Noch ein Russe in der Premier League:Stahl, Edelmetall und die Fußballseele

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Der FC Arsenal droht den Kampf gegen eine feindliche Übernahme durch Milliardär Usmanow zu verlieren. Viele in England fürchten um die traditionellen Werte ihres Fußballs.

Raphael Honigstein

Am Sonntagmittag hatte der FC Arsenal gegen den FC Sunderland erstaunlich viel Mühe - ohne Jens Lehmann gewann man die abwechslungsreiche Partie knapp mit 3:2 und verteidigte so die Tabellenspitze. Abseits des Platzes steht man aber zurzeit weitaus mehr unter Druck: Die Gunners kämpfen gegen eine feindliche Übernahme durch den russischen Milliardär Alisher Usmanow. Der 53-Jährige hat diesen Sommer für umgerechnet 172 Millionen Euro 23 Prozent der Vereinsaktien gekauft und ist dadurch zum zweitgrößten Aktionär aufgestiegen. In Nordlondon geht man davon aus, dass sich der nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion mit Geschäften in Usbekistan reich gewordene Stahl- und Edelmetall-Magnat damit nicht zufrieden geben wird. Usmanow blieb in Gesprächen mit britischen Journalisten gezielt vage: "Heute habe ich nicht die Absicht, die Kontrolle zu übernehmen, aber vielleicht nächstes Jahr oder in zehn Jahren.''

Gutes Investment: Arsenal mit dem diesmal zweifachen Torschützen Robin van Persie (r.) ist für Geldanleger interessant. (Foto: Foto: Reuters)

Der Arsenal-Vorsitzende Peter Hill-Wood, dessen Familie den Verein seit drei Generationen führt, ist bestürzt. "Ich möchte nicht, dass Usmanow der Eigentümer wird'', sagte Hill-Wood, "bei ihm sind viele Fragen offen. In Usbekistan werden merkwürdige Geschäfte gemacht.'' Usmanow saß in den Achtzigern wegen Korruption und Erpressung sechs Jahre im Gefängnis, wurde aber später begnadigt.

"Meine Verurteilung war falsch und illegal'', insistiert der sechstreichste Russe, "wahrscheinlich steckte der usbekische KGB dahinter.'' Der ehemalige britische Botschafter in der zentralasiatischen Republik, Craig Murray, bestreitet diese Version der Geschichte. Er hat Usmanow sogar in einen Zusammenhang mit Drogenhandel gebracht, musste aber einige Einträge auf seiner Internetseite auf Druck von Usmanows Rechtsanwälten wieder entfernen.

Der Oligarch will schon seit langem ein Arsenal-Fan sein, doch worum es ihm wirklich geht, ist nicht schwer zu erraten: in der boomenden Premier League stellen die Londoner das derzeit interessanteste Spekulationsobjekt dar. Im September hat der von Arsène Wenger trainierte Klub Geschäftszahlen veröffentlicht, die ihn als weltweit umsatzstärksten Verein hinter Real Madrid ausweisen. Dank der deutlich gestiegenen Einnahmen aus dem neuen, 60 000 Zuschauer fassenden Emirates-Stadion setzten die Londoner 06/07 knapp 290 Millionen Euro um, und in der laufenden Saison dürfte man die Königlichen deutlich abhängen - allein der neue Fernsehvertrag bringt Arsenal rund 75 Millionen Euro.

Bisher hat der börsennotierte Klub auf die Ausschüttung einer Dividende verzichtet. Der Vorstand, dessen Mitglieder zusammen 45 Prozent der Aktien halten, hat die kleinen Gewinne zurück in den Verein investiert. Usmanow möchte dies ändern - und pocht außerdem auf unabhängige Vorstandsmitglieder, die sein Übernahmeangebot nüchterner betrachten. Hill-Wood und seine Kollegen gerieren sich nach seinem Geschmack viel zu sehr als Moralwächter. ,,Ihre Nervosität ist verständlich, aber sie ist übertrieben'', sagt Usmanow.

Wenger sieht das anders. ,,Dem englischen Fußball droht die Gefahr, seine Seele zu verlieren'', sagt der Franzose, ,,früher hatten wir Eigentümer, die Fans waren. Heute sind die Eigentümer Geschäftsmänner''. Manchmal sind die Unterschiede jedoch nicht sehr deutlich. Es war schließlich der ehemalige Geschäftsführer David Dein, der den Machtkampf vom Zaun gebrochen hat. Dein sprach sich im Frühjahr für eine Übernahme durch den amerikanischen Investor Stan Kroenke aus, der gut 12 Prozent der Anteile hält. Der Vorstand fühlte sich hintergangen, Dein musste seinen Posten räumen. ,,Wir brauchen Kroenkes Geld nicht und wollen solche Leute hier nicht'', sagte Hill-Wood. Dein verkaufte darauf seine eigenen 14,5 Prozent für 107 Millionen Euro an Usmanov und wurde von dem Russen zum Vorsitzenden der Red&White Holding-Gesellschaft bestellt, die den Verein übernehmen will. David Dein möchte mit Hilfe der russischen Millionen die Kontrolle über den Klub zurück, doch der Vorstand bleibt hart. Dein gilt in Islington als persona non grata; Usmanow erwägt, ihn zu opfern, um mit den Machern doch noch ins Geschäft zu kommen.

Viel wird davon abhängen, wie Kroenke sich verhält. Arsenal sieht den Besitzer des amerikanischen Fußballvereins Colorado Rapids inzwischen als Verbündeten gegen den Russen. Vor kurzem wurde er zu einer Vip-Tour durchs neue Stadion eingeladen; man hat ihm sogar einen Vorstandsposten angeboten. Usmanow setzt aber darauf, dass weder Kroenke noch die Vorstandsmitglieder seinen lukrativen Avancen dauerhaft widerstehen. Sein Kalkül: In der Premier League hat alles und jeder seinen Preis. Auch die Tradition.

© SZ vom 8.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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