Özil und Gündogan:Ein Foto und seine Folgen

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Bundestrainer Joachim Löw plante "zu keiner Sekunde", seine beiden Nationalspieler zu sanktionieren.

Von Johannes Aumüller

Arbeiter bringen ein Plakat mit dem Konterfei Ilkay Gündogans an der Fassade des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund an. (Foto: Leon Kuegeler/Reuters)

Joachim Löw gab sich eindeutig. Ob er in den vergangenen Stunden mal an eine Sanktion gedacht habe für seine Mittelfeld-Akteure Mesut Özil und Ilkay Gündogan, oder vielleicht sogar an eine Nicht-Nominierung für die WM? "Natürlich nicht", sagte der Bundestrainer, "zu keiner Sekunde." Stattdessen war Löw sehr bemüht, nicht allzu streng zu wirken ob der seit Montag viel beachteten Fotos der beiden türkischstämmigen Nationalspieler mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan. Löw sieht das so, dass der Verband dem Duo klargemacht habe, "dass es keine glückliche Aktion war". Andererseits betonte er aber auch, dass er ein "bisschen Verständnis" zeige, weil bei Spielern mit Migrationshintergrund zwei Herzen in der Brust schlügen. Die Sache werde den beiden "eine Lehre" sein - im Trainingslager werde es sicher noch ein Gespräch geben.

Es ist allerdings fraglich, ob sich der Fall so leicht abhaken lässt. Politiker verschiedener Parteien rügen das Treffen von Özil und Gündogan mit Erdoğan in einem Londoner Hotel scharf, sie erkennen darin Unterstützung für die türkischen Wahlen in einem Monat. Am Dienstag äußerte sich auch der Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel: Es sei eine Situation gewesen, "die Fragen aufwarf und zu Missverständnissen einlud". Als Nationalspieler hätten die beiden Vorbildfunktion.

Arm in Arm mit Erdoğan? "Menschen machen Fehler."

Für die Vertreter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ist die Causa aus verschiedenen Gründen sportpolitisch pikant. Das beginnt schon bei Löw selbst, denn unter den Beratern des National-Duos und des Bundestrainers gibt es eine enge Verbindung. Özil und Gündogan werden unter anderem von einem Spielerberater vertreten, der zugleich der Großbritannien-Beauftragte der Firma ARP ist. An deren Spitze wiederum steht der Berater von Löw. Auf eine Anfrage zum Thema, wie eng die Firmen zusammenarbeiten würden, gab es am Dienstag von ARP zunächst keine Antwort.

Aber auch für den DFB selbst ist das Terrain schwer. Der Verband befindet sich mit der Türkei im Wettstreit um die Austragung der EM 2024. Und zum Reglement von Europas Fußball-Union (Uefa) gehört, dass Kommentare über Mitbewerber untersagt sind. Gleichwohl gab sich DFB-Boss Reinhard Grindel nach Bekanntwerden der Bilder klar: "Der Fußball und der DFB stehen für Werte, die von Herrn Erdoğan nicht hinreichend beachtet werden", sagte er. Deshalb sei es nicht gut, dass sich die Spieler "für seine Wahlkampfmanöver missbrauchen lassen". Der Integrationsarbeit des DFB hätten sie nicht geholfen.

Der türkische Verband (TFF) wies dies am Dienstag als inakzeptabel zurück. Er habe die "diffamierenden Aussagen" Grindels mit tiefer Bestürzung zur Kenntnis genommen, sagte TFF-Chef Yildirim Demirören, ein Gefolgsmann Erdoğans. "Die Ansichten des DFB-Vorsitzenden sind in keiner Weise hinzunehmen." Grindel würde "den Fußball in die Politik hineinziehen".

In jedem Fall war auffällig, wie eindeutig Grindel formuliert hatte. Das war beim DFB zuletzt nicht gerade der Fall gewesen, wenn es um autokratisch geführte Nationen ging. Als es zunächst hieß, dass der ARD-Journalist Hajo Seppelt nach seinen Enthüllungen zu Russlands Dopingsystem kein Visum für die WM bekommen solle, verwies Grindel vor allem darauf, dass er in der Sache "volles Vertrauen" in den Fußball-Weltverband habe. Mit China vereinbarte der DFB vor einem guten Jahr sogar eine umfangreiche Kooperation.

Am Dienstag klang Grindel auch schon wieder milder, eher so wie der Bundestrainer Löw. "Menschen können Fehler machen", sagte er, und Kritiker müssten "das Maß wahren".

© SZ vom 16.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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