Aus für Nordirland:Will Grigg's On The Bench

Lesezeit: 3 min

...aber die Fans singen trotzdem. Ihre gute Laune hat die EM geprägt. Da ist es auch nicht so schlimm, dass die nordirische Mannschaft am Ende kaum noch Fußball spielt.

Von Claudio Catuogno, Paris

Frage an einen nordirischen Fan in der U-Bahn-Station Porte de St. Claud, unweit des Prinzenparks von Paris: Mögen sich eigentlich die Anhänger aus Wales und Nordirland?

"Mögen nicht wirklich."

Hassen sie sich?

"Hassen nicht wirklich."

Nordiren kommen manchmal ein bisschen maulfaul daher.

Aber auf eines lässt sich der Fan doch sehr schnell festlegen: "Waliser und Nordiren hassen die Engländer, das steht fest. Alle hassen die Engländer. Das ist historisch bedingt."

Wer die Engländer noch mag und wer nicht mehr, das ist gerade vor allem jenseits des Fußballs eine große Frage. Wenn man nur das Bild zum Maßstab nimmt, das der Fußball abgibt, kann man aber sagen: Dem Brexit-Slogan "Make Britain Great Again" wird bei der EM in Frankreich gerade alle Ehre gemacht. England, Wales, Nordirland, Irland, vier Vertreter von jenseits des Ärmelkanals waren qualifiziert, nur die Schotten hatten es nicht geschafft. Alle vier haben die K.o.-Runde erreicht, und dass mindestens einer ins Viertelfinale vorstoßen würde, war klar, als die Paarung dieses Achtelfinales von Paris feststand: Wales gegen Nordirland.

On Fire? Will Grigg nimmt seinen Ruhm bescheiden zur Kenntnis. (Foto: Petr David Josek/AP)

Hat man sich dieses Spiel nun unbedingt anschauen müssen? Nicht unbedingt

Hat man sich dieses Spiel nun unbedingt anschauen müssen? Anschauen nicht wirklich. Mal abgesehen vom famosen Waliser Gareth Bale (Real Madrid), der Gareth Mc Auleys Eigentor erzwang mit einer Flanke von links, war da doch viel rustikaler Zweit- und Drittliga-Fußball zu sehen. Das sind nun mal die Divisionen, in denen viele der Spieler auf beiden Seiten ihre berufliche Heimat haben.

Aber zum Anhören war das Spiel mal wieder ganz famos. Wenn es ums Singen geht, sind die Nordiren ganz und gar nicht maulfaul. "Nanananananana nanana nana", hallte es durch den Prinzenpark, und immer wieder: "Will Grigg's On Fire..."

Die Geschichte des Songs hat sich inzwischen herumgesprochen: Der nordirische Stürmer Will Grigg, 24, hat eine ziemlich erfolgreiche Saison bei Wigan Athletic hinter sich, mit 24 Treffern hat er den Klub in die zweite englische Liga geschossen. Ein paar Fans dichteten den zwanzig Jahre alten Hit "Freed from Desire" der italienischen Sängerin Gala um in "Will Grigg's On Fire". Und einer, er heißt Sean Kennedy, drehte dazu ein besonders schräges Youtube-Filmchen: Er sitzt zu Hause auf seinem Drehstuhl und schlägt engagiert den Schellenring. Nananananananana nanana nana ...

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Das Londoner Elektro-Duo "Blonde" hat dann eine Dance-Version daraus gemacht, die schoss in die britischen Charts und in die iTunes-Top-10. Jetzt hat "Will Grigg's On Fire" eine eigene Facebook-Seite und einen Twitter-Account. Es ist eine Geschichte über das Zusammenwirken von Fanblock-Kreativität und digitaler Welt.

In der Nachspielzeit kommt Griggs großer Moment: Er kratzt sich am Kinn

Nur gespielt hat Will Grigg halt nicht. Nicht gegen Polen, nicht gegen die Ukraine, nicht gegen Deutschland. In der ersten Halbzeit dieses Achtelfinals gegen Wales sangen die Nordiren "Will Grigg's On Fire", aber am Spielfeldrand machten sich andere warm für eine mögliche Einwechslung. In der zweiten Halbzeit sangen die Nordiren "Will Grigg's On Fire", und irgendwann machte sich Will Grigg dann tatsächlich warm. Aber der Nationaltrainer Michael O'Neill stellt halt nicht nach akustischen Gesichtspunkten auf.

Berufen hat er Grigg, weil der "immer für etwas Ungewöhnliches gut ist", wie er lobte, aber zeigen durfte der Stürmer das in Frankreich nicht. "Er war unser Stürmer Nummer vier im Kader, er hat eine strahlende Zukunft vor sich. Aber ehrlich gesagt formiere ich mein Team nicht danach, was die Fans singen", sagte O'Neill am Samstagabend auf der Pressekonferenz.

In der Nachspielzeit haben die Uefa-Kameras Will Grigg mal kurz eingefangen, sein Gesicht wurde auf der Videowand eingeblendet, Grigg kratzte sich nachdenklich am Kinn. Er ist die gesamte EM auf der Bank gesessen. Sie haben ihn als Maskottchen dabei gehabt, aber das war vielleicht gar nicht so schlimm.

Sein Lied wird weiter zu hören sein. Der Turnier-DJ David Guetta hat den Titel während der Eröffnungsfeier in seinen Hitsampler eingebaut. Eric Cantona, der große Provokateur unter Frankreichs ehemaligen Nationalspielern, hat gerade ein Will-Grigg-Video aufgenommen. Der Song ist, wie man so sagt, in aller Munde. Nanananananana nanana nana.

In England erfunden, in Nordirland verehrt, manchmal ist es auch auf der Insel so einfach, sich einig zu sein.

© SZ vom 26.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: