg mit einem zweifachen Salto den Abgang in den Kinderwagen. Andererseits: Mit welcher Kraft, Kondition und Akkuratesse zu Werke gehen, ist schon beachtlich. Doch waren Kraft, Durchhaltevermögen und Kondition nicht immer auch die Tugenden deutscher Sportler; zumindest spätestens seit die fußballernden Herbergers, Müllers und Briegels dieser Nation das Credo des Turnvater Friedrich Ludwig Jahn "Frisch, fromm, fröhlich, frei" für obsolet erklärten. Wo sind sie hin die deutschen Tugenden? Abgesoffen im Schwimmbassin? Zerschlagen im Boxring? Zerstreut auf der Aschenbahn?

Nun ist es sicher nicht so, dass Deutschlands Sportler weniger tüchtig arbeiten als die Konkurrenz aus Asien. Doch vielleicht steht dem deutschen Sport, nun da er im globalen Wettbewerb von der schieren Masse der in Kaderschmieden früh gestählten uns sortierten Athleten anderer Nationen überflügelt wird, eine Kulturrevolution ins Haus. Deutschlands erste Medaillen dieser Olympischen Spiele gewannen die kreativen Synchronspringer, das erste Gold feierte ein völlig unverkrampfter Kanute, der sich im Wasser einfach treiben ließ, und die Vielseitigkeits- wie Dressurreiter überzeugten als Mannschaft.

Einige ernten mit ihren singulären Qualitäten anderswo gar mehr Respekt als im eigenen Lande. Sascha Klein ist in China fast zu einer Art Volksheld erwachsen, vor Timo Boll haben sie beim Olympiagastgeber gewaltigen Respekt. Boll spielt variantenreich Tischtennis, Klein ist Wasserspringer. Und Fecht-Olympiasiegerin Britta Heidemann spricht fließend Mandarin, war schon etliche Mal und studiert chinesische Regionalwissenschaften. Individualität, Internationalität, Teamfähigkeit und Leichtigkeit sind bei all der nötigen Kraft und Kondition die würzenden Zusätze für die Zukunft!

Heute Mittag gab es im Brotzeitstüberl um die Ecke übrigens die schöne Wahl zwischen dem kräftigenden bajuwarischen Nationalimbiss Leberkässemmel und asiatischer Nudelsuppe. Wir nahmen die asiatische Nudelsuppe, sie war etwas leichter, und wir waren trotzdem froh, dass wir wählen hatten dürfen.

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