NFL-Spiel in Europa:Football? Nein, Football!

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Die American-Football-Profiliga NFL versucht mit Spielen außerhalb der USA ihre Absatzmärkte zu erweitern. In London sind die Beteiligten froh, dass nachher niemand buht.

Christoph Leischwitz

Sie hatten sich so viel Mühe gegeben. Die amerikanische Football-Liga NFL ließ zwei Mannschaften tausende Kilometer weit fliegen, und eine Woche lang wurde in London Werbung für das Spiel gemacht, um den Briten klarzumachen, dass die Rugby-WM vorbei und Football nicht gleich Football ist. Und dann so ein Wetter.

Leicht bekleidete Cheerleader gehören zum American Football wie die Lautstärkenmessung auf der Tribüne. Auch im verregnten London. (Foto: Foto: AFP)

Am Sonntagabend spielten die Miami Dolphins gegen die New York Giants im Wembleystadion, es war das erste NFL-Pflichtspiel außerhalb Nordamerikas, und dann wurde die ganze Vorfreude allein dadurch vermiest, dass die Spieler weder mit dem britischen Nieselregen noch mit dem feinen englischen Rasen klarkamen.

Das Spiel endete 13:10 für die New York Giants, doch eigentlich hätte es keinen Sieger verdient gehabt. "Ist Football immer so langweilig?", fragte ein englischer Teilzeitfan auf der Tribüne. Kaum vorzustellen, dass er jemals wiederkommt, sollten die Profi-Footballspieler noch einmal den Weg über den Atlantik schaffen. Es war kein Spiel, um die Sportart beliebt zu machen. Das wussten auch die beiden Trainer, die sich nach dem Spiel artig bei den Gastgebern bedankten. "Wir sind gestern durch London gelaufen, und niemand hat gebuht", sagte Giants-Trainer Tom Coughlin.

Auch die Stimmung im Stadion blieb lange Zeit gut. Schon auf dem Weg von der U-Bahn zum Wembleystadion sah es so aus, als ob die gesamte amerikanische Football-Liga nach London gekommen sei. Fanutensilien von mindestens einem Dutzend verschiedener Mannschaften waren zu sehen. Es waren britische Fans, die für diesen Sonntag ihre alten NFL-Klamotten aus dem Schrank geholt und sich für umgerechnet 95 Euro ein Ticket besorgt hatten.

Weniger Fans als in den achtziger Jahren

American Football ist in England momentan nicht so beliebt, wie es schon mal war. Mitte der achtziger Jahre gab es erste Fernseh-Übertragungen von Spielen der NFL, damals gründeten sich große Fangemeinden in ganz Europa. Deshalb sind die meisten heute noch Anhänger jener Mannschaften, die damals am erfolgreichsten waren: Dallas, New England, und eben Miami. Nur: so viele Fans kommen nicht mehr nach, Fußballmannschaften wie Manchester United machen vor, wie viel Geld man im Ausland verdienen kann.

Es ist also kein Zufall, dass ausgerechnet die Dolphins ein Heimspiel abgegeben haben für den großen Plan, wieder mehr Fans außerhalb der USA zu gewinnen. Finanziell gesehen ist es ein Risiko, denn es gibt keinen Fan-Präzedenzfall. Sportlich aber hätte zumindest den Dolphins nichts Besseres passieren können. Sie haben noch überhaupt kein Spiel gewinnen können, da kann die Stadt die erfolglose Mannschaft ruhig für eine Woche auf PR-Reise schicken. Zumal einige Tausend Fans sogar mitreisten. Amerikaner mit Dolphins- und Giants-Regenjacken prägten am Wochenende genauso das Stadtbild wie die "normalen" Fußballfans. Trotzdem waren laut NFL-Angaben etwa 85 Prozent der 81.176 Zuschauer im ausverkauften Wembleystadion Engländer.

Die Idee, Footballspiele zu exportieren, ist nicht neu. Seit den siebziger Jahren wurden Dutzende Freundschaftsspiele in Tokyo, London oder Berlin ausgetragen, im vergangenen Jahr dann das erste Pflichtspiel in Mexiko, mehr als 100.000 Zuschauer kamen. Danach hatte NFL-Chef Roger Goodell verkündet, dass in Zukunft jedes Jahr ein Pflichtspiel ins Ausland vergeben werden soll - gut möglich, dass nächstes Jahr auch eines in Deutschland stattfindet.

Auch NHL und NBA waren in London

London aber ist im Moment auf dem globalen Absatzmarkt die erste Station, denn die amerikanische Konkurrenz ist groß. Die Hockey-Liga NHL ließ Ende September zwei Partien des amtierenden Meisters Anaheim Mighty Ducks gegen die Los Angeles Kings in London abhalten, und auch NBA-Basketballer waren schon hier. Wie wichtig die Vermarktung außerhalb der USA geworden ist, beweisen die Reaktion der NFL. Vergangene Woche machte Goodell London zu einem potenziellen Austragungsort der Super Bowl. Das ist zwar schon wegen der Zeitverschiebung unrealistisch, denn das Saisonfinale würde in den USA nicht zur Prime Time laufen, Millionen Dollar an Werbeeinnahmen würden verloren gehen. Doch Goodells Worte zeigten Wirkung. Londons Bürgermeister Ken Livingstone wird nicht müde, die NFL zu hofieren, und die Vereine haben bereits einer Erweiterung des Auslandsspielplans zugestimmt, in Zukunft sollen es zwei pro Jahr sein. Noch im Februar hatte Goodell es für unwahrscheinlich gehalten, mehr als ein Spiel abzugeben. "Das können wir unseren Fans zu Hause nicht antun", hatte er gesagt.

Das Publikum in London erwies sich als fachkundig und begeisterungsfähig, die Lautstärke erreichte normalen NFL-Standard. Die Londoner konnten immerhin zehn Jahre lang den Monarchs in der NFL Europa zusehen. Doch diese Liga wurde nun eingestellt. Der Plan, einheimische Spieler für die US-Liga fit zu machen und so große Fangemeinden anzuziehen, hat nicht funktioniert. Jetzt scheint die NFL herausgefunden zu haben, dass es billiger ist, einige Mannschaften für ein Spiel in den Flieger zu setzen, anstatt eine komplette Parallel-Liga zu finanzieren. Das Ergebnis am Sonntag war unwichtig. Viel wichtiger wird sein, wie groß nach diesem Spiel das Interesse in England und dem Rest der Welt sein wird, ein Heimspiel fremder Mannschaften auszutragen.

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