Nordische Kombination:Gold von gestern

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Doppelweltmeister Ronny Ackermann will zu Saison-Beginn nicht gelassen sein.

Thomas Hahn

Es stand nicht gut, der Finne Hannu Manninen stürmte voraus im Weltcup der Nordischen Kombinierer, und Ronny Ackermann, der Weltmeister, hatte Probleme auf der Schanze. Sein Absprung funktionierte nicht, er arbeitete daran in Sonderschichten und die Weltmeisterschaften in Oberstdorf standen bevor.

Ronny Ackermann will in Turin Olympiasieger werden. (Foto: Foto: ddp)

Da nahm der Bundestrainer Hermann Weinbuch seinen Ackermann zur Seite und sagte: "Ronny, du bist schon Weltmeister. Du hast bewiesen, dass du es bringen kannst. Du bist schlecht gewesen vorher, du hast Schwierigkeiten gehabt, und wenn du jetzt eine Medaille gewinnst, ist das ein Erfolg. Du musst nicht Weltmeister werden. Aber der andere, der Manninen, der muss Weltmeister werden, sonst hat er verloren, weil er vorher alles gewonnen hat." So sprach Hermann Weinbuch, und dann endete die Geschichte so, dass Ronny Ackermann aus Unteralba bei der WM sowohl über die Normaldistanz als auch im Sprint Gold gewann und die Staffel zu Silber führte.

Neun Monate ist das her, schon ziemlich lange also in den Kategorien des Sports, so lange jedenfalls, dass Ackermanns Titel nichts mehr gelten beim Auftakt der olympischen Saison in Kuusamo/Finnland. Nichts ist so alt, wie das Gold der vergangenen Saison, das hat Ackermann längst verinnerlicht, und gerade in diesem Jahr erlebt er, wie schnell man vom Ruhm in die Wirklichkeit zurückstürzen kann.

Im Springen fehlen ihm noch fünf Meter

Im Sommer störte ihn ein Bänderanriss im Sprunggelenk, und auf der Schanze klappte es überhaupt nicht. Materialprobleme. Die Suche nach einem neuen Schuh machte Mühe, und auch wenn er mittlerweile erste Fortschritte sieht, ist er noch nicht am Ziel. Der zögerliche Winterbeginn hat Sprünge auf Schnee gekostet, die ersten machte er erst am Wochenende in Rovaniemi, wo auch andere Weltklasse-Leute trainierten; fünf Meter fehlten Ackermann da im Vergleich mit den Besten. Und in Kuusamo war es so windig, dass Ackermann nicht gut weiterproben konnte. Weinbuch hat die wenigen Versuche seines besten Mannes gesehen und sagt: "Es ist noch nicht das, was er kann."

Vielleicht bringen die Weihen der WM trotzdem was, und seine anderen Erfolge auch: Weltmeister war er schließlich schon 2003, zwei Mal Weltcup-Gesamtsieger (2002, 2003) und 2002 bei Olympia in Salt Lake City zweifacher Silber-Gewinner. Wer so viel erreicht hat, kann im Grunde nichts mehr verpassen, und so könnte Ronny Ackermann, 28, der entspannteste Favorit seines Fachs sein, weil ihm niemand mehr nehmen kann, was er sich schon erarbeitet hat.

Ackermann will das so nicht sehen. Er versteht sich als Champion und ein Champion will immer mehr. "Wenn ich so extrem gelassen da rangehen würde wegen der Lorbeeren, wäre ich fehl am Platz", sagt er. Ihn treibt ein natürlicher Ehrgeiz. Dass er jetzt keinen Druck mehr spüren soll, bloß weil er schon einen ganzen Satz Medaillen zu Hause hat, passt schlecht zu seinem Selbstverständnis als Spitzenathlet. Ackermann mag den Eindruck nicht, er könnte es einfacher als andere haben, er sieht sich lieber in der Rolle des Siegertypen, der Widerstände überwindet und sich vor allem selbst hilft.

Heute ist er die Führungsfigur

In den Anfängen seiner Karriere gab es niemanden im Team der Kombinierer, an dem er sich orientieren konnte, heute gilt er als unumstrittene Führungsfigur und Vorbild für junge Hochbegabte wie Björn Kircheisen, 22, den WM-Zweiten von Oberstdorf, oder Tino Edelmann, 20, achtmaliger Medaillen-Gewinner bei Junioren-Weltmeisterschaften. Darauf ist er stolz und dazu passt es dann aus seiner Sicht zunächst mal schlecht, wenn Bundestrainer Weinbuch feststellt, dass die Mannschaft nicht nur ihren Ackermann braucht, sondern auch der Ackermann seine Mannschaft. Gerade in diesem Jahr. "Er war nicht der Beste im ganzen Sommer", sagt Weinbuch, "im Springen hatte er Riesenprobleme. Da hat er von den Stärken der anderen profitiert. Er braucht die Leute, um sich wieder ranzubeißen."

Ackermann dagegen sagt, der Blick auf die anderen sei für ihn "weniger wichtig". Im Sommer sei er doch immer schlechter als im Winter gewesen, wegen seiner Ausdauerarbeit. Erst später sagt er: "Ab und zu ist es auch wieder wichtig. Es ist so ein Wechselding."

Weinbuch glaubt, dass im Winter wieder die alte Hierarchie bestehen wird mit Ackermann an der Spitze, mit Kircheisen und dem sprungstarken Georg Hettich dahinter sowie einem regen Konkurrenzkampf um den vierten Platz in der Staffel.

Gold wäre die "absolute Krönung"

Und er weiß auch schon, was er im kommenden Februar tun wird, wenn Olympia bevorsteht und Manninen, der sich im Training zuletzt in guter Form zeigte, im Weltcup wieder die Maßstäbe setzen sollte. Er wird Ackermann zur Seite nehmen und sagen: "Ronny, du hast schon Silbermedaillen gewonnen bei Olympia. Du hast zwar noch kein Gold, es wär' schön, wenn du welches gewinnen würdest, aber du hast deine Olympiamedaillen schon. Du hast zweimal bei Großmeisterschaften bewiesen, dass du ein Spitzenmann bist, also musst du nicht mehr beweisen, dass du ein großer Sportler bist. Wenn du das jetzt noch schaffst, Olympiasieger zu werden, ist das deine absolute Krönung. Aber wenn du eine Medaille gewinnst, dann hast du auch gewonnen."

Vielleicht wird Ronny Ackermann dann später nicht glauben, dass ihm das geholfen hat. Aber das wird egal sein, wenn er erstmal den Erfolg hat, nach dem er strebt.

© SZ vom 24.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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